Pinnebergs Bürgermeisterin und der Kämmerer gewähren Einblicke in ein kompliziertes Zahlenwerk

Der Haushalt der Stadt Pinneberg für das Jahr 2014 umfasst 816 Seiten, und die hat Pinnebergs oberster Kämmerer, Michael Artus, 48, an diesem Tag in einem Ordner mitgebracht. Der Haushalt der 43.000-Einwohner-Stadt ist ein Werk mit Tausenden von Zahlen, die sich kein Mensch allein merken könnte. Aber die wichtigste Zahl der „Haushaltssatzung der Stadt Pinneberg für das Haushaltsjahr 2014“ – so heißt der Haushalt ganz genau – steht gleich auf Seite eins: 3.589.100 Euro.

„Jahresfehlbetrag“ steht vor den knapp 3,6 Millionen Euro der Stadt Pinneberg. Das heißt: „Die Kreisstadt wird in diesem Jahr knapp 3,6 Millionen Euro weniger einnehmen als ausgeben“, sagt Michael Artus. Denn die „Erträge“ sind geringer als die „Aufwendungen“, wie es so schön in der Buchhaltersprache heißt. 66,68 Millionen Euro nimmt Pinneberg in diesem Jahr ein. 70,27 Millionen Euro gibt Pinneberg in diesem Jahr aus. So kommt das Millionen-Minus zustande.

Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg (parteilos), 55, vergleicht den 816-Seiten-Haushalt mit dem Etat einer Familie: „Der Haushalt ist der Plan, was wir in diesem Jahr an Geld bekommen und wofür wir es ausgeben wollen. Das macht eine Familie doch auch: Sie fragt sich, wie viel Geld jeden Monat hereinkommt. Und wie viel Pflichtausgaben den Einnahmen gegenüberstehen, und wie viel dann für die schönen Dinge wie Kino und Reisen übrig bleibt. Was dann langfristig auf dem Konto bleibt, kann beiseite gelegt werden für ein neues Auto oder eine neue Terrasse.“

Pinneberg hingegen, so die knappe Analyse von Urte Steinberg und Michael Artus, hat gar nichts zurückgelegt. „Wir haben gar kein Geld, um unsere Wünsche, die Notwendigkeiten sind, zu finanzieren“, so die Bürgermeisterin. Deswegen müsse die Stadt Pinneberg seit vielen Jahren jedes Jahr neue Kredite aufnehmen.

Die Bilanz ist ernüchternd: Die Stadt Pinneberg gibt jeden Monat 300.000 Euro mehr aus, als es einnimmt. „Dafür kann sich eine Familie in Pinneberg ein Haus kaufen“, lautet Steinbergs nüchterner Befund. Oder zwölf Pinneberger Familien könnten sich ein Mittelklasse-Auto kaufen. Auf den Tag gerechnet, schreibt die Kreisstadt 10.000 Euro neue rote Zahlen. Dafür muss eine Pinneberger Durchschnittsfamilie mit zwei Verdienern etwa drei Monate lang arbeiten.

Zu den größten Einzelausgaben der Stadt im Jahr 2014 zählen die Kreisumlage mit 15,5 Millionen Euro, die Personalkosten mit 13 Millionen Euro, der Unterhalt der Schulen mit 9,8 Millionen Euro sowie der Unterhalt der Kindertagesstätten mit 5,4 Millionen Euro.

Der größte Einzelposten des Haushaltes in Höhe von 15,5 Millionen Euro landet also direkt beim Kreis: Von der Kreisumlage, die alle Kommunen zu zahlen haben, finanziert der Kreis Pinneberg seine Aufgaben, unter anderem Sozialausgaben und Ausbau und Instandhaltung der Kreisstraßen.

Zu den laufenden Ausgaben für die Pinneberger Schulen in Höhe von 9,8 Millionen Euro – etwa für Strom, Wasser, Gas, Schulmaterial und Sekretärinnen – kommen in diesem Jahr noch Gebäudesanierungsausgaben in Höhe von 6,75 Millionen Euro. Bezogen auf die laufenden Kosten für Schulen und Kindertagesstätten in Höhe von 15,2 Millionen Euro gibt die Kreisstadt fast 22 Prozent für die Bildung der Kinder und Jugendlichen aus. „Das sind mehr als ein Fünftel unseres Haushaltes für die Zukunft unserer Kinder“, bilanziert Pinnebergs Bürgermeisterin.

Die gelernte Bankkauffrau und Sparkassenbetriebswirtin Urte Steinberg bezeichnet sich selbst als „absoluten Zahlenmenschen“. Viele Einzelposten des Haushalts hat sie gespeichert: die Ausgaben für die Schulen und Kindertagesstätten, die Ausgaben für Straßen, Brücken, Tunnel und Grünanlagen. Aber ganz gleich, wie lange Urte Steinberg im Rathaus an der Bismarckstraße das Sagen haben wird, eines ist heute schon sicher: Wenn die gebürtige Pinnebergerin das Zepter weiterreichen wird, wird ihre Heimatstadt noch immer tief in den roten Zahlen stecken.

Auf 121,7 Millionen Euro werden sich die Gesamtschulden – einschließlich Stadtwerken und Kommunalem Servicebetrieb Pinneberg (KSP) – der Kreisstadt Ende 2014 belaufen. Nach der mittelfristigen Finanzplanung steigen die Schulden 2015 auf 148 Millionen Euro, 2016 auf 169 Millionen Euro und 2017 gar auf 182,2 Millionen Euro.

In dieser Summe sind die vom Pinneberger Rat – das Budgetrecht ist das „Königsrecht“ der Ratsversammlung – beschlossenen 34,5 Millionen Euro für Schulgebäudesanierungen bis zum Jahr 2017, die Millionen für die Westumgehung, für den Umbau des Bahnhofes und für den Bau des Glasfasernetzes enthalten. Die Folge: Schon jetzt zahlt Pinneberg zwei Millionen Euro Zinsen jährlich und 3,2 Millionen Euro für die Tilgung von Krediten. Bis auf weiteres kann Pinneberg über seine Zukunft ohnehin nicht alleine entscheiden. Die Stadt steht unter dem finanzpolitischen Rettungsschirm des Landes, muss im Gegenzug für jährliche Zuschüsse aus Kiel harte Sparvorgaben erfüllen.

Urte Steinberg räumt derweil ein: „Zur Zeit gibt es leider keine Pläne, die einen Schuldenabbau vorsehen. Bevor wir die Schulden abbauen, müssen wir erst einmal einen ausgeglichenen Haushalt vorliegen haben. Nach der Sommerpause werden wir aber wieder eine Haushaltsrunde einführen und mit Vertretern der Politik debattieren, um den defizitären Haushalt zum Schmelzen zu bringen.“

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