Die 85-jährige Anna Koch will im Stadtteil Ottenbeck eine Wohngemeinschaft gründen. Der Umzug in ein Heim kommt für sie nicht infrage.

Stade. Anna Koch ist 85 Jahre alt. Sie hat sechs Kinder großgezogen, unternimmt viel mit ihren Enkelkindern, liest gelegentlich in der Waldorfschule vor, liebt Theater-Besuche, geht gerne in Konzerte und interessiert sich für Kultur. Die agile Seniorin ist seit fünf Jahren Witwe, immer schwerer fällt es ihr, Haus und Garten in Helmste selbst zu versorgen. Trotzdem, zum alten Eisen zählt sich Anna Koch beileibe nicht. Ihre positive Einstellung zum Leben macht Anna Koch zu einem interessanten Gesprächspartner. Für sie ist der Gedanke, in einiger Zeit in ein Pflegeheim umziehen zu müssen, die reinste Qual. "Man liest und hört zu viel von Pflegenotstand, davon, wie völlig überarbeitetes Pflegepersonal sich um die alten Menschen kümmert, die mit dem Einzug in ein Heim ihre Selbstständigkeit an der Haustür abgeben müssen. Diese Vorstellung ist für mich ein Graus. Ich brauche Leben um mich herum, brauche junge Menschen. Das hält mich jung", sagt sie. Am wohlsten fühlt sich die alte Dame, wenn sie ihre Kinder und Enkel um sich hat, wenn sie sie bekochen kann. Dann fühlt se sich gebraucht. Das sei ihre Medizin, sagt sie.

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Deswegen will Anna Koch im angesagten Stader Stadtteil Ottenbeck eine Alten-Wohngemeinschaft gründen und sucht Menschen in ihrem Alter oder jünger, die das Wagnis, in einer WG zu leben, auf sich nehmen wollen. Eine Wohnung hat Koch bereits. 400 Quadratmeter groß ist die Wohnung, die in der ehemaligen Kleiderkammer der Bundeswehr in Ottenbeck als Eigentumswohnung eingerichtet wurde. Von außen ist der Bundeswehr-Bau aus dem Jahr 1980 ein völlig unscheinbares, schmuckloses Gebäude. Kaum jemand würde hinter den Mauern schicke Eigentumswohnungen vermuten. Ein Großteil des Gebäudes wird von Airbus-Mitarbeitern bewohnt, die für einige Zeit in Stade arbeiten. Bei ihrer Idee zur Gründung einer WG wird sie von ihrem Sohn Wolfgang und dessen Lebensgefährtin unterstützt.

Wolfgang Koch und Danica Mijatovic haben im zweiten Obergeschoss eine schmucke Wohnung ausgebaut, ohne den 80er-Jahre-Charme des Gebäudes zu zerstören. Koch sagt: "Die Wohnung wäre ideal für eine Wohngemeinschaft, weil sie eben groß genug ist. Die verschiedenen Zimmer sind etwa 30 Quadratmeter groß. Es gibt ein großes Wohnzimmer, Bad und Küche können problemlos seniorengerecht ausgebaut werden. Und das Zentrum von Stade ist mit dem Bus in wenigen Minuten zu erreichen." Wolfgang Koch und seine Familie haben gerade die Baugenehmigung für eine weitere Eigentumswohnung in dem ehemaligen Bundeswehr-Lager bekommen. "Ottenbeck hat alles, was man zum täglichen Leben braucht, wir wären schnell in Stade und genauso schnell in der Natur", sagt Anna Koch. Und sie hätte ihre Kinder und Enkel ganz in ihrer Nähe.

Sicherlich, Abstriche müsse man im Alter in jeder Beziehung machen, ob man nun in ein Heim gehe oder in eine WG ziehe, sagt die Helmsterin und achtzehnfache Großmutter. Aber ein Heim sei eben sehr unpersönlich. Das wichtigste sei, dass jeder Platz genug habe, um sich jederzeit zurückziehen zu können. Anna Koch: "Natürlich wird es auch in einer Alten-WG mal Spannungen geben, aber wo gibt es die nicht. Man muss eben bereit sein, Kompromisse einzugehen und sich aufeinander einzulassen." Sie jedenfalls sei bereit, dieses Wagnis einzugehen. Es sei ein bezahlbarer Preis dafür, dass sie ihre Selbstständigkeit bewahren und in Würde altern könne. Anna Koch liegt mit ihrer Idee voll im Trend. "Offensichtlich wollen immer mehr Menschen in meinem Alter nicht mehr in ein Heim, man hört eben zu viele schlimme Dinge. Gerade neulich sah ich ein Interview mit Dagmar Berghoff, die auch in eine Senioren-WG ziehen will", sagt sie.

Und welche Ansprüche stellt die rüstige Seniorin, die sich unter anderem auch für Sport interessiert, an ihre zukünftigen Mitbewohner? "Ich wünsche mir Mitbewohner, die wie ich eine positive Einstellung zum Leben haben", sagt sie. Bei aller positiven Einstellung weiß Anna Koch, dass es wichtig ist, dass die Wohnung einen Aufzug hat, dass die Wohnung die technischen Voraussetzungen dafür hat, dass für alle WG-Bewohner ein Notruf möglich ist. Und ein Pflegedienst für später, "wenn man darauf angewiesen ist und selbst sich nicht mehr versorgen kann, ist genauso wichtig. Auch dafür ist hier in Ottenbeck gesorgt", meint Anna Koch. "Das einzige, was in diese Stadtteil eigentlich noch fehlt, ist eine Apotheke." Für sie persönlich sei es besonders wichtig, dass sie hier in Ottenbeck Kinder und Enkel in der Nähe habe, und notfalls auch mal zum Babysitten einspringen könne.

Vier Zimmer hat die Wohnung der Kochs zu bieten, eines davon würde Anna Koch bewohnen, der Rest der Zimmer würde dann an die übrigen WG-Bewohner vermietet werden. Weiter Informationen zu der geplanten Senioren-WG gibt Wolfgang Koch unter Telefon: 0171/925 02 04.