Jugendliche aus sieben Ländern entwickeln an der Johann-Comenius-Schule in Thesdorf politische Kampagnen. Arbeitssprache ist Englisch.

Pinneberg. Frieden ist das Wort, das Jasmine Fox sofort beim Stichwort Europa einfällt. Auch Ieva Lanka denkt nicht zuerst an die gemeinsame Währung oder die offenen Grenzen. Die Lettin denkt ganz konkret an das Thema Umweltschutz. Für Elvira Gonzalez Llamas ist die Vielfalt der Kulturen Europas ganz besonders wichtig.

Die drei Mädchen gehören zu einer Gruppe von 71 Jugendlichen, die derzeit an einem internationalen Schüleraustausch an der Johann-Comenius-Schule in Pinneberg teilnehmen. Mädchen und Jungen zwischen 15 und 18 Jahren aus England, Spanien, Lettland, Polen, Italien und Norwegen sprechen vier Tage lang über Europa und basteln an Ideen für gemeinsame Workshops. Weder Sprachbarrieren noch Berührungsängste zwischen den Jugendlichen, die bei Pinneberger Gastfamilien untergebracht sind, sind zu spüren. Mit großer Offenheit und Neugier beteiligen sich Mädchen und Jungen an Diskussionen, die Arbeitssprache ist Englisch.

Ziel ist es, mehr darüber zu erfahren, was Jugendliche über ihren Kontinent und die Europäische Union denken. Das Comenius-Projekt hat neben dem ganz persönlichen Austausch der Jugendlichen auch ganz konkrete Hintergründe. "Wir haben den Schwerpunkt auf den Aspekt politische Partizipation von Jugendlichen in Europa gelegt", sagt Anette Fiedler, die den Austausch organisiert hat. Die Lehrerin begleitet mit elf Kollegen aus den Teilnehmerländern die für zwei Jahre geplante internationale Zusammenarbeit. Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren seien heute weniger politisch engagiert als frühere Generationen, sagt Anette Fiedler. "Einige sind bequem und ziehe sich in die Konsumentenhaltung zurück." Ein Grund dafür liege sicher in der Komplexität der politischen Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union. "Wir wollen ihnen Anstöße geben, sich für Politik zu interessieren und ihnen bewusst machen, dass ihr Engagement zu Veränderungen führen kann", sagt die Französisch- und Erdkundelehrerin.

Geplant ist, dass die Schüler sich Themen suchen, für die sie gemeinsam in länderübergreifenden Teams Strategien und Kampagnen entwickeln, um sie stärker in die politische Debatte einzubringen. Laura Stienen aus Pinneberg hat einen Vorschlag. "Ich finde es wichtig, über Tierschutz zu sprechen. Vielleicht können wir es erreichen, dass Tiere nicht mehr Qualen bei Tierversuchen leiden müssen, weil wir Make-up und Shampoo benutzen", sagt die 17-Jährige.

Patricia Madronal Escribano aus Tavela de la Reina in Spanien interessiert sich für das Thema Bildung. "In Spanien wird zurzeit viel übers Sparen geredet. Davon sind alle Bereiche des Lebens betroffen. Auch die Bildung." Die 16-Jährige kann das nicht verstehen. Es sei so wichtig, eine gute Ausbildung zu haben, um später selbstständig zu sein. Aus ihrer Sicht ist es falsch, ausgerechnet im Bildungsbereich zu sparen. "Wir sind doch die Zukunft für unser Land", sagt Patricia. Ieva nickt. Die Lettin erzählt, dass ihre Schule in Liepaja vom Austausch mit schwedischen Schulen profitiert.

Stina Andreassen verfolgt die Diskussion aufmerksam. "Für mich ist dieser Austausch sehr interessant, denn die Menschen in meinem Land haben sich in einer Abstimmung entschieden, nicht Mitglied in der EU zu werden", sagt die junge Norwegerin. Dennoch sei sie froh, Schüler aus anderen Ländern kennen zu lernen und mehr über deren Sicht auf die Welt zu erfahren. Nicht zuletzt freut sie sich auf das Freizeitprogramm, unter anderem ein Hamburg-Besuch ist geplant.

Ein spezielles Internetforum soll in den kommenden zwölf Monaten gewährleisten, dass die Schüler auch nach der Rückkehr in ihre Heimatländer weiter gemeinsam an den Kampagnen arbeiten können. "Jetzt wird der Fahrplan entworfen, dann begleiten die Lehrer die Arbeitsgruppen", sagt Anette Fiedler. Schwierig sei es jedoch sicherzustellen, dass die Schüler kontinuierlich arbeiten. "Natürlich hat das Medium Internet auch Schwächen", sagt Fiedler. Spätestens kurz vor dem Präsentationstermin im kommenden Oktober werde die Intensität der Gruppenarbeit ein Höchstmaß erreichen, ist die Pädagogin sicher. Wie sich die Jugendlichen erfolgreiche Kampagnen für politische Inhalte vorstellen, zeigen sie dann beim nächsten Treffen in England. "Dort wollen wir die Ergebnisse evaluieren und den Fahrplan für das neue Projekt festlegen. Dann sollen alle Schüler gemeinsam eine Kampagne entwickeln", sagt Anette Fiedler.

Ieva denkt schon weiter, an die Zeit nach der Schule. "Wir können zwar theoretisch in jedem Land leben und arbeiten. Aber in der Realität ist das leider noch sehr teuer." Patricia nickt. Sie hat von vielen Bekannten, die Spanien aufgrund der Finanzkrise verlassen haben, gehört, dass es nicht einfach ist, sich im Ausland eine berufliche Existenz aufzubauen. Bevor die Diskussion zu ernst gerät, bringt es Laura auf den Punkt: "Bis wir so weit sind, ist noch ein bisschen Zeit. Vielleicht hat sich bis dahin die Situation schon verbessert."