Kreis Pinneberg. Als Kind geflüchteter Mediziner aus Sri Lanka hält beeindruckende Ansprache. Kreispräsident appelliert an Völkerverständigung.

So festlich hat der Kreis Pinneberg noch nie seine Einbürgerungsfeier abgehalten. Nach dreieinhalb Jahren Corona-Lockdown-Pause waren jetzt insgesamt 619 neue deutsche Staatsangehörige zur Landdrostei in Pinneberg eingeladen, wo sie mit netten Worten, Getränken und Speisen auf der offenen Terrasse bei schönstem Wetter von Kreispräsident Helmuth Ahrens empfangen wurden.

Einbürgerung: Kreis Pinneberg begrüßt 619 neue deutsche Staatsbürger

Er hätte sich gewünscht, dass seine Einbürgerung, die ihm im Jahr 2008 die deutsche Staatsbürgerschaft in Lübeck eingebracht hat, auch so feierlich und würdevoll begangen worden wäre, sagte Umes Arunagirinathan.

Kreispräsident Helmuth Ahrens mit dem Herzchirurgen Umes Arunagirinathan bei der Einbürgerungsfeier auf der Terrasse der Landdrostei.
Kreispräsident Helmuth Ahrens mit dem Herzchirurgen Umes Arunagirinathan bei der Einbürgerungsfeier auf der Terrasse der Landdrostei. © Burkhard Fuchs

Der Chirurg, der heute Patienten in einem Bremer Klinikum am Herzen operiert, ist selbst Anfang der 1990er-Jahre aus seinem Heimatland Sri Lanka im Alter von 13 Jahren als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen. Der heute 45-Jährige hielt eine mitreißende Ansprache, die mehr die einheimischen Kreispolitiker und zahlreichen Bürgermeister beeindruckte als die 140 frisch eingebürgerten Menschen, die zur Drostei gekommen waren und die wohl alle Ähnliches erlebt haben dürften.

In Sri Lanka gab es keine Schule mehr, nur noch Armut und Bürgerkrieg

Arunagirinathan beschrieb, wie aussichtslos seine Situation als ältester Sohn mit vier Geschwistern in dem damals vom Bürgerkrieg geschüttelten Land gewesen sei. Als er zwölf war, gab es keine Schulen mehr und ihm drohte, als Kindersoldat im Krieg verheizt zu werden. Die Gesundheitsversorgung lag darnieder. Seine Schwester starb an Nierenversagen. Heute weiß er, dass sie mit guter Behandlung hätte gerettet werden können, sagte der angesehene Herzchirurg, der damals seine Familie mit dem Verkauf von Obst und Gemüse auf dem Markt ernährte.

Der Schlepper war ein guter Mann und verlangte 15.000 Mark für die Ausreise

Seine Mutter tat alles dafür, dass er eine bessere Zukunft haben sollte und verkaufte ein Stück Land. Sein Onkel, der in Hamburg lebte, schickte Geld, für das er einen Kredit aufgenommen hatte. Sie brauchten umgerechnet 15.000 Mark, um einen Schlepper zu bezahlen, der ihn als ältesten der Familie als einzigen in den sicheren Westen bringen sollte. „Hier in Deutschland haben Schlepper einen schlechten Ruf“, sagte Arunagirinathan. In Sri Lanka und vielen anderen armen, kriegsgebeutelten Ländern seien sie Lebensretter – „intelligente Menschen, die einen von A nach B in Sicherheit bringen“. Die innerdeutschen Fluchthelfer, die Bürger aus der DDR in den Westen brachten, wurden hierzulande ähnlich sympathisch angesehen.

Die erste Schokolade am Frankfurter Flughafen vergisst er nie

Über mehrere afrikanische Länder und eine achtmonatige Irrfahrt gelangte Umes Arunagirinathan, inzwischen 13-jährig, zum Frankfurter Flughafen, wo er völlig verängstigt, müde und erschöpft von einem Zollbeamten ein Stück Schokolade bekam, deren süßen Geschmack er bis heute nicht vergessen habe. Er wohnte bei Onkel und Tante mit fünf Personen in einer 55 Quadratmeter großen Wohnung in der Hochhaussiedlung Mümmelmannsberg im Hamburger Osten und hatte endlich genug zu essen. „Das war purer Luxus für mich.“

