Bürgerinitiativen glauben, dass die Trasse durch das Moor die Kosten in die Höhe treibt

Himmelpforten/Stade. Der Bau der Küstenautobahn A 20, ehemals A 22, gehört bundesweit zu den größten deutschen Neubauplanungen von Autobahnen. Gleichzeitig zählt er auch zu den umstrittensten Straßenbauprojekten. Mehr als 40 Bürgerinitiativen haben sich gebildet, um die A 20 zu verhindern. Jetzt geraten die Moore entlang der Trasse in den Blickpunkt. Sie könnten zum Scheitern des Baus beitragen, glauben die Gegner der A 20. Die zuständige Behörde hält dagegen.

Hans-Joachim Andres drückt die Fernbedienung in seiner Hand. Auf der Leinwand erscheint ein Foto. Es zeigt eine idyllische Moorlandschaft. Einige Zuhörer seufzen leise ob der schönen Naturaufnahme. Doch diese Idylle ist bedroht. Die geplante Trasse der A 20 zwischen Elbe und Westerstede läuft genau durch dieses Biotop. Damit ist es nicht allein. Nach Aussage des Tierarztes und Naturfreundes Hans-Joachim Andres seien 45 Prozent der Fläche der geplanten Trasse Moore. "Das ist ein einsamer Rekord", sagt Andres, der die gesamte Strecke nach eigenen Angaben bislang dreimal abgelaufen ist. Einige der knapp 250 Zuhörer, die an diesem Abend ins Gasthaus Jarck in Himmelpforten gekommen sind, schütteln mit dem Kopf, als Andres diese Zahl nennt.

Jetzt ist der Autobahngegner, der Moore zu seinen Hobbys zählt, ganz in seinem Element. Seiner Meinung nach könnte der Bau der A 20 entweder an einer Wirtschaftskrise, an erfolgreichen Klagen oder an der Finanzierung scheitern. Und genau an diesem Punkt kämen die Moore ins Spiel. "Die Autobahn scheitert an den Finanzen und die Moore haben einen großen Anteil daran", sagt Andres, so als sei dies bereits Fakt. Zunächst verweist der Naturschützer auf Ausgleichsmaßnahmen, die fällig werden, wenn die Straßenbauer geschützte Biotope durchkreuzen. Das sei zwar zulässig, werde aber teuer, sagt Andres.

In diesem Zusammenhang ergänzt er, dass die Planer diese Ausgleichzahlungen zwar berücksichtigt hätten, allerdings nicht in allen Fällen. Diesem Vorwurf widerspricht Gisela Schütt, Leiterin der Stader Geschäftsstelle der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. "Es wird alles berücksichtigt", sagt Schütt. Derzeit werde gemeinsam mit der unteren Naturschützbehörde ein Konzept für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erarbeitet. Dort wo in Natur und Landschaft eingegriffen werde, werde auch für Ausgleich gesorgt, sagt Schütt.

Zurzeit gehen die Planer von Gesamtkosten in Höhe von rund 1,27 Milliarden Euro aus. Die Kritiker bemängeln, dass die Straßenbauer mit dieser Summe nicht auskommen werden. Hans-Joachim Andres glaubt, dass der moorige Untergrund noch zu erheblichen Kosten führen wird. Schließlich wisse man an vielen Stellen noch gar nicht, wie tief das Moor ist und mit welchem Verfahren dort gebaut werden kann. "Es gibt viele Möglichkeiten, aber wer soll das auf knapp 50 Kilometern bezahlen?", fragt Andres.

Gisela Schütt vom Straßenbauamt entgegnet, dass die erste Kostenplanung für die Aufnahme in den Bedarfsplan lediglich eine grobe Schätzung gewesen sei. Im weiteren Verlauf der Planung würden immer mehr Details bekannt und die Kosten könnten genauer ermittelt werden. Deshalb sei es völlig normal, dass sich die Kosten im Laufe eines Planungsprozesses verändern. Zurzeit befinden sich die Straßenbauer in der sogenannten Entwurfsplanung. Dabei werde bereits sehr detailliert vorgegangen und auch der schwierige Baugrund miteinbezogen, sagt Schütt.

In diesem Zusammenhang werde auch bereits darüber beraten, welche Bauverfahren möglich sind und welche nicht. Bei Moorböden komme es darauf an, wie mächtig diese sind. Bei einer geringen Tiefe von etwa einem Meter könne beispielsweise ein Bodenaustausch wirtschaftlich sein. Dann müsste der Torf entweder gelagert, anderweitig verwendet oder fachgerecht entsorgt werden, sagt Schütt.

Genau dort sieht Autobahngegner Andres ein Problem. "Der Torf kann nicht so einfach entsorgt werden. Torf ist Sondermüll", sagt er. Doch was passiert, wenn die Moorböden mächtiger sind als ein Meter, was übrigens größtenteils der Fall ist? Dann werde mit dem sogenannten Auflastverfahren gearbeitet.

Dabei wird der Torf mit einem Vorbelastungsdamm aus Kies zusammengedrückt. Dabei soll das gesamte Wasser rausgedrückt werden. Andres kritisiert bei diesem Verfahren, dass sich die Autobahn auch nach dem Bau ständig bewegen werde. Doch das schließen die Planer aus. Schütt betont zudem, dass sich die Kosten im Laufe der Planung verändern könnten. Gleichzeitig verweist sie allerdings auch darauf, dass diese Kosten erneut vom Bundesverkehrsministerium genehmigt werden müssten, wenn die bisher genehmigten Kosten um mehr als zehn Prozent über- oder unterschritten würden. Zudem ergänzt sie, dass die endgültigen Kosten ohnehin erst feststünden, wenn das Projekt abgerechnet wird. Schließlich werde in der Planung nur mit Durchschnittswerten gerechnet und gerade ausgeschriebene Baumaßnahmen variieren je nach Marktlage relativ stark.

Die Autobahngegner lassen dies nicht gelten. Hans-Joachim Andres glaubt an eine Salami-Taktik nach dem Motto: "Wir fangen erst mal an zu bauen und wenn es dann Probleme gibt, können wir es auch nicht ändern. Schließlich haben wir schon angefangen."