Von Wohnungsnot bis zu den HVV-Preisen: Die Hamburgische Bürgerschaft will die Anträge von „Jugend im Parlament” prüfen.

Hamburg. "Wir wollen, dass mehr Sozialwohnungen in Hamburg gebaut werden", sagt Laura Gnitka. Schließlich sei die steigende Bevölkerungszahl in kommenden Jahren eine Herausforderung für die Stadt. Die 16-Jährige sitzt in der Bürgerschaft. Ihr Wort hat Gewicht. Sie ist eine von 127 Abgeordneten bei "Jugend im Parlament". Sie sitzt im Stadtentwicklungsausschuss, und der befasst sich mit der Verbesserung der Wohnsituation. Gentrifizierung (Veränderung der sozialen Struktur), Wohnungsbau, Mietpreise - Themen, die eine Woche lang diskutiert wurden.

Die Hamburgische Bürgerschaft hatte Jugendliche aus allen Stadtteilen eingeladen, Politik zu machen. "Wir wollen in erster Linie, dass die Jugendlichen Politik erleben", sagt Marco Wiesner, stellvertretender Pressesprecher der Bürgerschaft. Und deswegen ist alles genauso wie bei den Profi-Politikern: Im Plenum gibt es die Aktuelle Stunde mit Kurzbeiträgen; es werden Ausschüsse gebildet, Forderungen gestellt - und es wird reichlich gestritten. "Es werden keine Themen vorgegeben. Die Jugendlichen sollen wirklich darüber sprechen, was sie beschäftigt und bewegt", sagt Wiesner.

Einer dieser Jugendlichen ist der 15-jährige Puyan Sattarian. "Ich habe mich beworben, um die Arbeitsweise der Politiker kennenzulernen." Er ist einer der Jüngsten im Parlament, einige sind sechs Jahre älter. "Der Altersunterschied ist vorteilhaft, denn durch die vielen verschiedenen Perspektiven lernt man dazu", sagt er.

Im Stadtentwicklungsausschuss sitzt auch Lea Haschke. "Bald wird das Thema der Wohnungssuche relevant für mich. Ich kenne viele, die keine Wohnung finden", sagt die 17-Jährige. Laura Gnitka ergänzt, dass Auszubildende und Studenten nicht viel Geld verdienten und sich den Wohnraum in der Stadtmitte nicht leisten könnten.

Um am Ende der Woche eine fundierte Resolution abgeben zu können, recherchieren die Jugendlichen viel im Internet. Und wie die Politiker auch holen sie sich Rat bei Experten aus Behörden und Betrieben. "Wir brauchen das Fachwissen, um zu sehen, welche unserer Vorschläge sinnvoll sind und was sich umsetzen lässt", sagt Lea. Beim Wohnungsbau ist das Olaf Duge. Er sitzt für die Grünen in der Bürgerschaft und auch dort im Stadtentwicklungsausschuss. In der Schanze, meint er, sei es zu spät, die Gentrifizierung noch zu stoppen. Also müsse man andere Quartiere attraktiver machen, etwa Wilhelmsburg. Restlos überzeugt sind die Jugendlichen nicht, "aber weitergebracht hat es uns dennoch", sagt Laura. "Man merkt, dass die Experten uns ernst nehmen."

Demokratie ist anstrengend. Und so wird noch lange im Ausschuss diskutiert, gefordert, verworfen - und schließlich beschlossen: Der Ausschuss will die Grundstückspreise senken, Wohnungsleerstand bekämpfen und sozialen Wohnungsbau in allen Stadtteilen - auch und gerade in den attraktiven. "Wir müssen langfristiger denken", sagt Lea.

Am Freitag dann war es soweit: Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) kam ins Plenum und erhielt die Resolutionen der sechs Ausschüsse. Eine Forderung: die Abschaffung der Profil-Oberstufe. Außerdem wollen die Jugendparlamentarier anonyme Bewerbungsverfahren in Unternehmen, behindertengerechte Schulen, niedrigere HVV-Preise für Kinder, Schüler und Studenten und den schnellen Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur.

Und jetzt? Nun geht es in die Ausschüsse - in die echten. Von Oktober an diskutieren die Bürgerschaftsabgeordneten die Forderungen des Nachwuchses. "Ich hoffe, dass unsere Anträge von der Bürgerschaft ernst genommen werden", sagt Puyan. Vielleicht wird er dann ja eingeladen - als Experte. Denn die Politiker wollen bei ihrer Debatte einige der Jugendlichen in die Ausschüsse holen.

Anahita Sattarian ist Schülerin und zurzeit Abendblatt-Hospitantin. Puyan Sattarian ist ihr Bruder.