Im Sommer sind die lebensrettenden Blutreserven knapp. Der Abendblatt-Redakteur Dirk Steinbach spendete in Schenefeld. Es war sein erstes Mal. Und er will es wieder tun.

Es ist einer dieser Momente, in denen es kein Entrinnen gibt. Aufgebahrt auf einer lila Pritsche liege ich in der Schenefelder Feuerwache, und jeder um mich herum weiß: Gleich wird Blut fließen. Die Fotografin weiß es, die Arzthelferin vom Deutschen Roten Kreuz sowieso. Erwartungsvoll schauen sie mich an, während ich mich frage, ob ich an diesem Abend nicht einfach hätte nach Hause fahren sollen.

Eine Blutspende kann Leben retten, das ist kein Geheimnis. Und gerade in der Ferienzeit werden die Vorräte manchmal knapp. Doch hätte sich nicht auch einer meiner Kollegen in den Dienst der guten Sache stellen können, um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen? Ein Alternativtermin hätte sich für mich bestimmt gefunden. So wie immer in den vergangenen Jahren, in denen es stets etwas vermeintlich Dringlicheres gab, als zum Blutspenden zu gehen.

Doch es ist zu spät für neue Ausreden. Denn jetzt liege ich in einem Raum mit einem halben Dutzend Unbekannten, für die das Abzapfen ihres Blutes das Normalste auf der Welt zu sein scheint. Kein Wehklagen, nicht mal ein tiefes Durchatmen ist zu vernehmen, wenn einer von ihnen an der Reihe ist. Alles Vollprofis. Und ich bin der einzige Amateur. Der Erstspender.

Der Kerl, der als Fußballer manche Verletzung gesehen hat, dem es aber flau im Magen wird, wenn in den modernen TV-Schwarzwaldkliniken von "Grey's Anatomy" und "Private Practice" am offenen Herzen operiert wird und das Kunstblut spritzt. Was hatte eine der Arzthelferinnen mir noch beim Betreten des Raumes zugeraunt: "Keine Angst! Wir beißen nicht, wir pieksen nur!" Jetzt ist es soweit. Dagmar Sturm piekst, ich beiße. Auf die Zähne. Ich schließe die Augen, spüre den Einstich, dann nur noch einen leichten Druck.

Während die Anspannung ein wenig aus meinem Körper weicht, muss ich an die beiden Radfahrerinnen denken, die ich eine halbe Stunde zuvor bei der Parkplatzsuche vor der Feuerwache mit dem Auto zu einer Vollbremsung gezwungen hatte. Wahrscheinlich war ich in Gedanken schon bei Kanülen und Blutbeuteln gewesen. Ich sehe die Schlagzeile der Boulevard-Kollegen vor mir: "Auf dem Weg zur Blutspende! Journalist rammt Radlerinnen." Womöglich hätten die Frauen tatsächlich gespendetes Blut gebraucht, wenn es zum Aufprall gekommen wäre.

Doch es ist noch einmal alles gut und - nachdem der Parkplatz unfallfrei gefunden war - dann auch alles ziemlich schnell gegangen. Bei der Anmeldung hatten die Helfer zu meiner Überraschung festgestellt, dass ich im System bereits vorhanden war. Warum es nach meiner Anmeldung vor gut einem Jahrzehnt nicht zu einer Spende gekommen war, konnte der Computer allerdings nicht mehr feststellen.

Umso mehr Details verlangte dafür ein Fragenkatalog - mit für den Normalbürger kuriosen Inhalten. Wer schon einmal in die USA gereist ist, kennt diese Art von Bögen. Allerdings geht es beim DRK nicht um die Abwehr von Terroristen und anderen Verbrechern, sondern ausschließlich um die Abschätzung des gesundheitlichen Gefährdungspotenzials: Haftaufenthalte? Nein! Wechselnde Geschlechtspartner? Nein! Drogenabhängigkeit? Nein, Nein und nochmals Nein! Insgesamt 28 Mal. "Fühlen Sie sich heute gesund?" Immerhin da gab es von mir ein Ja. Wobei zwischen der gefühlten und der tatsächlichen Realität bekanntlich immer ein kleiner Unterschied bestehen kann.

Auf dem Weg zur ärztlichen Kontrolle hatte ich dann Sabine Koch kennengelernt. Die Arzthelferin aus Schenefeld spendet seit mehreren Jahren regelmäßig Blut. "Heute hatte ich eigentlich gar keine Zeit. Aber wer weiß, ob man nicht selbst mal eine Spende braucht", sagt die 62-Jährige. "Ích bin der Meinung, dass jeder zum Spenden verpflichtet werden sollte." Natürlich nur, wenn die gesundheitlichen Voraussetzungen da sind.

Nach einem Gespräch mit der Spendeärztin gab es für mich dann das Okay für die Erstspende, verbunden mit dem Hinweis, dass mir ein wenig mehr Sport durchaus guttun würde. Aus dem Joggen wird zumindest an diesem Abend dann allerdings nichts mehr. Denn als der letzte Tropfen Blut in den Beutel geflossen ist, verordnet Arzthelferin Koch erst mal Ruhe für die nächsten Stunden und überweist mich an die Freiwilligen in der Cafeteria. Dort gibt es Getränke und Schnittchen. Und spätestens da ist klar: Ich komme wieder!