BUND geht davon aus, einen Klageansatz zu finden: Auch Interessengruppen wollen notfalls vor Gericht gegen die Maßnahme vorgehen.

Stade/Hamburg. Wie geht es weiter mit der Elbvertiefung? Über diese Frage, die nicht nur nördlich, sondern auch südlich des Flusses viele Menschen brennend interessiert, wird zurzeit nicht in Hamburg und auch nicht in Berlin, sondern in Brüssel entschieden.

Die aktuellen Planunterlagen, die im Sommer öffentlich auslagen, werden zurzeit von der EU-Kommission geprüft. Laut Claudia Thoma, Sprecherin der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord in Kiel, in der auch die Planfeststellungsbehörde für die Elbvertiefung angesiedelt ist, seien die Unterlagen Ende Dezember in Brüssel angekommen. Die EU-Kommission prüfe jetzt die Umsetzung der sogenannten Fauna-Flora-Habitat (FFH) -Richtlinie.

Betroffene haben sich zusammengetan, um die Kosten tragen zu können

Die Brüsseler Experten müssen eine "Stellungnahme" zur Umsetzung dieser Naturschutz-Richtlinie angeben, die für einen Planfeststellungsbeschluss notwendig ist. Wann die Stellungnahme jedoch eintrifft, dazu will Claudia Thoma keine Einschätzung abgeben. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagt hingegen öffentlich, dass er mit einem Beginn der Elbvertiefung noch in diesem Jahr rechnet.

Nähert sich das umstrittene Projekt, das schon mehrfach verschoben wurde, nun langsam der Ziellinie? Während die Experten in Brüssel noch beraten, bereiten sich Gegner der Maßnahme darauf vor, die Elbvertiefung nötigenfalls per Gerichtsbeschluss zu stoppen. Naturschutzverbände, Obstbauern, Elbfischer, Hobby-Kapitäne und andere Betroffene haben sich zu Interessengruppen zusammengeschlossen oder planen Kooperationen, um die Kosten eines möglichen Verfahrens gemeinsam tragen zu können.

Im Fokus steht dabei der Schutz des seltenen Schierlings-Wasserfenchels

Zu den mächtigsten Akteuren in dem Spiel zählt der deutschlandweit aktive Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Die Landesverbände Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich zusammengeschlossen, um auch juristisch gegen die Elbvertiefung zu kämpfen. "Wir warten erst einmal die Ergebnisse der Kommission ab. Aber wir gehen davon aus, dass wir einen Klageansatz finden werden", sagt Paul Schmid, Sprecher des BUND Hamburg. Auch nach der Prüfung seitens der EU-Experten könne sich herausstellen, dass die Bedenken zum Umweltschutz nicht ausgeräumt sind.

"Die Kommission hat auch in der Vergangenheit politische Entscheidungen getroffen, die im nachhinein revidiert wurden", sagt Paul Schmid. Ein Beispiel sei die Zustimmung zur Teil-Zuschüttung des Mühlenberger Lochs zwischen 2001 und 2003 für die Erweiterung des Airbus-Werksgeländes. Die Bedenken, die der BUND gegen die - bereits zweimal geänderten - Pläne zur Elbvertiefung hegt, sind nach wie vor erheblich. Im Fokus steht dabei der Schutz des seltenen Schierlings-Wasserfenchels, bei dem auch die die FFH-Richtlinie Anwendung findet. "Der Schierlings-Wasserfenchel ist weltweit einmalig, er wächst nur noch im Bereich der Unterelbe", so Paul Schmid. Die Elbvertiefung drohe jedoch, die letzten Lebensräume der Pflanze zu zerstören.

Neben einer Steigerung des Salzgehaltes erwarten die Naturschützer, dass die Strömung stärker wird, dass die sogenannten mittleren Hochwasserstände steigen und dass sich der Salzgehalt erhöht. Diese Faktoren bedrohen den Schierlings-Wasserfenchel. Zwar ist in den Plan-Unterlagen vorgesehen, zum Ausgleich neue Lebensräume für die Pflanze zu schaffen, doch Naturschützer zweifeln an dem Vorhaben.

Generell würden die höher auflaufenden Fluten die Flachwasserbereiche der Elbe gefährden, die auch "Kinderstuben" für viele Fischarten seien, so Paul Schmid. Einer dieser Bereiche ist die Hahnöver Binnenelbe zwischen der Insel Hahnöver Sand und dem Festland. Auch im Bereich des Kehdinger Landes sind laut BUND Flachwasserzonen gefährdet, die Rastbereiche für viele Zugvögel sind.

Um die Kinderstuben für die Fische sorgt sich auch der Jorker Elbfischer Lothar Buckow, der ebenfalls seit Jahren gegen die Elbvertiefung kämpft. Weil er einen Rückgang der Fischbestände fürchtet, zu dem viele weitere Faktoren wie ein Rückgang des Sauerstoffs im Elbwasser beitragen würden, bereitet sich auch Lothar Buckow auf ein mögliches Gerichtsverfahren vor.

"Selbstverständlich" werde er einen Planfeststellungsbeschluss beklagen, wenn sich die Möglichkeit biete, sagt Buckow. Um die Kosten eines Verfahren tragen zu können, hat er sich mit drei weiteren Elbfischern zu einer Interessengemeinschaft zusammengetan.

Skipper beklagen die zunehmende Verschlickung der Sportboothäfen

Nicht nur beruflich, auch privat fürchtet Lothar Buckow die Folgen einer Vertiefung der Fahrrinne. Gemeinsam mit seiner Frau lebt er in einem Haus in Jork-Borstel, das hinter dem Deich liegt. Mit der Elbvertiefung würde das Risiko einer Flut steigen, doch die Planunterlagen würden für den überwiegenden Teil der Elbdeiche keine Verstärkungsmaßnahmen vorsehen. Die Erhöhung des Risikos sei ein weiterer Ansatzpunkt für eine Klage, die laut Buckow auch andere Hausbesitzer beschäftige.

Zu den Menschen, die in Jork hinter dem Deich leben und deshalb gegen die Elbvertiefung sind, gehört auch Jürgen Schröder. Doch als Vorsitzender des Altländer Yachtclubs, der den Sportboothafen Neuenschleuse betreibt, hat er noch weitere Kritikpunkte. Neben der stärkeren Strömung, die zu erwarten sei, macht den Skippern vor allem eine zunehmende Verschlickung des Hafens zu schaffen, die seit der letzten Elbvertiefung im Jahr 1999 zu beobachten sei. Zwar will die Stadt Hamburg einen "Elbefonds" auflegen, aus dem ein Teil der Kosten der Ausbaggerungen beglichen werden soll. Aber Schröder bezeichnet diesen Fonds als "Tropfen auf den heißen Stein". Der Altländer Yachtclub hat sich deshalb einen Zusammenschluss mit anderen Sportbootvereinen gebildet. "Den juristischen Weg behalten wir uns vor", sagt Jürgen Schröder.

Ganz ähnlich denkt Thorben Sumfleth, der einen Obsthof in Oederquart betreibt und eine Steigerung des Salzgehaltes in den Elb-Nebenarmen befürchtet, aus denen die Bauern das Wasser nehmen. Er und "mindestens 100" Obstbauern zwischen Nordkehdingen und Jork würden sich aus diesem Grund vorbehalten, den juristischen Weg beschreiten. Die Gruppe werde sich "in nächster Zeit formieren".