Eltern glauben, dass der mutmaßliche Kinderschänder von Buxtehude auch für andere Taten verantwortlich ist.

Buxtehude. Gut, dass er der Polizei ins Netz gegangen ist - so reagieren Buxtehuder Eltern auf die Nachricht, dass die Polizei in der Innenstadt einen mutmaßlichen Kinderschänder geschnappt hat (das Abendblatt berichtete). Viele von ihnen hoffen, dass der Täter derselbe ist, der ihnen vor etwa einem Jahr das Leben schwer gemacht hat. Erst jetzt sprechen die Eltern ganz offen darüber: Im Spätsommer habe ein Mann in der Nähe der Grundschule Stieglitzweg Kindern aufgelauert und versucht, sie ins Gebüsch zu ziehen. Einen Jungen aus der Nachbarschaft habe der Mann regelrecht an die Wand gedrückt, erzählt Nicole Sobottka (29) aus Buxtehude. "Der Junge konnte sich aber ein Glück befreien. Es wäre gut, wenn der Mann hinter Gittern kommt", sagt die zweifache Mutter.

Ob der Grieche, den die Polizei vor kurzem fassen konnte, dafür verantwortlich gemacht werden kann, ist noch unklar. Zurzeit wird ihm sexueller Missbrauch von zwei Kindern vorgeworfen. Er soll sich im Jahr 2006 an der Tochter seiner Lebensgefährtin vergangen haben. Und obwohl der Mann drei Jahre lang per Haftbefehl gesucht wurde, konnte er 2008 ein weiteres Mädchen sexuell missbrauchen. Die Beamten konnten den Mann, der sich illegal in Deutschland aufgehalten hatte, festnehmen, weil er pornografische Fotos in einer Drogerie gegeben hatte. Die Bilder beweisen die Tat.

"Angst hat man ja immer, dass jemand ein Kind ins Auto zieht", sagt Sobottka. Aber als die Nachricht vom ominösen Mann, der die Kinder im Süden der Stadt belästigt, die Runde machte, wurden die Eltern schnell selbst aktiv. Sie taten sich zusammen und liefen im Wohngebiet über mehrere Wochen Streife. Sie sorgten dafür, dass die Kinder nicht mehr allein, sondern nur noch in Gruppen auf dem Schulweg unterwegs sind.

Noch immer laufen die Kinder mindestens zu zweit zur Schule und wieder nach Hause. Deshalb halten die Eltern den Schulweg auch für verhältnismäßig sicher. Die Grundschule selbst habe im vergangenen Jahr verstärkt mit der Polizei zusammengearbeitet. Diese sei an einigen Tagen präsent gewesen, sagt Claudia-Maria Görisch, stellvertretende Leiterin der Grundschule Stieglitzweg. "Seitdem ist auch nichts mehr passiert."

Wirklich beruhigt sind die Eltern jedoch nicht. Der Park am Torfweg sei für ihre Tochter immer noch tabu, sagt Sabottka. Dann müsse die Sechsjährige eben mal einen Umweg laufen. Das Gelände im Wohngebiet sei sehr unübersichtlich. Deshalb halte sie ihre Tochter auch dazu an, sich von jedem Zaun fern halten.

Auch Cornelia Gewilke (40) lässt eher Vorsicht walten und begleitet ihre Tochter und ihren Sohn im Zweifel lieber zum Reiten und zum Fußballplatz. "Abseits der Straßen, also auf Trampelpfaden und Wanderwegen, sollen sie nicht allein unterwegs sein", sagt die OP-Schwester.

Allerdings müssen Mütter und Väter stets einen Balanceakt hinlegen, um die Kinder einerseits nicht übermäßig zu behüten, sie andererseits aber vor Gefahren zu schützen. "Man muss die Kleinen ja auch mal in Ruhe lassen, damit sie selbstständig werden", sagt Sabine Stadtaus (32), zweifache Mutter. "Trifft man zu viele Vorsichtsmaßnahmen, dann verunsichert es die Kinder."

Sie und ihr Mann Thomas Stadtaus machen ihren Kindern deutlich, dass es Menschen gibt, die ihnen wehtun wollen. Und sie sagen, wie sie sich dagegen wehren können. "Damit können Viertklässler schon gut umgehen", sagt der 35-jährige Elektriker.

Nicht mit Fremden reden, nicht reagieren, wenn jemand sie aus dem Auto heraus anspricht: Das hat die 36-jährige Agnes Voels aus Buxtehude, ihren zwei Mädchen (acht und vier Jahre alt) immer wieder gepredigt. "Ich hoffe, dass sie das auch befolgen", sagt sie. Denn weder sie noch ihr Mann schaffen es, die Kinder von der Schule abzuholen. "Wir müssen beide arbeiten", sagt die Einzelhandelsverkäuferin.

Nicht nur die Eltern, auch die Schulen setzen auf Prävention. Die Grundschule Stieglitzweg hat seit etwa einem Jahr einen Selbstbehauptungskursus im Stundenplan integriert. Daran nehmen alle Drittklässler teil. Claudia-Maria Görisch, stellvertretende Grundschulleiterin: "Damit wollen wir den Kindern den Rücken stärken, damit sie auch Nein sagen können, damit sie laut werden können - damit sie mutig sind."