Buxtehude soll Minideiche im Stadtgebiet bekommen, um sich vor drohenden Fluten zu schützen

Buxtehude. Mit Sandsäcken versuchen ehrenamtliche Helfer, das Wasser zurückzuhalten. Noch sind die Schutzwände stabil, doch der Pegel der Este steigt immer weiter. Sicherheitshalber hat die Buxtehuder Verwaltungsspitze angeordnet, die Innenstadt evakuieren zu lassen. Mehrere Tausend Menschen sind betroffen, sie finden in Sporthallen außerhalb der hochwassergefährdeten Gebiete Unterschlupf. Es herrscht die höchste Alarmstufe, viele Straßen sind gesperrt, die ganze Stadt ist im Ausnahmezustand.

Was für Buxtehude wie ein Schreckensszenario klingt, ist in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt derzeit Realität. Flüsse wie die Schwarze Elster, die normalerweise ruhig durch die Landschaft plätschern, haben auf einmal historisch hohe Wasserstände erreicht. Ähnliches könnte auch der Este in Buxtehude widerfahren, weshalb der "Deichverband der zweiten Meile des Alten Landes" bereits vor einiger Zeit Pläne zum Hochwasserschutz in der Innenstadt erstellt hat.

Schutzwände sollen auf bis zu 4,80 Meter über Normalnull wachsen

Diese Pläne sehen vor, dass auf einer Länge von 1,8 Kilometern zwischen dem Granini-Wehr beim Mühlenteich und dem Marschtor-Wehr nahe des Buxtehuder Hafens die derzeit 3,30 Meter über Normalnull hohen Schutzwände auf vier bis 4,80 Meter über Normalnull erhöht werden. Es sollen neue Spund- und Winkelstützwände sowie Minideiche entstehen, für die darüber hinaus zahlreiche Bäume am Ufer fallen müssten.

Da diese Pläne jedoch bei weiten Teilen der Bevölkerung auf Kritik gestoßen sind und sich sogar eine Bürgerinitiative gegründet hatte, die sich für eine Renaturierung der Este zwischen Moisburg und Altkloster einsetzt, hat der Deichverband am Mittwochabend sein Vorhaben noch einmal öffentlich während einer gemeinsamen Sitzung von Betriebs- und Stadtentwicklungsausschuss präsentiert.

Jahrhunderthochwasser bildet die Grundlage für die Planungen

55,4 Kubikmeter Wasser pro Sekunde würden im schlimmsten Fall durch das Flussbett schießen, erklärt Oberdeichrichter Uwe Hampe dem Publikum in der vollbesetzten Pausenhalle der Grundschule Altkloster. Dieser schlimmste Fall wäre ein Starkregen, wie er alle 100 Jahre vorkommt und der beim Hochwasserschutz die Grundlage für die Planungen bildet. Obwohl dabei offiziell von einem sogenannten Jahrhunderthochwasser die Rede ist, schließt das aber nicht aus, dass sich ein solches Ereignis auch alle 50, 20 oder zwei Jahre ereignet.

Im Jahre 2002 sei Buxtehude noch einmal haarscharf an einem solchen Hochwasser vorbeigeschrammt, sagt Hampe. Trotzdem ist es nach Ansicht des Deichverbandes dringend nötig, dass etwas passiert, zumal die jetzigen Pläne bereits auf die sogenannte Hollandflut vom Jahr 1953 zurückgehen.

So würden die Fluten eines Jahreshunderthochwassers nördlich des Granini-Wehrs einen Pegelstand in Höhe von 4,25 Meter über Normalnull nach sich ziehen, verdeutlichte Rolf Rudorffer vom Ingenieurbüro Galla und Partner, der im Auftrag des Deichverbands an den Plänen mitgewirkt hat. Südlich des Wehrs, also zwischen Moisburg und Buxtehude, würde der Pegel jedoch bei sechs Meter über Normalnull liegen.

Dieses Wasser kann jedoch in die natürlichen und 300 Meter breiten Überschwemmungsgebiete des Estetals ausweichen, während in der Innenstadt die bis zu 4,80 Meter hohen neuen Minideiche und Winkelstützwände ausreichend Schutz bieten - sofern sie, wie vom Deichverband geplant, errichtet werden. Die Kosten dafür liegen bei rund 5,7 Millionen Euro und werden zu 100 Prozent von Bund und Land getragen. Selbst wenn die Elbe Hochwasser führt, die zwei Este-Sperrwerke längere Zeit geschlossen werden und es somit zu einem Wasserstau kommt, würden die Schutzvorkehrungen genügen.

Das Wasser könnte auch südlich des Stadtgebiets zurückgehalten werden

Anders verhält es sich, wenn eine Alternative als Hochwasserschutz ins Auge gefasst wird. Würde das Wasser südlich des Stadtgebiets zurückgehalten, würden nur noch 29 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch das Buxtehuder Stadtgebiet fließen, erklärt Rudorffer. 2,6 Millionen Kubikmeter Wasser müssten im Estetal gehalten werden, was dort 9,50 Meter über Normalnull hohe Deiche notwendig macht. Kostenpunkt: sechs Millionen Euro.

Da diese Variante aber der Buxtehuder Innenstadt keinen Schutz bietet, wenn die zwei Sperrwerke beim Elbe-Hochwasser geschlossen sind, wären dort ebenfalls Minideiche und Winkelstützwände nötig. Die Kosten würden weiter steigen. Alternativ dazu könnte ein Schöpfwerk in Cranz errichtet werden. Das würde jedoch rund zehn Millionen Euro kosten, so Rudorffer. Alles in allem seien somit die vom Deichverband favorisierten Minideiche und Winkelstützwände in der Innenstadt die effektivste und günstigste Lösung.

Die großen Einschnitte in das Stadtbild machen den Bürgern Sorgen

Sowohl die Buxtehuder Bürger als auch die Politiker wollen diese Feststellung nicht einfach so hinnehmen. Vor allem die großen Einschnitte in das Stadtbild machen ihnen Sorgen. Wenn die Bäume am Este-Ufer gefällt würden, dann würden die Bürger ihre Stadt nicht wiedererkennen, prophezeit Rudolf Fischer, Fraktionsvorsitzender der FDP. Arnhild Biesenbach, Vorsitzende der CDU-Fraktion, ist dagegen der Meinung, dass Neuanpflanzungen das Stadtbild aufwerten würden.

Michael Lemke von den Grünen regt an, die Schutzwände weiter vom Fluss entfernt anzulegen, damit das Gewässer mehr Raum bekommt und weniger Bäume gefällt werden müssten. Friedrich Tönjes, technischer Berater beim Deichverband, hält diesen Vorschlag für richtig. Jedoch müsse er auf Wirtschaftlichkeit achten.

Einen Rückschlag gab es für die Renaturierungs-Befürworter. Ihr Konzept sei nicht näher untersucht worden, weil es keine Antworten zur Hochwasserschutzfrage bringe, so Tönjes. Wenn der Fluss über die Ufer trete und Wasser ins Überschwemmungsgebiet laufe, sei es letztlich egal, ob der Fluss gerade oder geschwungen verlaufe.

Nach den nun folgenden eingehenden Beratungen der Optionen in den Fraktionen will der Stadtentwicklungsausschuss Ende Oktober über die Pläne zum Hochwasserschutz abstimmen.