Buxtehuder Jugendrichterin Nora Sielbeck fordert mehrwöchigen Warnschussarrest für junge Straftäter

Stade/Buxtehude. Junge Straftäter sollen zur Abschreckung für eine gewisse Zeit ins Gefängnis gesteckt werden. Dafür spricht sich Richterin Nora Sielbeck aus. Sielbeck ist seit 17 Jahren Jugendrichterin am Amtsgericht Buxtehude. Eine Bewährungsstrafe sei für viele Jugendliche ein Freispruch zweiter Klasse, sagt Sielbeck zur Begründung. Gleichwohl sei es das eigentliche Ziel von Jugendrichtern, erzieherisch einzuwirken, um weitere Straftaten zu verhindern.

Der sogenannte Warnschussarrest wird derzeit bundesweit diskutiert. Die Idee dabei ist, dass ein junger Täter zeitnah zur Tat spüren soll, was es bedeutet, im Gefängnis zu sitzen. Der Warnschussarrest wurde schon im Jahr 2008 von der CDU gefordert. Neu entfacht wurde die Debatte, nachdem der 18-jährige Torben P. vor wenigen Tagen einen 29-Jährigen im Berliner U-Bahnhof-Friedrichstraße brutal zusammengeschlagen und seinem hilflosen Opfer mehrfach gegen den Kopf getreten hatte.

Bislang sei es gesetzlich nicht möglich, junge Straftäter für einige Wochen unter Arrest zu setzen, wenn sie eine Bewährungsstrafe bekommen haben, sagt die Buxtehuder Jugendrichterin Nora Sielbeck. Da aber viele Jugendliche über eine Bewährungsstrafe nur müde lächeln, spricht sich Sielbeck für den Warnschussarrest aus. Eine Gesetzesänderung sei ihrer Meinung nach sehr sinnvoll. Sielbeck setzt dabei auf die abschreckende Wirkung des Knastaufenthalts: "Die Jugendlichen könnten dann während ihres mehrwöchigen Arrests darüber nachdenken, was es bedeutet, für längere Zeit eingesperrt zu werden."

Wenn Jugendliche wegen Straftaten vor Gericht landen, geht es aber derzeit meist nicht bloß darum, sie zu bestrafen. Vielmehr sollen sie wieder auf den richtigen Weg gebracht werden. Die Stader Polizei versucht deshalb präventiv tätig zu werden, um die Straftaten zu verhindern. Straftaten von jugendlichen Tätern habe es schon immer gegeben, sagt Jugendrichterin Sielbeck. Wie auch die Stader Polizei bestätigt sie, dass die absoluten Zahlen rückläufig sind. Das sei allerdings kein Grund, sich zurückzulehnen.

Werden junge Straftäter erwischt, entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie überhaupt Anklage erhebt und es zur Hauptverhandlung kommt. Jugendrichter haben dann ganz unterschiedliche Möglichkeiten, die jungen Straftäter zu bestrafen oder sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen. "Man kann fast alles anordnen, es muss nur sinnvoll und umsetzbar sein", sagt Richterin Sielbeck. Arbeitsauflagen in sozialen Einrichtungen sind ebenso möglich wie Geldstrafen bei Auszubildenden mit eigenem Einkommen.

Für gewaltbereite Jugendliche aus der Region gibt es zudem soziale Trainingskurse am Wochenende. Im Herbst des vergangenen Jahres startete im Landkreis Stade erstmals ein solcher Anti-Aggressionskursus. Eine feste Gruppe von Jugendlichen, die mit Gewalttaten aufgefallen sind, treffen sich dabei regelmäßig für ein halbes Jahr. In diesem Zusammenhang wird auch die Teilnahme an Suchtberatungsgesprächen angeordnet. "Gewaltdelikte passieren fast immer unter Alkoholeinfluss", sagt Sielbeck.

Fall sich keine der erzieherischen Maßnahmen anbietet, kann ein Jugendrichter Arrest verhängen. Für einen Wochenendarrest müssen die Straftäter aus dem Landkreis Stade in nach Tostedt. Im dortigen Amtsgericht gibt es extra eingerichtete Jugendarrestzellen. Einen drei- bis viertägigen Kurzarrest sowie einen Dauerarrest zwischen einer und vier Wochen müssen Jungen aus dem Kreis Stade in der Jugendarrestanstalt Nienburg verbüßen. Für gewalttätige Mädchen geht es nach Neustadt am Rübenberge bei Hannover. Deren Zahl habe in den vergangenen Jahren zugenommen, sagt Sielbeck. Doch ein Großteil der Gewalttäter seien immer noch die Jungen.

Häufig hätten die Täter Probleme in der Schule oder gar keine Abschluss, sagt die Buxtehuder Jugendrichterin. Ein großes Problem sei ihrer Meinung nach, dass die Jugendlichen Eigentum anders bewerten als früher. Das sogenannte "Abziehen" werde von den meisten als nicht so schlimm angesehen. "Viele gucken mich mit großen Augen an, wenn ich ihnen sage, dass diese Taten mit einem Bankraub vergleichbar sind", sagt Sielbeck, "die Jugendlichen meinen, es gehe schließlich nur um zehn Euro oder Zigaretten. Aber es bleibt ein Raub."

In diesen Fällen setzt sie dann auch ihr letztes Mittel ein, die Jugendstrafe. Die wird verhängt, wenn eine Tat besonders schwer oder der Täter ein unbelehrbarer Wiederholungstäter ist. Jugendstrafen können auf Bewährung ausgesetzt werden. Die höchste Jugendstrafe, die Jugendrichterin Sielbeck am Buxtehuder Amtsgericht verhängen kann, sind vier Jahre. Jugendliche, die wegen Mordes oder Totschlags angeklagt werden, müssen sich vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Stade verantworten. Dort kann eine Jugendstrafe von bis zu zehn Jahren verhängt werden. Doch Jugendrichter wie Nora Sielbeck wollen vor allem weitere Straftaten verhindern. Das klappt nicht immer. Sie habe manchmal schon gewisse Erwartungen und werde enttäuscht, räumt Sielbeck ein.

Doch Abstand müsse immer gewahrt werden. Manchmal erfreue sie sich bereits an kleinen Erfolgen. "Was in 15 oder 16 Jahren schief gelaufen ist, kann nicht an ein oder zwei Verhandlungstagen glatt gezogen werden", sagt die Jugendrichterin. Trotzdem guckt sie jeden Tag bei den aktuellen Verhandlungen am Buxtehuder Amtsgericht, ob sie dort auf alte Bekannte trifft.