Kirchenvorstand will den Innenraum der St.-Petri-Kirche umbauen. Gemeindemitglieder protestieren dagegen

Buxtehude. Der Umbau eines historischen Gebäudes sorgt derzeit für Streit zwischen den Machthabern und denen, die sie gewählt haben. Denn für besagten Umbau soll ein Teil der alten Bausubstanz entfernt werden. Die Kritiker protestieren vehement, sie fühlen sich übergangen von ihren Vertretern. Diese wiederum meinen, dass doch eigentlich alles geprüft und öffentlich vorgestellt worden sei - außerdem sei die alte Bausubstanz so alt nun auch wieder nicht. Und im Übrigen seien sie doch gewählt, um in Sachen wie diesen zu entscheiden.

Was wie eine Beschreibung des medienwirksamen Streits um das Projekt "Stuttgart 21" klingt, spielt sich zurzeit in Buxtehude ab. Nur, dass kein Bahnhof in der Diskussion steht, sondern ein viel älteres Gebäude - nämlich die St.-Petri-Kirche im Zentrum der Altstadt. Die Mitglieder der dortigen Gemeinde diskutieren zurzeit heftig über den Plan des Kirchenvorstandes, einen Umbau des Innenraumes vorzunehmen.

Neuer Raum unterhalb der Orgel soll der Kirche Heizkosten sparen

"Winterkirche" nennt sich das Projekt, das für die Auseinandersetzung sorgt. Darunter wird der Einbau eines neuen, einem Wintergarten ähnelnden Raumes im hinteren Teil der Kirche verstanden. Der Bereich unterhalb der Furtwängler-Orgel soll mit Glaswänden und einer separaten Decke abgetrennt werden. Gemeinsam mit dem Raum, in dem sich zurzeit das Kirchencafé befindet, soll ein rund 80 Quadratmeter großer Bereich entstehen. Im Winter, wenn weniger Menschen in die Kirche kommen, hätte die Kirche die Möglichkeit, diesen Bereich gesondert zu beheizen und könnte auf diese Weise Geld sparen. Und das ist aus Sicht der Kirchenleitung dringend notwendig.

"Wir haben im Jahr etwa 20 000 Euro Betriebskosten für die Kirche. Die Zuschüsse der Landeskirche halten da einfach nicht mehr mit. Außerdem haben wir immer weniger Mitglieder, dadurch werden auch die Kirchensteuern weniger", sagt Henning Karow, Vorsitzender des Kirchenvorstandes. In Niedersachsen gebe es bereits 50 bis 100 solcher "Winterkirchen", diesen Beispielen wolle man jetzt folgen.

Geld für den Umbau aus Verkauf des Matthias-Claudius-Hauses

Nach einer etwa dreijährigen Diskussion und einem Architektenwettbewerb hat sich der Vorstand der Kirchengemeinde im September für einen Entwurf des Hannoveraner Architektenbüros "Pax & Brüning" entschieden. Der Umbau soll etwa 270 000 Euro kosten, das Geld dafür hat die Kirche im Sommer mit dem Verkauf des Matthias-Claudius-Hauses an der Carl-Hermann-Richter-Straße eingenommen.

Für Henning Karow ist die "Winterkirche" nicht nur ein Sparmodell, sondern bietet auch Chancen: "Wir hätten einen ganz neuen Raum, in dem alle kirchlichen Gruppen wie zum Beispiel die Konfirmanden einen Ort hätten. Außerdem hätten wir viel mehr Platz für das Turmcafé und die Musik zur Marktzeit." Auch Gottesdienste soll es in der Winterkirche geben, allerdings nicht als Ersatz für "Veranstaltungen, die vor dem Altar stattfinden".

Es ist weniger die Idee der Winterkirche selbst, die die Gegner auf die Barrikaden bringt. Für Protest sorgt aber die Tatsache, dass für den neuen Raum Elemente der alten Kirche wegfallen sollen. Zum einen soll eine ehemalige Brandmauer, die bisher das Kirchencafé vom Mittelschiff der Kirche abtrennt, mitsamt ihrer Fenster wegfallen. Zudem sollen die bisherigen Holzstützen der Furtwängler-Orgel abgerissen werden. Besonders dies sorgt für emotionale Reaktionen.