Ein Mangobaum wird keine Fichte, bereichert aber die deutsche Kultur

Er weiß, er sehe aus wie „ein Mangobaum, nicht wie eine deutsche Eiche oder Fichte“, sagte der Arzt. „Ich bin vielen Menschen immer noch fremd.“ Das sei aber umgekehrt genauso. „Wir sind für andere auch fremd und dürfen nicht vergessen, dass diese auch Ängste und Vorurteile haben“, appellierte Umes Arunagirinathan. Dabei würden die Migranten, die nach Deutschland kommen, „unsere Gesellschaft unglaublich bereichern, kulturell und wirtschaftlich“, sagte der gebürtige Südostasiate. „Diese bunte Gesellschaft funktioniert aber nur, wenn wir alle eine Sprache sprechen und im Dialog sind. Darum sollten wir immer danach suchen, was uns verbindet und nicht danach, was uns spaltet.“

Kreispräsident Ahrens: Wir zeigen, dass wir wollen, dass Sie zu uns gehören

Diese völkerverständigende Kernaussage sprach auch Kreispräsident Ahrens aus. Die bislang 18.700 Menschen, die im Kreis Pinneberg lebend die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben, „zeigten, dass sie dazu gehören wollen“, sagte Ahrens. „Und wir zeigen mit dieser feierlichen Zeremonie, dass wir wollen, dass sie zu uns gehören. Für ein friedliches und gedeihliches Miteinander bracht es Integration.“ Egal, woher sie stammten, für alle Deutsche gelte: „Sie haben dieselben Rechte und Pflichten.“

Sie bedauern nur, dass sie ihre Heimat-Staatsbürgerschaft aufgeben mussten

Und genau sehen es auch die eingebürgerten, die zum Teil nach vielen Jahren des hier Lebens jetzt Deutsche werden wollten und geworden sind. Wie die aus Südafrika stammende Liesl Vietzen (48), die vor 25 Jahren bei einem Besuch in Hamburg ihren Mann fürs Leben traf und hier geblieben ist und heute in Westerhorn wohnt. Sie habe sich das gründlich überlegt, sagt die gelernte Bautechnikerin.

„Ich wollte mehr Rechte haben und auch wählen gehen können.“ Darum habe sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, auch wenn sie bedauere, dass sie damit die ihres Heimatlandes habe aufgeben müssen.

„Ich fühle mich hier sehr wohl, liebe meinen Beruf und gehöre zu dieser Gesellschaft.“

Für Mostafa Moradi (33) aus dem Iran war es sogar selbstverständlich, Deutscher zu werden. Der Krankenpfleger lebt seit sieben Jahren in Pinneberg und hat mit Ingrid Schultze eine gute Freundin gefunden. „Ich fühle mich hier sehr wohl, liebe meinen Beruf und gehöre zu dieser Gesellschaft“, sagt Moradi. „Ich bin dankbar, jetzt Deutscher zu sein.“

Liesl Vietzen mit ihrem Mann Holger kam vor 25 Jahren aus Südafrika hierher und wollte endlich dieselben Rechte wie alle Deutsche haben und wählen  können
Liesl Vietzen mit ihrem Mann Holger kam vor 25 Jahren aus Südafrika hierher und wollte endlich dieselben Rechte wie alle Deutsche haben und wählen können © Burkhard Fuchs

Ähnlich klar war dies für Ghoriani Zubaida (30), die vor neun Jahren aus Afghanistan nach Deutschland kam. Hier traf sie ihren heutigen Mann Abdulagh, mit dem sie zwei kleine Kinder hat und der als eingebürgerter Deutscher ein Taxiunternehmen führt. Die Familie lebt in Quickborn und fühlt sich dort sehr wohl. „Es ist ein gutes Gefühl, in Deutschland zu leben“, sagt die junge Mutter, die in einer Bäckerei arbeitet. „Ich wollte zu 100 Prozent den deutschen Pass haben.“

Das ist auch Ahmed (30) gelungen, der als Kurde 2015 aus dem kriegsgeschüttelten Syrien hierhergekommen ist. „Hier fühle ich mich sicher. In Syrien herrscht immer noch Krieg. Deutschland ist meine zweite Heimat geworden. Ich will hier für immer bleiben“, sagt der Kfz-Mechatroniker, dessen Leben und Status sich vor einem Jahr gewandelt hat: Er ist zugleich Deutscher und erstmals Vater geworden.

Kreis Pinneberg: Wer kann sich eigentlich einbürgern lassen?

Um Deutscher zu werden, müssen die Antragsteller seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland leben und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekennen. Sie besitzen ein unbefristetes oder verfestigtes Aufenthaltsrecht und können den Lebensunterhalt für sich und Ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II bestreiten. Zudem müssen sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen und bereit sein, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben. Und sie dürfen nicht wegen einer Straftat verurteilt sein. Die überwiegenden Herkunftsländer der bislang Eingebürgerten im Kreis Pinneberg sind Syrien, Afghanistan, Türkei, Iran und Polen.