Nach dem Rücktritt von Thomas Schalski-Seehann wollen die Liberalen noch vor der Sommerpause einen Nachfolger finden

Stade. Der Rückzug des bisherigen Stader FDP-Vorsitzenden Thomas Schalski-Seehann offenbart Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Führung der Liberalen. Während der Stader Fraktionsvorsitzende und FDP-Kreisverbandsvorsitzende Wolfgang Ehlers den Abgang von Schalski-Seehann ausdrücklich bedauert, weinen ihm andere keine Träne nach. "Ich sehe seinen Austritt nicht als Schaden für die FDP", sagt Serkan Tören, der für die FDP im Stader Rat sitzt und zugleich Mitglied des Deutschen Bundestags ist. Die stellvertretende Vorsitzende des Stader Ortsverbandes, Margret Mohrmann, sagt, sie wolle den Rücktritt nicht kommentieren: "Ich bin von diesem Austritt aus der Partei überrascht gewesen. Gleichwohl hat Thomas Schalski-Seehann keine große Politik im Ortsverband gemacht."

Fraktionschef Wolfgang Ehlers wollte Schalski-Seehann zum Gespräch bitten

Schalski-Seehann hatte am Sonntag nach nur 14 Monaten im Amt überraschend den Vorsitz des Stader FDP-Ortsverbandes niedergelegt und auch den Vorsitz des Vereins "Liberales Kulturforum Niederelbe" sowie des Liberalen Mittelstandes Niederelbe abgegeben. Zugleich erklärte er seinen Austritt aus der FDP.

"Das muss man respektieren. Er hat unabgestimmt Aktionen gestartet und ist dafür aus den Reihen seiner Partei kritisiert worden. Dass Herr Schalski-Seehann darauf mit dem Austritt aus der Partei reagiert, ist seine Entscheidung", sagt Serkan Tören. Man wolle möglichst noch vor der Sommerpause einen neuen Kandidaten für den Vorsitz im mehr als 40 Mitglieder zählenden FDP-Ortsverband aufstellen. Geeignete Kandidaten habe man genug. Bis dahin übernehmen Schalski-Seehanns Stellvertreter kommissarisch die Leitung des Ortsverbandes, so Tören.

Auslöser der Kritik aus den eigenen Reihen waren Schalski-Seehanns Alleingänge in den vergangenen Tagen. Er hatte im Namen des Liberalen Kulturforums Niederelbe gegen die Bundestagsabgeordneten Inge Höger und Annette Groth von der Partei Die Linke und ihren Hamburger Genossen Norman Paech Anzeige bei der Hamburger Staatsanwaltschaft erstattet. Schalski-Seehann warf ihnen Volksverhetzung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Die drei Politiker waren an Bord eines der Schiffe, die vom israelischen Militär vor dem Gaza-Streifen gestoppt wurden.

Unterdessen betont Fraktionschef Wolfgang Ehlers, Schalski-Seehann werde eine erhebliche Lücke in der Partei hinterlassen: "Es wird schwer, diese Lücke zu schließen. Im Ortsverband ist Schalski-Seehann sehr aktiv gewesen, und deshalb bedaure ich seinen Rücktritt sehr." Ehlers habe Schalski-Seehann aufgrund der Anzeige gegen die Politiker der Linkspartei eigentlich zu einem Gespräch bitten wollen. "Aber dieses Gespräch wird es ja jetzt nicht mehr geben."

Nachvollziehen könne er den Rücktritt, sagt Ehlers: "Schalski-Seehann sah sich wohl im Rechtfertigungsdruck." Im Grunde erinnere ihn dieser Schritt sehr an Horst Köhlers Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten, auch wenn das auf ganz anderer Ebene geschah. Dennoch glaubt Ehlers, dass der Rücktritt nicht nötig war. Er selbst wäre da vermutlich nicht so empfindlich gewesen. Ehlers: "Wer sich aufs große Meer hinauswagt, muss sich nicht wundern, dass es Wind gibt."

Völlig überrascht, dass Schalski-Seehann alle Ämter niedergelegt hat, zeigte sich auch der stellvertretende Vorsitzende des Liberalen Mittelstandes, Lars Briesemeister: "Für mich ist das alles neu. Ich weiß von nichts und werde auch nichts dazu sagen, bevor ich mit Herrn Schalski-Seehann gesprochen habe."

Bei den politischen Gegnern der FDP sieht man den Rücktritt Schalski-Seehanns indes gelassener. "Wir hatten kaum etwas mit ihm zu tun", sagt Uwe Merckens, Vorsitzender der Stadtratsfraktion der Grünen. Wenn man in einer Partei sei, müsse man sich auch mit seinen Parteikollegen abstimmen. Und das habe Schalski-Seehann bei der Anzeige nicht getan.

Grüne hoffen, dass Schalski-Seehann jetzt nicht bei ihnen mitmachen will

Das Argument, er habe als Privatmann gehandelt, ziehe seiner Meinung nach nicht. "Man tut so etwas dann auch als Politiker." Generell stufe er die Entscheidung zum Rücktritt als konsequent ein. Was die weitere Arbeit in der Stader Parteienlandschaft angeht, glaubt Merckens, dass Schalski-Seehann nicht weiter fehlen werde. "Ich hoffe jetzt nur, dass er nicht den Antrag stellt, bei den Grünen mitzumachen."

Bei der SPD jedenfalls war Schalski-Seehann dereinst schon mal Mitglied. Der Kommentar von Egon Ohlrogge, Chef der SPD-Kreisfraktion: "Ich wundere mich, dass so ein kleines FDP-Mitglied sich anmaßt, diesen komplizierten politischen Sachverhalt aus der Entfernung zu beurteilen. Ich würde mir das ohne Kenntnis wirklich aller politischen und juristischen Aspekte nicht zutrauen."