Jörg Bülow, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages, über das „Königsrecht“ des Parlaments, das gleichwohl „hartes Brot“ sei

Hamburger Abendblatt:

Welche Bedeutung hat der Haushalt?

Jörg Bülow:

Der Haushalt gilt als „Königsrecht“ des Parlaments. Das gilt auch für die Gemeinde. Die Kommunalpolitiker in der Gemeindevertretung entscheiden darüber, wofür der Bürgermeister Geld ausgeben darf. Damit treffen die Bürger über das von ihnen gewählte Organ die wichtigsten Entscheidungen. Die Einarbeitung in den Haushalt ist für jeden Kommunalpolitiker „hartes Brot“, lohnt sich aber. Wer sich damit auskennt, hat großen Einfluss.

Worin besteht der wesentliche Unterschied zwischen kameralistischer und doppischer Buchführung?

Bülow:

Bei der Kameralistik werden nur die Einnahmen und Ausgaben abgebildet. Die doppische Buchführung stellt dagegen Aufwendungen und Erträge nach kaufmännischen Grundsätzen dar. Sie zwingt auch zur Berücksichtigung künftiger Finanzierungslasten, zum Beispiel Pensionszahlungen durch Rückstellungen. Dass der Wert des Vermögens mit dessen Alter sinkt, wird bei der Doppik durch Abschreibungen deutlich. Das gesamte Vermögen der Gemeinde muss erfasst und bewertet werden. Die Doppik ermöglicht im Rahmen einer jährlichen Bilanz die Feststellung eines wirtschaftlichen Ergebnisses (Gewinn oder Verlust).

Welches Modell halten Sie aus welchen Gründen für das bessere?

Bülow:

Beide haben Vor- und Nachteile. Die Doppik zeigt die Entwicklung des Eigenkapitals der Kommune (zum Beispiel schlecht gepflegte Straßen verlieren an Wert) und ermöglicht einen Konzernabschluss, das heißt eine Bilanz für die Gemeinden einschließlich ihrer ohnehin kaufmännisch rechnenden Unternehmen. Allerdings ist die Doppik wegen des hohen Verwaltungsaufwandes sehr teuer, und der Transparenzgewinn ist gerade für kleine Gemeinden gering. Die Kameralistik ist dagegen einfach zu handhaben und nach meiner Meinung für das Ehrenamt transparenter. Daher ist es richtig, dass die Kommunen bei uns ein Wahlrecht haben. Bisher haben 65 Prozent der Gemeinden auf Doppik umgestellt.

Welches wird dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit besser gerecht?

Bülow:

Die Doppik behandelt die Kommune wie ein Unternehmen und bildet den Ressourcenverbrauch ab. Es wird also im Haushalt deutlich, wenn man die Infrastruktur vernachlässigt. Auch künftige Lasten können nicht mehr ausgeblendet werden. Allerdings bringt die Doppik den Kommunen keinen Cent zusätzlich ein. Der Haushalt wird defizitär, ohne dass die Gemeinde etwas dagegen tun kann. Daher hat ja auch das Land die Umstellung seines Haushaltes auf Doppik bisher verweigert. Wichtiger als das Rechnungswesen ist die Entscheidungskultur in der Kommune. Gerade die kleinen Gemeinden pflegen den Grundsatz, nur das auszugeben, was auch eingenommen wird.

Eine Kommune kann Schulden und dennoch einen „ausgeglichenen“ Haushalt haben. Wie passt das zusammen?

Bülow:

„Schulden“ betreffen das Vermögen, der Haushalt beschreibt die jährlichen Einnahmen und Ausgaben. Der Haushalt ist dann ausgeglichen, wenn alle Ausgaben durch Einnahmen gedeckt werden können, auch Zins und Tilgung für Kredite. Das ist wie bei uns privat. Man hat vielleicht Schulden bei der Bank für den Kauf eines Autos. Wenn das Einkommen ausreicht, um Versicherungen, Einkäufe, Hobbys und Kreditraten zu bezahlen, ist der „Haushalt“ trotz Schulden ausgeglichen.