Gut 2,243 Millionen Bürger sind zur Landtagswahl aufgerufen, mehr als je zuvor. Am 6. Mai entscheiden sie über einen neuen Landtag.

Kiel. Vier Tage vor der Schleswig-Holstein-Wahl steht ein Rekord schon fest. Gut 2,243 Millionen Bürger sind zur Landtagswahl aufgerufen, mehr als jemals zuvor. Dem Hamburger Umland kommt dabei eine immer größere Bedeutung zu. Inzwischen lebt bereits mehr als jeder dritte Schleswig-Holsteiner in den vier Randkreisen Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg. Dort fällt absehbar auch die Entscheidung, ob im Landtag wie geplant nur 69 Abgeordnete Platz nehmen oder durch Überhang- und Ausgleichsmandate weitere Stühle im gläsernen Plenarsaal an der Kieler Förde montiert werden müssen.

Um die Macht in Schleswig-Holstein (Zweitstimme) streiten insgesamt elf Parteien, darunter vier kleine (NPD, Freie Wähler, Familien-Partei, Maritime Union Deutschland). Eine Chance, Schleswig-Holstein mitzuregieren haben sieben größere Parteien. Sechs von ihnen sitzen derzeit im Landtag (CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke, SSW), die Piraten klopfen an die Parlamentstür.

Das Hamburger Abendblatt stellt die Positionen dieser sieben Parteien in den landespolitischen Streitthemen vor. Grundlage sind die Wahlprogramme, aber auch Anträge im Landtag und Ankündigungen von Spitzenvertretern der Parteien.

+++ Landtagswahlen in Schleswig-Holstein +++

Die Wahlprogramme sind unterschiedlich dick, von 33 Seiten (SPD) bis zu 117 Seiten (CDU), haben aber eines gemein: Sie enthalten vor allem positive Botschaften. Besonders auffällig ist das in den Kapiteln zur Finanzpolitik. So wollen zwar fast alle Parteien die Vorgaben der Schuldenbremse (spätestens 2020 ein ausgeglichener Landeshaushalt) erfüllen, lassen aber mehr oder minder offen, wie sie ihre Wahlgeschenke bezahlen oder wo sie in den nächsten Jahren konkret kürzen wollen.

Der Wahl-Check des Abendblatts kann nicht alle landespolitischen Felder und Kontroversen abdecken. So ist zwischen den Parteien etwa umstritten, ob das Wahlalter bei Landtagswahlen von 18 auf 16 Jahre abgesenkt werden soll. SPD, Grüne, SSW sind dafür, CDU und FDP dagegen.

Nur angerissen wird in den Programmen ein Konfliktthema, das auch den nächsten Landtag beschäftigen dürfte, das kommunale Klein-Klein in Schleswig-Holstein mit elf Landkreisen, vier kreisfreien Städten und über 1000 Gemeinden. Fast alle Parteien halten sich hier bedeckt, favorisieren vor der Landtagswahl freiwillige Fusionen. Die Grünen pochen allerdings auf eine Kreisreform, der SSW möchte bis zum Jahr 2016 aus den vielen kleinen Dörfern Großgemeinden mit mindestens 8000 Einwohnern machen.

Heiß diskutiert wird im Landeshaus in diesen Tagen aber vor allem, ob der nächste Landtag die Zielmarke von 69 Abgeordneten erreicht. Dreh- und Angelpunkt hierfür sind die 35 Direktwahlkreise (Erststimme). Mindestens fünf (drei in Kiel, zwei in Lübeck) dürften an die SPD gehen. Liegt sie beim Landesergebnis etwa gleichauf mit der CDU, könnten die Genossen auch in Flensburg, Neumünster, an der Ostküste, aber vor allem im Hamburger Umland abräumen.

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Die SPD selbst hofft landesweit auf etwa zwölf Direktkandidaten. Der CDU blieben damit 23 Wahlkreise. Bei dieser Verteilung und einem CDU-Landesergebnis von gut 30 Prozent gebe es keine oder nur wenige Überhangmandate. Läge eine der beiden Volksparteien deutlich vorn, könnte der Landtag aber förmlich explodieren. Hauptgrund: Nach dem neuen Wahlrecht müssen sämtliche Überhangmandate einer Partei für alle anderen ausgeglichen werden. In einem Landtag mit bis zu sieben Fraktionen könnten so am Ende mehr als 100 Abgeordnete sitzen und eine Grunddiät von jeweils rund 7000 Euro im Monat einstreichen.

Klar scheint, dass die Landtagswahl diesmal den strengen Maßstäben des Landesverfassungsgerichts genügt. Zur Erinnerung: Das Gericht hatte im Sommer 2010 vorzeitige Neuwahlen angeordnet, weil der Landtag nach der Wahl 2009 auf 95 Abgeordnete angewachsen war und die CDU/FDP-Mehrheit im Parlament nicht dem Wählerwillen, sondern dem inzwischen geänderten Wahlrecht geschuldet war.

Gewissheit wird es am Sonntag erst gegen 23.30 Uhr geben. Dann will die Landeswahlleiterin das vorläufige amtliche Endergebnis bekannt geben. Die Wahlbeteiligung dürfte etwas geringer ausfallen als 2009 (73,6 Prozent). Damals konnten die Schleswig-Holsteiner neben dem Landtag auch den Bundestag wählen. Diesmal stehen zeitgleich nur drei Bürgermeisterwahlen (Timmendorfer Strand, Neustadt, Flintbek) und vier Bürgerentscheide an.

Fernsehen: Kurz vor der Landtagswahl haben die Spitzenkandidaten heute Abend im NDR die Möglichkeit, um Wählerstimmen zu werben. Torsten Albig (SPD) und Jost de Jager (CDU) treten ab 21 Uhr zum Duell an, Robert Habeck (Grüne), Antje Jansen (Linke), Wolfgang Kubicki (FDP) und Anke Spoorendonk (SSW) im Quartett bereits um 18 Uhr.