"Unserer Meinung nach würde der Abbruch der Holzstützen die Optik des Innenraumes zerstören. Außerdem befürchten wir, dass der Klang der Orgel in Mitleidenschaft gezogen wird", sagt Heinz Knaup, der selbst im Chor der Kirchengemeinde singt. Wie er sagt, hat er für viele Gemeindemitglieder das Wort ergriffen und eine Unterschriftenaktion gegen das Vorhaben "in der jetzigen Form" initiiert. Ein Vorgang, der in einer Kirchengemeinde nicht unbedingt üblich ist. Beim Kirchenvorstand stößt er auch nicht unbedingt auf Gegenliebe.

"Wir hätten uns gewünscht, dass man direkt an uns heran getreten wäre", sagt dazu Jürgen Schmidt, Mitglied des kircheninternen Bauausschusses. Zudem sei der Entwurf doch öffentlich in einer Kirchenzeitung vorgestellt worden - und der Einwand, dass der Klang der Orgel beeinträchtigt werde, sei von Sachverständigen geprüft worden. "Das Büro für Kirchenakustik in Halstenbek hat im April Messungen dazu vorgenommen, wie der Schall der Orgel fließt. Das Ergebnis war, dass der Wegfall der Stützen den Klang nur minimal beeinflussen würde."

Auch Aspekte des Denkmalschutzes seien geprüft worden, vom kircheninternen Amt für Bau- und Kunstpflege. Das habe für den Umbau grünes Licht gegeben. Denn schließlich, betont Schmidt, seien die Holzpfeiler gar nicht historisch. "Sie sind erst in den Jahren 1982 bis 84 eingebaut worden. In dieser Zeit wurde die damalige Betonempore gegen eine Holzempore nach historischem Vorbild ausgetauscht".

Das Gutachten des Schallexperten ist auch aufseiten der Gegner bekannt. Sie allerdings halten dem Kirchenvorstand die Einschätzung anderer Experten entgegen. Etwa der Stader Orgelexperte Martin Böcker hegt starke Bedenken und hat das auch in einem Brief an den Kirchenvorstand deutlich gemacht.

Die Tatsache hingegen, dass die Stützen der Orgelempore ein Werk der 80er-Jahre sind, wird von keiner Seite bestritten. Doch, wie Heinz Knaup sagt, haben sie gerade deshalb einen besonderen Wert: "Damals haben viele Gemeindemitglieder für den Umbau gesammelt. Wir können nicht verstehen, dass die historische Optik jetzt schon wieder zerstört werden soll."

Projekt wird morgen Abend auf Gemeindeversammlung präsentiert

Die anstehende Entscheidung darüber, ob der vorliegende Entwurf realisiert wird, ist ein Testfall für die kircheninterne Demokratie. Auf der einen Seite stehen die Gemeindemitglieder, Unterschriften und der Wille einer Basis, die das Projekt womöglich ablehnt. Auf der anderen Seite steht der Kirchenvorstand, der für sich das Handlungsrecht in Anspruch nimmt.

"Wir sind von der Gemeinde gewählt worden, um in der Sache zu entscheiden. Und das wird der Vorstand letztlich auch tun", stellt Henning Karow klar. Andererseits betont er auch, dass der Entwurf jetzt "zur Diskussion" stehe und dass der Vorstand "die Gemeinde hören" wolle.

Zum großen Zusammentreffen der beiden Seiten kommt es morgen Abend. In einer Gemeindeversammlung, die um 19.30 Uhr im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, Bonhoefer-Platz 3, beginnt, will der Kirchenvorstand den Entwurf offiziell präsentieren. Der Architekt wird dort sein und sein Modell erklären. Heinz Knaup und seine Mitstreiter wollen die Gelegenheit nutzen, dem Vorstand die Unterschriften gegen den Entwurf zu übergeben. Bis dahin wird noch gesammelt - die Listen liegen noch bis morgen früh in Buxtehuder Geschäften aus.

Wer noch unterschreiben will, findet die Listen bei: Weinhaus Seitz, Breite Straße 11, Rulffs Stahlwaren, Breite Straße 19, Bitter Schlachterei, Westfleth 33, Erber, Büro- und Zeichenbedarf, Harburger Straße 3.