Reisende in der gesamten südlichen Metropolregion sind betroffen. Der Streik wird voraussichtlich noch den ganzen Mittwoch andauern.

Stade/Harburg/Lüneburg. Wegen des unbefristeten Lokführerstreiks bei der privaten Bahngesellschaft Metronom mussten am Dienstag tausende Berufspendler und Reisende im Hamburger Süden Behinderungen in Kauf nehmen. Zahlreiche Menschen kamen mit erheblicher Verspätung zur Arbeit, zu Arztbesuchen oder Schulausflügen. Nach Angaben der Metronom Eisenbahngesellschaft sind 65 Prozent ihrer Züge ausgefallen. Am Montag waren es 60 Prozent gewesen.

Nur wenige Verbindungen wurden am Dienstag nicht bestreikt. Metronom schickte einzelne Züge los - mit Lokführern die nicht streikten. Bahnreisende im Hamburger Süden sind besonders betroffen: Etliche Zwischenstationen auf den Strecken zwischen Hamburg und Bremen sowie Cuxhaven und Hamburg sind auf der Schiene ausschließlich mit den Zügen der Metronom erreichbar.

"Immer heißt es, wir sollen auf Bus und Bahn umsteigen und das Auto stehen lssen - aber so?", Gerda Thomsen

Von den Zugausfällen war laut Metronom der Streckenabschnitt Cuxhaven-Hamburg am stärksten betroffen. Die Gesellschaft richtete einen Busersatzverkehr zwischen Cuxhaven und Stade ein. Dennoch kamen die Berufspendler aus Stade und Buxtehude mit den geringeren Schwierigkeiten zur Arbeit als Bahnnutzer aus Winsen, Buchholz oder Lüneburg. Der Grund: Metronom-Reisende aus dem Landkreis Stade können auf die S-Bahn umsteigen.

"Ich fahre zwar lieber mit dem Metronom, weil der komfortabler ist und besseren Service hat", sagt Ingrid Prochnow aus Buxtehude, die seit 40 Jahren als Berufspendlerin in Richtung Stade fährt. "Aber der Streik ist kein Problem, ich weiche auf die S-Bahn aus, die immer pünktlich fährt." Nach ihrem Empfinden war die S-Bahn zwar voller, aber die Sitzplätze reichten für alle Fahrgäste, so Prochnow weiter.

Aus Stade pendelt Reimar Söhl täglich in Fahrtrichtung Hamburg zur Arbeit. "Ich habe Verständnis für den Streik und dass keine Züge gefahren sind. Für mich ist es kein Problem, ich fahre mit der S-Bahn. Sie ist zwar dann voller, aber es gibt genügend freie Sitzplätze."

Gelassenheit im Landkreis Stade, Unverständnis und Wut dagegen auf den Bahnhöfen in Winsen und Lüneburg: "Für mich ist das Maß jetzt richtig voll", sagt Kathrin Schaar aus Winsen-Luhdorf. Sie wisse nicht, wie sie morgens nach Hamburg und abends wieder zurück nach Hause kommen solle. "Man fühlt sich völlig hilflos, weil man nicht anders wegkommt. Das ist eine Belastung, die ich nicht gebrauchen kann". Die 33-Jährige kritisiert, dass die Metronom-Gesellschaft die Angaben beim Internetdienst "Twitter" zu Zügen, die trotz Streiks fahren, nicht nach Uhrzeiten oder Bahnhöfen sortiert.

Auf das Auto umzusteigen, ist offenbar am Dienstag kein schnellerer Weg. Auf der Autobahn 7 in Richtung Hamburg staut sich am Vormittag der Verkehr vor dem Elbtunnel auf acht Kilometer Länge. Zahlreiche Baustellen spielen der Lokführergewerkschaft in die Hände: "Mein Mann hat am Bahnhof keinen Zug bekommen", berichtet Inga Tödter aus Winsen-Luhdorf. Er sei deshalb mit dem Bus über Over nach Harburg gefahren - eine Stunde habe er für die Strecke gebraucht. "Das Auto ist wegen der vielen Baustellen auf der A1 und A keine Alternative", sagt die 34-Jährige. Sie habe zwar Verständnis für den Streik der Lokführer, gibt aber zu bedenken, dass die Bahnreisenden viel Geld für die Fahrkarte bezahlen.

"Zug verkehrt", zeigt das Auskunftsdisplay auf Bahnsteig drei am Harburger Fernbahnhof an. Gemeint ist der Metronom Regional 81918 von Hamburg nach Bremen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, das Züge in einem Bahnhof fahren - aber an einem Streiktag der Lokführer macht eine solche Auskunft Sinn. Auf dem Bahnsteig warten am Nachmittag die beiden Schülerinnen Celine und Vanessa, beide 16, und aus Klecken. Sie sind auf dem Heimweg. Wegen des Lokführerstreiks hatte ihre Klasse von der Haupt- und Realschule Rosengarten ihr Ausflugsziel, ein Kanuanleger an der Alster, eine Dreiviertelstunde später erreicht. "Wir sind auf Busse und Privatautos umgestiegen", sagt Celine. Die Kanufahrt der Schüler fiel deshalb kürzer aus.

Vereint im Ärger zeigen sich gegen Mittag auf dem Bahnsteig in Lüneburg Dagmar Lierk, Gerda Thomsen und Renate Schlumbohm. Die Rentnerinnen mussten eine halbe Stunde auf ihren Zug warten und sind dabei ins Gespräch gekommen. "Als wir herkamen, wussten wir von Zugausfällen und Verspätungen nichts", sagte Dagmar Lierk. Die Uelzenerin war für einen Arzttermin nach Lüneburg gefahren und wollte mit dem Metronom um 11.22 Uhr wieder zurück nach Hause. Den Termin hat sie zwar noch einhalten können. Die Rückfahrt aber gestaltete sich schwierig. "Erst hieß es, der Zug um 11.22 Uhr fällt aus und der nächste um 12.22 Uhr fährt. Jetzt kommt der um 11.22 Uhr, aber erst 30 Minuten später." Dass der um 12.22 Uhr ausfällt, hat sie erst durch das Gespräch mit ihren Mitwartenden erfahren. Lierk war entsprechend verärgert: "Was muten die den Leuten zu?"

Renate Schlumbohm und ihr Mann Otto waren froh, den Termin bei einem Facharzt für die Rentnerin nicht verpasst zu haben. "Wir sind um 6 Uhr zu Hause losgefahren, wollen jetzt wieder nach Hause." Um 11.50 Uhr endlich fuhr ihr Metronom ein - mit einer halben Stunde Verspätung. Und laut einer Mitarbeiterin der Deutschen Bahn am Fahrkartenschalter war das der erste Zug seit langem, der überhaupt nach Uelzen fuhr. Nach Hamburg immerhin fuhr nach ihren Angaben ab dem späten Vormittag fast jede Stunde ein Zug, allerdings als Metronom regional mit Halt an allen Unterwegsbahnhöfen.

Möglicherweise kommt es am heutigen Mittwoch zu mehr Zugverbindungen auf der Metronom-Strecken. Laut der Eisenbahngesellschaft würden sich immer weniger Loführer an dem Streik beteiligen. "Wir begrüßen, dass unsere Lokführer zunehmend die Sinnhaftigkeit des Streiks in Frage stellen", sagte gestern Metronom-Geschäftsführer Wolfgang Birlin.

Das, so hofft er, würde dann zu einem Einsehen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer führen.