Laut Experten müssen Harsefeld und Fredenbeck wegen der A 26 wirtschaftliche Konkurrenz aus der Region befürchten

Harsefeld/Fredenbeck. Man kann es durchaus als Jahrhundertprojekt bezeichnen, was dem Landkreis Stade bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts bevorsteht. Zum einen wird die Autobahn 26 nach ihre Fertigstellung die Region wesentlich besser mit Hamburg verbinden und schnelle Fahrten von Kehdingen bis ins Zentrum der Metropole ermöglichen. Zum anderen soll die Autobahn 20 bei Drochtersen unter der Elbe hindurch geführt werden und dann Bremerhaven mit Lübeck und Rostock verbinden. Der Landkreis wird damit infrastrukturell sehr viel besser entwickelt sein als in den Jahrzehnten zuvor.

Landkreisweit können bis zu 11 000 Arbeitsplätze entstehen

Wirtschaftlich kann die Region davon enorm profitieren. Das geht aus einem Gutachten der Gesellschaft für regionalwirtschaftliche Forschung und Beratung ("regecon") aus Tostedt hervor, das der Landkreis Stade in Auftrag gegeben hat. In der Untersuchung, die auch den Ausbau des Seehafens Stade und die Elbvertiefung berücksichtigt, wird davon ausgegangen, dass bis zu 11 000 neue Arbeitsplätze entstehen können. Das entspräche einem Zuwachs von 14 Prozent. Der Volkswirt Thilo Ramms, Geschäftsführer der regecon, fasst mit einigem Enthusiasmus zusammen: "Der Landkreis hat eine einmalige Chance. Ich habe selten Impulse in dieser Ballung gesehen."

Die positive Nachricht endet mit einem großen Aber. Denn der erwartete wirtschaftliche Segen wird sich nicht über alle Orte gleichermaßen ausbreiten. Auch das geht aus dem Gutachten hervor. Während für Stade und Buxtehude, Drochtersen und Bremervörde sehr starke Impulse erwartet werden, werden diese für jene Kommunen, die nicht in der Nähe der neuen Autobahnen liegen, schwächer ausfallen.

Besonders betrifft das die Samtgemeinden Harsefeld und Fredenbeck. Hier werde erwartet, dass sich "relative Standortnachteile" ergeben, wie Ramms sagt. Er führt aus, was das bedeutet: "Ein großer Betrieb, der sich ansiedeln will, wird in Zukunft eher nach Buxtehude oder Stade gehen als nach Harsefeld. Wenn Drochtersen beispielsweise acht Prozent Wachstum hat, erreicht Harsefeld vielleicht nur zwei." Für die Gemeinden der südlichen Geest hat der Bau der beiden Autobahnen also einen paradoxen Effekt: Einerseits können sie mit einer generell positiven Wirtschaftsentwicklung rechnen, die den ganzen Landkreis betrifft. Andererseits werden Kommunen in der Nachbarschaft zu gefährlichen Konkurrenten um Unternehmen, Arbeitsplätze und letztlich auch Einwohner.

Harsefeld hat für 12 000 Euro eine eigene Studie in Auftrag gegeben

In der Samtgemeinde Harsefeld ist man sich dieser Gefahr durchaus bewusst. Als Reaktion auf das Gutachten der regecon, das bereits im Dezember veröffentlicht wurde, hat die Samtgemeinde jetzt eine weitere Untersuchung in Auftrag gegeben, die ermitteln soll, wie eben jener relative Nachteil ausgeglichen werden kann. Mit der Anfertigung dieses Gutachtens ebenfalls die Firma regecon beauftragt.

Die Ergebnisse der rund 12 000 Euro teuren Studie sollen im Herbst öffentlich vorgestellt werden. Darin will die regecon Vorschläge machen, wie sich die Gemeinden in Zukunft positionieren können. Thilo Ramms gibt Beispiele für eine solche Ausrichtung. "Es gibt Unternehmen, etwa aus der Logistikbranche, die sehr stark auf die Nähe der Autobahnen setzen werden. Für andere Unternehmen, etwa aus kreativen Branchen, ist ein gutes Umfeld wichtiger." Zu diesen Unternehmen gehören laut Ramms Firmen aus der Computerbranche. Eine Strategie für Harsefeld könnte demnach lauten: "Die Gemeinden müssten darauf setzen, für junge Leute, die in solchen Firmen arbeiten, attraktiv zu sein. Kinos und Kneipen werden dann zu Standortfaktoren." Darüber hinaus sei es wichtig, dass sich junge Leute dauerhaft ansiedeln. Und dazu sei es nötig, genügend kleine Wohnungen anzubieten.

Zu den Unternehmen der kreativen Branche zählt Ramms auch die Firma "Viebrockhaus", die in Harsefeld ihren Hauptsitz hat und Fertighäuser anbietet. Dieses Unternehmen zu halten, sei ein wichtiges Ziel, zumal die Baubranche für Harsefeld eine "Leitbranche" mit vielen Arbeitsplätzen sei. Generell sei die "Bestandspflege" der in Harsefeld ansässigen Unternehmen eines der wichtigsten Themen für die Zukunft.

In Fredenbeck beraten die Fraktionen noch über mögliche Schritte

In Fredenbeck ist das Gutachten, das die Folgen des Autobahnenbaus analysiert, ebenfalls bekannt. Ähnliche Schritte wie in Harsefeld sind allerdings nicht geplant. "Die Fraktionen beraten zurzeit darüber, wie wir reagieren können", sagt dazu Fredenbecks Samtgemeindebürgermeister Friedhelm Helk. Obwohl seine Kommune wohl nicht so stark vom Autobahnenbau profitieren wird, sieht er trotzdem positive Effekte: "Wenn die anderen gute Einnahmen erzielen, wirkt sich das ja auch auf die Kreisumlage aus. Und dann haben wir auch etwas davon."