Staatsanwaltschaft legt Beschwerde ein. Sie will Chefs der Uetersener Firma Harles & Jentzsch vor Gericht sehen

Uetersen/Itzehoe. Gehen die Chefs der Uetersener Skandal-Firma Harles & Jentzsch straffrei aus? Das Landgericht Itzehoe lehnte jetzt die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Geschäftsführer Siegried S. und Prokurist Klaus-Hinrich V. überraschend ab. Damit müssen sich die beiden Hauptverantwortlichen des Dioxin-Skandals von 2010 vorerst nicht vor Gericht verantworten. Diese Entscheidung allerdings will die Staatsanwaltschaft umgehend korrigieren.

„Wir werden das nicht hinnehmen“, kündigte der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Itzehoe, Uwe Dreeßen an. Seine Behörde werde sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Schleswig einlegen. „Nach erster Bewertung sehen wir gute Erfolgschancen, dass die Entscheidung des Landgerichts korrigiert und den beiden Beschuldigten der Prozess gemacht wird“, so Dreeßen weiter. Er bedauert, dass die Richter zu einer „völlig anderen juristischen Bewertung als die Staatsanwaltschaft“ gekommen sei.

Die Staatsanwaltschaft hatte im März 2013 nach mehr als zweijährigen Ermittlungen Anklage gegen die beiden Hauptverantwortlichen des Unternehmens erhoben. Zwar ließ sich nicht nachweisen, dass die beiden Manager fahrlässig oder gar vorsätzlich dioxinverseuchte Futtermittel weiterverarbeitet und damit den späteren Lebensmittelskandal ausgelöst hatten – auch deshalb, weil das Unternehmen selbst die Überschreitung der Grenzwerte gemeldet hatte.

Wohl aber war die Anklagebehörde der Meinung, den beiden Beschuldigten gewerbsmäßigen Betrug und Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in 102 Fällen nachweisen zu können. Laut Anklage sollten Siegrid S. und Klaus-Hinrich V. von Oktober 2009 bis Juli 2010 insgesamt 2300 Tonnen Futtermittel fälschlich als rein pflanzlich deklariert zu haben. Dieses war aber mit etwa 350 Tonnen Fettsäuren aus Altspeiseresten versetzt. Daraus resultiert sich nach Meinung der Staatsanwaltschaft der Betrug. Der Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch ergibt sich laut Staatsanwaltschaft daraus, dass dieses Produkt nicht an Nutztiere hätte verfüttert werden dürfen.

Diese beiden Punkte bewertet die 8. Große Strafkammer des Landgerichts Itzehoe nun komplett anders. Sie ist der Auffassung, dass die verarbeiteten Mischfettsäuren aus gebrauchten Altspeisefetten nach damaligem Recht sehr wohl an Nutztiere verfüttert werden durften. Der Grund: Die Altspeisefette seien selbst rein pflanzlicher Herkunft. Sie hätten lediglich durch die vorherige Verwendung Spuren von Stoffen tierischer Herkunft enthalten können, etwa wenn darin Fleisch frittiert worden ist.

Die schlichte Möglichkeit, dass tierische Spuren nicht gänzlich auszuschließen seien, würden für einen strafrechtlichen Vorwurf nach Meinung der Kammer nicht ausreichen. „Denn zu Gunsten der beiden Angeschuldigten muss davon ausgegangen werden, dass die verwendeten Mischfettsäuren nicht mit tierischen Stoffen verunreinigt waren, sondern sämtlich zum Beispiel nur zum Frittieren von Pommes Frites verwendet wurden“, so Gerichtssprecher Bernhard Henneberg.

Der Dioxinskandal mit bundesweiten Ausmaßen flog Ende 2010 auf

Dioxinfunde in Eiern und Geflügel hatten die Verbraucher Ende 2010 aufgeschreckt. Fast 5000 Bauernhöfe mussten die Behörden damals bundesweit sperren. Zehntausende Schweine und Hühner wurden damals getötet, weil sie das dioxinhaltige Futter zu fressen bekommen hatten. Als Auslöser des Skandals galt der Futtermittelproduzent Harles & Jentzsch mit Sitz in Uetersen.

Das Unternehmen hatte mit Dioxin belastetes Futterfett an mehrere Abnehmer in Deutschland geliefert und war am 5. Januar 2011 Schauplatz einer Großrazzia durch Polizei und Staatsanwaltschaft. Kurz nach dem Auffliegen des Skandals ging das Unternehmen insolvent.

Insolvenzverwalter Heiko Fialski gelang es gegen Ende des Jahres, Harles & Jentzsch an die OleoServ GmbH zu verkaufen. Sie führt einen der Geschäftszweige, die Herstellung von Fettsäuren für die technische Produktion, mit großem Erfolg am alten Standort in Uetersen weiter und hat auch die Mitarbeiter übernommen.

In Niedersachsen läuft vor dem Amtsgericht Vechta bereits seit April 2013 ein Prozess gegen zwei Verantwortliche eines dortigen Futtermittelunternehmens, das dioxinverseuchte Mischfettsäuren von Harles & Jentzsch erhalten, weiterverarbeitet und an Mastbetriebe in ganz Niedersachsen als angeblich gesundes Tierfutter geliefert hatte (siehe Info-Kasten).