De Jager will 350 Millionen Euro in Krippenplätze stecken. SPD kontert: Union steht das Wasser bis zum Hals. Entscheidung am Sonntag in Kiel.

Kiel. Schleswig-Holsteins CDU hat drei Tage vor der Landtagswahl ein teures Wahlgeschenk geschnürt. Spitzenkandidat Jost de Jager kündigte überraschend an, dass die Union in den nächsten Jahren mehr als 350 Millionen Euro in den Ausbau der Krippenplätze stecken will. Das Geld soll aus dem Steuerabkommen mit der Schweiz kommen, das allerdings umstritten ist. "Die Aktion zeigt, dass der CDU das Wasser bis zum Hals steht", sagte SPD-Chef Ralf Stegner dem Abendblatt.

Bereits am Vorabend war es de Jager nicht gelungen, im NDR-TV-Duell gegen den SPD-Konkurrenten Torsten Albig zu punkten.

Die Schlussoffensive leitete de Jager auf sicherem Terrain in der CDU-Landesgeschäftsstelle in Kiel ein. Die CDU wolle, dass Eltern selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder zu Hause erziehen oder auf eine Krippe (Kinder bis drei Jahre) und eine Kita (drei bis sechs Jahre) zurückgreifen. "Für eine echte Wahlfreiheit müssen wir aber auch die nötige Infrastruktur schaffen", sagte de Jager. In Schleswig-Holstein mangelt es gerade im Hamburger Umland an Krippenplätzen. Für gut 66 000 Kleinkinder gibt es erst 14 000 Plätze, trotz der Verpflichtung, bis Ende nächsten Jahres für jedes dritte Kleinkind (35 Prozent) einen Platz vorzuhalten.

De Jager möchte ab 2014 richtig klotzen, jährlich mindestens 32 Millionen Euro in den Ausbau der Krippenplätze stecken, bis 2020 bis zu 370 Millionen Euro investieren und am Ende knapp 40 000 Plätze anbieten. Der Versorgungsgrad würde damit auf etwa 60 Prozent steigen. Finanziert werden soll das Großprojekt durch Steuersünder, die Geld in der Schweiz gebunkert haben und durch ein Steuerabkommen mit den Eidgenossen zur Kasse gebeten werden sollen. Der Haken: Im Bundesrat gibt es bisher keine Mehrheit für das Abkommen, weil SPD und Grüne eine strengere Regelung fordern.

+++ Nach dem TV-Duell: Wahlkampf-Endspurt im Norden +++

Unterstützt wurde de Jager von Finanzminister Rainer Wiegard (CDU). Er geht davon aus, dass SPD und Grüne "in einigen Tagen" in der Länderkammer auf den schwarz-gelben Kurs einschwenken. Stegner hielt dagegen. "Das Abkommen taugt nichts, weil es Steuersünder schützt." Klar ist, dass die CDU mit ihrem Krippen-Vorstoß ihren rigiden Sparkurs verlässt. Dessen Credo war, dass zusätzliche Landeseinnahmen in die Senkung der Neuverschuldung fließen.

De Jager machte zugleich klar, dass die CDU die Wahl nicht verloren gibt. Ihre Hoffnung schöpft die Union aus den letzten Umfragen. Demnach ist einer rot-grünen Koalition, die über Monate eine Mehrheit hatte, die Puste ausgegangen. Selbst für eine Dänen-Ampel (SPD, Grüne, SSW) gab es zuletzt nur eine hauchdünne Mehrheit. Verantwortlich dafür ist zum einen der Höhenflug der Piraten, zum anderen die FDP, die aus dem Keller und vermutlich in den Kieler Landtag kommt.

Nutznießer des Stimmungswandels ist die CDU. Für eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition dürfte es zwar nicht reichen, aber im Fall eines Scheiterns der Dänen-Ampel wäre die Union wieder im Machtspiel. Sie könnte eine Jamaika-Koalition (CDU, FDP, Grüne) vorschlagen oder mit Blick auf die unübersichtliche Mehrheitslage gleich eine Koalition mit der SPD. "Es sehnt sich niemand nach einer Großen Koalition, aber es muss möglich sein", sagte de Jager.

Im Kampf darum, ob die CDU oder die SPD stärkste Kraft wird und damit in einer Großen Koalition den Posten des Ministerpräsidenten beanspruchen kann, brachte das NDR-Duell keine Vorentscheidung. Beide Parteien feierten zwar ihren Spitzenkandidaten als großen Gewinner, wirklich punkten konnte aber weder der schwarze Wirtschaftsminister noch der rote Kieler Oberbürgermeister. "Es gab keinen klaren Sieger", so der Kieler Politikwissenschaftler Professor Joachim Krause im Gespräch mit dem Abendblatt. "Albig kam persönlich besser rüber, de Jager war inhaltlich mehr im Film."

Neue Akzente wurden nicht gesetzt. Albig warb mit seinen Wahlversprechen, blieb aber erneut eine konkrete Antwort schuldig, wo er mehr Geld für die Kommunen und für einen behutsameren Sparkurs in den Schulen lockermachen will. De Jager erinnerte an die präzisen schwarz-gelben Sparbeschlüsse, bekam aber kein Oberwasser. In der Schulrunde bekannte sich Albig auch zum Gymnasium, nahm de Jager so den Wind aus den Segeln. Das Bekenntnis der SPD in ihrem Wahlprogramm, langfristig "eine Schule für alle" anzustreben, fiel unter den Tisch. Die Wirtschaftsrunde ging an de Jager, der im Verlauf etwas lockerer wurde. Sein Lächeln wirkte aber bis zuletzt etwas verkniffen. Ganz anders Albig: Der Medienprofi, selbstsicher und konziliant, wirkte wie ein freundlicher Lehrer, der einem Schüler die Welt erklärt.

Für den NDR war das sachliche Duell quotenmäßig eine Enttäuschung. Gerade mal 80 000 Schleswig-Holsteiner schauten zu (Marktanteil: 8,1 Prozent). Im Herbst 2009, als Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und sein Herausforderer Stegner an gleicher Stelle fast übereinander herfielen, waren 170 000 Schleswig-Holsteiner dabei. Marktanteil: 15,6 Prozent.