Kreis Pinneberg. Der Kreis Pinneberg richtet sich mit dramatischem „Zwölf-Punkte-Plan“ an das Land – und erbittet dringend Hilfe in Flüchtlingskrise.

Angesichts von fast 10.000 Geflüchteten im Kreis Pinneberg haben sich Städte und Kommunen jetzt mit einem dringenden Appell und einem „Zwölf-Punkte-Plan“ an Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) gewandt. Um die Herausforderung der Flüchtlingsaufnahme gerechter zu verteilen, wurde ein gemeinsames Positionspapier ausgearbeitet und bei einem nichtöffentlichen Termin in Wedel an die Ministerin übergeben.

Hintergrund ist die hohe Zahl an Geflüchteten, die Kommunen in ganz Deutschland vor große Herausforderungen stellt. Die Kommunen im Kreis haben ihren Appell deshalb jetzt an die im Land Schleswig-Holstein für Soziales und Integration zuständige Ministerin gerichtet.

10.000 Geflüchtete im Kreis Pinneberg: „Unsere Grenze ist erreicht!“

Dafür hatten die Bürgermeister und Amtsleitungen Aminata Touré nach Wedel eingeladen, um ihr die Situation zu schildern und zu benennen, wo dringend Hilfe gefragt ist. Touré hörte sich die Sorgen an und sagte zu, die einzelnen Punkte des Positionspapiers zu beantworten.

„Unsere Kapazitätsgrenze ist erreicht“, sagte etwa Wedels Bürgermeister Gernot Kaser gleich zu Beginn des Treffens. Er sprach stellvertretend für den gesamten Kreis. Insgesamt leben aktuell rund 9.600 anerkannte Geflüchtete im Kreis Pinneberg, davon 3.600 Menschen ukrainischer Staatsangehörigkeit.

Landrätin: Als flächenmäßig kleinster Kreis vor besonderen Schwierigkeiten

Auch Landrätin Elfi Heesch klagte ihr Leid. So stehe der Kreis Pinneberg als flächenmäßig kleinster und zugleich bevölkerungsreichster Kreis in Schleswig-Holstein bei steigenden Geflüchtetenzahlen und einem sonstigen Zuzug vor besonderen Schwierigkeiten.

Heesch machte zudem deutlich, dass das Ziel ganz klar sei, die Herausforderungen gemeinsam zu lösen. Welche Herausforderungen das sind, stellten Torneschs Bürgermeisterin Sabine Kählert, Katharina Kegel, Integrationsbeauftragte der Stadt Pinneberg, sowie Klaas Kasper, Fachdienstleiter Soziales der Stadt Wedel, am Beispiel ihrer jeweiligen Kommune dar.

Probleme sind in fast allen Städten identisch – kein Wohnraum, keine Kurse

Dabei seien die Probleme meist gleich: Es fehle an Wohnraum und damit an Unterbringungsmöglichkeiten, die ein friedliches Miteinander möglich machen. Es fehle an Sprach- und Integrationskursen sowie einer Betreuungsmöglichkeit für Kinder, wenn solche Kurse besucht werden.

Grundsätzlich herrsche ein Mangel an Kita-Plätzen und Schulkapazitäten, die für eine erfolgreiche Integration notwendig seien. Dabei gehe es sowohl um Fachkräfte als auch um Räume. Es fehle an Ehrenamtlichen, die Geflüchtete begleiten und unterstützen können.

Zahl der Geflüchteten trifft auf finanzielle Nöte in den Gemeinden

Diese Notwendigkeiten treffen überdies Kommunen, die fast durchweg finanzielle Nöte haben. „Nur ein Bruchteil unserer Ausgaben wird durch die Integrationspauschale und andere Zahlungen abgedeckt“, sagte etwa Torneschs Bürgermeisterin Sabine Kählert. „Insgesamt geht es aber nicht nur um Geld, sondern um Menschen, die uns fehlen, um diese Situation zu stemmen.“

Um Gehör für die Probleme vor Ort zu bekommen und möglicherweise Abhilfe zu schaffen, führen die Kommunen in ihrem Positionspapier nun zwölf konkrete Punkte auf. Diese zwölf Maßnahmen können aus ihrer Sicht „nachhaltig“ für eine Verbesserung der Situation sorgen. Und das sind sie.

