In vielen Gemeinden des Kreises Pinneberg werden nach der Kommunalwahl die ehrenamtlichen Spitzenämter neu besetzt

Kreis Pinneberg. Erika Koll spricht von einem Erdrutsch. Die gewaltige politische Verwerfung, ausgelöst vom Ergebnis der Kommunalwahl, macht die 65 Jahre alte Sozialdemokratin zur ehrenamtlichen Bürgermeisterin von Kummerfeld. Nachdem die CDU im Duell mit der SPD vor fünf Jahren noch 63,1 Prozent erhielt, siegten jetzt die Genossen mit 52,8 Prozent der Stimmen. "Die Möglichkeit eingeplant habe ich, sonst hätte ich mich doch nicht aufstellen lassen", sagt Erika Koll. Für sie ist der Sieg über die CDU, für die Andreas Supthut antrat, mehr als eine kleine Sensation. Die CDU stellte seit 1994 mit Hanns-Jürgen Bohland den Bürgermeister. Der trat nicht mehr an.

Der Zeitpunkt könnte aus Sicht von Koll kaum passender sein: Zum Ende des Schuljahres scheidet sie aus dem Schuldienst aus. "Ich hatte bestimmt einen Frauenbonus", sagt sie. Zum anderen hätten offenbar viele Wähler mit dem CDU-Mann "Dinge verbunden, die in der Vergangenheit im Dorf schlecht angekommen sind".

Auch in Prisdorf wurde die absolute Mehrheit der CDU gebrochen. Die Christdemokraten um Bürgermeister Wilfried Hans blieben mit 44,9 Prozent der Stimmen und mithin sechs Sitzen stärkste Kraft. Bürger Block Prisdorf (32,3 Prozent/vier Sitze) und SPD (22,9/drei Sitze) können die CDU jedoch überstimmen. BBP-Spitzenmann Rolf Schwarz, der seit 27 Jahren Gemeindepolitik auf der Oppositionsbank macht, steht als Bürgermeister bereit; die SPD hat signalisiert, ihn zu wählen.

In Neuendeich wird die SPD erstmals seit 1952 den Bürgermeister stellen. Es steht mit Reinhard Pliquet ein geborener Neuendeicher bereit. Er ist seit 18 Jahren Wehrführer, sitzt seit 35 Jahren im Gemeinderat, arbeitet als Revisor bei der Bundesarbeitsagentur. "Ich kriege das alles unter einen Hut", sagt der Vater einer zwölf Jahre alten Tochter und eines Sohnes, 8. Pliquet ist stolz, die Dominanz der CDU gebrochen zu haben. "Wir haben das gehofft, die Stimmung im Dorf deutete darauf hin." Nachdem CDU-Bürgermeisterin Bärbel Thiemann ein Jahr vor der Wahl ihr Amt aufgab und der wenig bekannte Günther Laudan nachfolgte, waren die Chancen der Genossen gestiegen.

Erst ein Jahr lebt Ralf Henning in Osterhorn. Nun soll der 39 Jahre alte Unternehmer Bürgermeister im nördlichsten Dorf des Kreises werden. "Ich bin nicht von Westerhorn nach Osterhorn umgezogen, um Bürgermeister zu werden", sagt Henning. "Das kommt auch gedanklich etwas früh für mich." Aber innerhalb der Wählergemeinschaft, die alle Gemeindevertreter in Osterhorn stellt, sei er zum Nachfolger von Friedrich Pommerening auserkoren worden, der nicht wieder antrat.

Auch in Borstel-Hohenraden stehen die Zeichen auf Wechsel. Bürgermeister Werner Moellers SPD hat die absolute Mehrheit verloren. Und CDU-Kandidat Jürgen Rahn hat bereits seine Fühler zur neuen dritten Kraft im Gemeinderat, der Freien Wählergemeinschaft, ausgestreckt. CDU und FWG haben zusammen die Mehrheit. "Es sieht so aus, dass ich mit den Stimmen der FWG Bürgermeister werden könnte", sagt der 52 Jahre alte Finanzberater. Es gebe zwischen CDU und FWG viele Gemeinsamkeiten. Das bestätigt auch FWG-Vorsitzender Harm Kähler.

In Bokholt-Hanredder wird Wolfgang Mohr, CDU, 68, Nachfolger von Renke Eschner, der nicht wieder antrat. Mohr war von 2000 bis 2008 Bürgermeister in Bokholt, kandidierte dann aber aus beruflichen Gründen nicht wieder. "Jetzt bin ich Ruheständler und habe wieder mehr Zeit, um mich für die Gemeinde zu engagieren", sagt Mohr.

Wechselpläne auch in Bönningstedt: Nach der Grünen-Spitzenkandidatin Resy de Ruijscher kündigt auch SPD-Fraktionschef Willi Werner an, Peter Liske, BWG, nicht mehr unterstützen zu wollen. "Die Chancen stehen schlecht für Liske." Dieser habe zwar die Ausamtung gut geregelt. Aber das Problem mit den Bürgerstuben habe er nicht richtig angepackt und das Verhältnis mit Ellerbek zerrütten lassen. Nutznießer könnte CDU-Fraktionschef Rolf Lammert sein. Der sagt: "Ich kandidiere für das Bürgermeisteramt."

In Tangstedt macht sich CDU-Kandidat Hermann Ahrens Hoffnung, Detlef Goos, FDP, 75, abzulösen. "Ich bin bereit." Ob das auch für de SPD gilt, entscheidet sich Mittwoch. SPD-Spitzenkandidat Thomas Gröber sagt allerdings: "Die Tendenz geht dahin, Goos wieder zu wählen."

In Raa-Besenbek übernimmt der langjährige Wehrführer Norman Sternberg, 55, das Bürgermeisteramt. Mangels anderer Bewerber hatte sich der CDU-Mann zur Kandidatur entschlossen, seine Partei holte 72,6 Prozent der Stimmen. "Das Ergebnis liegt auch daran, dass die Wählergemeinschaft nur drei Kandidaten aufbieten konnte."