Weniger Gewicht und weniger Verbrauch: Eine Firma aus Drochtersen hat den weltweit ersten Lkw-Anhänger aus Kohlefaser-Verbundstoffen gebaut.

Drochtersen. Für den Stader CFK-Professor Wilm Unkenbold ist es kein Revolutiönchen, nein, es ist eine große Revolution, die da in der Halle der Hatecke-Werft in Drochtersen vor ihm steht: das Chassis eines Lastwagenanhängers neuer Art. 13,6 Meter lang, 2,6 Meter breit und komplett aus CFK, dem Werkstoff der vorrangig für den Bau von Verkehrsflugzeugen genutzt wird und damit etwa 2,5 Tonnen leichter als ein gewöhnlicher Auflieger.

Der innovative Stoff, aus dem dieser Anhänger-Prototyp besteht, soll den Traum von Ria Kaiser und Hans Lange verwirklichen. Mit ihrer Firma TTT The Team Composite AG haben sie seit mehr als einem Jahr an einer Revolution im Nutzfahrzeug-Sektor gearbeitet. Das Ergebnis, so die einhellige Meinung, kann sich sehen lassen. Schwarz, gewebt, fragil wirkend und dennoch extrem robust ist der Prototyp, der Ende September auf der IAA in Hannover ausgestellt werden soll.

"Der Anhänger wird zwangsläufig für Aufsehen sorgen", sagt Hans Lange. Die Zukunft im Lastwagenbau gehöre dem Werkstoff CFK, ist er sich sicher. "Das Material ermöglicht es uns, einen deutlich leichteren Anhänger mit besserer Aerodynamik zu konstruieren, der CO2-Ausstoß der Lastwagen wird damit um bis zu 15 Prozent sinken", erklärt er. Für die Ingenieurin Ria Kaiser ist die Entwicklung eines solchen Anhängers eine logische Konsequenz, wenn die Emissionsvorgaben der Europäischen Union umgesetzt werden sollen. "Das geht nur mit leichteren Werkstoffen und CFK ist da die mit Abstand beste Option", sagt sie. Noch sei der Anhänger in einer Serienproduktion etwa 20 bis 30 Prozent teurer als konventionelle Anhänger, die bis zu 150 000 Euro kosten, doch innerhalb von zwei Jahren wären die höheren Produktions- und Anschaffungskosten aufgrund geringerer Treibstoffmengen, die dann benötigt würden, wieder eingefahren.

Dass der Prototyp keine Eintagsfliege wird, dafür ist bereits gesorgt. Die Prototypen werden auf der Rettungsbootwerft von Peter Hatecke auf Krautsand mit Hilfe des Gerätebauers Horst Witte hergestellt. Hatecke ist erfahren im Bau mit Verbundwerkstoffen und hat den Wert des Projektes erkannt. "Die Stoffe, die wir bisher im Schiffsbau nutzen und diejenigen, die für den Anhänger benötigt werden, sind von ihrer Art her recht ähnlich. Wir wussten, welche Probleme auftauchen können und wir haben sie gelöst", sagt der Werftbetreiber. Um die Stabilität des Anhängers zu sichern, haben seine Mitarbeiter daher einen von Kaiser speziell entworfenen Querträger konstruiert, ebenfalls aus CFK. "Das ist eine XXL-Komponente", sagt Lange nicht ohne Stolz. Der Querträger ist aus einem Stück gefertigt und hat in etwa die Länge eines Seitenleitwerks eines Airbus A 321. Er ist damit, so das einhellige Urteil der beteiligten Firmen, eine technische Meisterleistung.

Noch in diesem Jahr sollen die neuen Auflieger erprobt werden. Hatecke wird sechs Prototypen des Aufliegers für das Unternehmen Aldi-Süd herstellen. Die Kühltransporter werden dann in Süddeutschland auf ihre Alltagstauglichkeit hin untersucht. "Aldi steht voll hinter dem Projekt", sagt Lange. Das Unternehmen setze bei seiner technischen Ausstattung immer auf das Neueste und Hightech. Der neue Anhänger hat Aldi-Süd überzeugt. Dass bald alle Aldi-Lkw mit dem TTT-Anhänger unterwegs sein werden, sei nicht ausgeschlossen.

Sobald sich der Prototyp bewährt hat, wollen Hatecke und TTT die Fahrzeuge in Kleinserie herstellen. "Wir haben dafür bereits Flächen auf dem Werftgelände reserviert", sagt Peter Hatecke. 17 Hektar stünden für neue Fertigungshallen zur Verfügung. Das reiche für die Kleinserie. Wenn die Großserienproduktion starten soll - hier wird das Jahr 2015 anvisiert - reichen die Kapazitäten allerdings nicht mehr.

Dennoch glaubt Werftbesitzer Hatecke, dass Drochtersen neben Stade-Ottenbeck als weiterer wichtiger CFK-Standort eine Zukunft hat. "Stade könnte weiter seine Expertise im Flugzeugbau nutzen. Wir könnten, wenn alles gut läuft, ein echtes CFK-Entwicklungszentrum für den Fahrzeugbau werden", sagt Hatecke. Dafür spreche, dass die Region nun mit der A 26 und der A 22 von zwei Seiten infrastrukturell erschlossen werde und zudem der direkte Zugang zur Elbe bestehe.

Für Drochtersens Bürgermeister Hans-Wilhelm Bösch ist das Projekt Musik in den Ohren. Er geht, wie der Werfteigner auch, davon aus, dass auf Krautsand weitere Firmen in dem Sektor und damit bis zu 500 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen könnten. Diese Arbeitsplätze würde Bösch begrüßen, denn die vergangenen zehn Jahre seien "eher von Trübsal geprägt gewesen". Für den kleinen Wirtschaftsboom im Kehdinger Land haben TTT, Hatecke und die anderen Partner des Pilotprojektes seit Januar 2009 insgesamt 3,2 Millionen Euro in die Entwicklung des Anhängers investiert.

Wenn der Preis für den Werkstoff CFK um fünfzig Prozent sinkt, was von Experten als realistisch eingeschätzt wird, dann werde der Boom kommen - nicht zuletzt deshalb, weil sich die Entwickler die Patente für ganz Europa gesichert haben. Eine Eigenentwicklung von CFK-Anhängern anderer Firmen sei, so Kaiser, quasi ausgeschlossen, denn solch ein Gefährt könne nur auf eine einzige Art produziert werden. Somit werde TTT langfristig an dem Anhänger verdienen, vorausgesetzt, es wird in absehbarer Zeit kein anderer Leichtbauanhänger als Konkurrenz zum CFK-Modell entwickelt.