Dieser Appell mit zwölf Punkten soll die Situation verbessern

1. Der Verteilschlüssel soll angepasst werden. Dabei gehe es um die Entlastung bevölkerungsreicher Kommunen oder Kreise, die zudem stark verdichtet sind und wenig Flächen aufweisen. Denn bisher werden Geflüchtete in Schleswig-Holstein nach einem Schlüssel auf die Kreise verteilt, der auf der Einwohnerzahl basiert. In den Kreis Pinneberg kommen demnach 11,2 Prozent der Geflüchteten, obwohl der Kreis nur 4,2 Prozent der Fläche des Landes einnimmt.

2. Serielles Bauen soll gefördert werden. Bei diesem Punkt wird gefordert, sich auf Landesebene für neue (temporäre) Bauweisen einzusetzen, die die Unterbringung der Geflüchteten erleichtern würden.

3. Die Unterbringungskosten sollen übernommen werden. Bedeutet: Städte und Kommunen fordern die Übernahme der vollständigen Unterbringungskosten sowie mehr Flexibilität bei Genehmigungen von Unterkünften.

Verwaltungen fordern einfachere Abläufe

4. Projektmittel für Integrationsarbeit sollen entfristet werden. Mit der Bereitstellung zusätzlicher oder dauerhafter Finanzmittel, soll eine vorausschauende Integrationsarbeit sichergestellt werden und vor allem: gelingen.

5. Das Landesinvestitionsprogramm soll gestärkt werden. Heißt: Die Fortführung für die kommenden fünf Jahre und eine Anhebung der bisherigen Fördersätze wird gefordert. Auf diese Weise sollen die gestiegenen Baukosten abgefedert werden können.

6. Verwaltungsabläufe müssen vereinfacht werden. Hiebei wird eine Entschlackung von Verwaltungsverfahren bei Geflüchteten gefordert. Dazu gehöre auch eine Reduktion von unnötigen Parallelarbeiten in den Kommunen.

Ausbau der Kindertagesstätten soll Priorität genießen

7. Sprach- und Integrationskurse sollen gestärkt werden. Die Aufstockung der Kurskapazitäten und gleichzeitige Sicherstellung von Kinderbetreuungsangeboten würde eine enorme Hilfe darstellen.

8. Kindertagesstätten müssen priorisiert werden. Städte und Gemeinden fordern eine Aufstockung der Kita-Kapazitäten sowie finanzielle Unterstützung bei der Erweiterung von Kindertagesstätten und eine deutlich verstärkte Anwerbung von Fachkräften.

9. Die Beratungsstrukturen sollen ausgebaut werden. Wörtlich heißt es, dass eine Initiierung überörtlicher Beratungsangebote für Geflüchtete durch das Land passieren soll, um insbesondere kleinere Kommunen zu unterstützen – etwa durch mobile Sprechstunden vor Ort.

10. Geflüchtete ohne Bleibeperspektive sollen nicht kommunal untergebracht werden. Bedeutet: Menschen, die keine Bleibe- oder Duldungsperspektive haben, sollten von den Kommunen zurück an die Landesunterkünfte geführt werden können. Denn dort würden Integrationsmaßnahmen nicht mehr greifen. Dadurch würden wichtige Plätze für chancenreiche Bleibekandidaten in den Kommunen frei.

11. Potenziale junger Menschen sollen gefördert werden. Konkret hätten junge Geflüchtete zu wenige Perspektiven in den Kommunen, insbesondere, wenn sie sich in einem „Zwischenstadium“ ohne Arbeitserlaubnis befinden. Das Land muss hier dringend Angebote schaffen!

12. Der zeitliche Vorlauf für Kommunen soll verlängert werden. Momentan gebe es einen Vier-Wochen-Vorlauf, der soll zum dauerhaften Standard werden. Gemeint ist damit, dass die Kommunen vier Wochen vor der Ankunft eines geflüchteten Menschen erfahren, dass er ihnen zugewiesen wird. Diese Frist verschafft den Kommunen Zeit, um eine Unterbringung zu organisieren.