E.on gibt Pläne für konventionelles Kraftwerk in Stade auf. Bürgerinitiative Haseldorf bleibt jedoch jetzt erst einmal wachsam.

Haseldorf/Stade. Der Energiekonzern E.on stellt seine Planungen für den Bau eines Steinkohlekraftwerks in Stade ein. Dieser Tage bekam Stades Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD) Post aus Düsseldorf. In einem Brief teilte die Konzernleitung Nieber mit, dass E.on auf absehbare Zeit nicht mehr beabsichtige, den Standort Stade für ein nicht nukleares Kraftwerk aufrecht zu erhalten.

Bei der Bürgerinitiative Haseldorf, die seit Jahren gegen Kohlekraftwerke auf der anderen Elbseite kämpft, knallten die Sektkorken. Wie BI-Sprecher Siegfried Zell vor Journalisten in Haseldorf sagte, waren er und einige seiner Mitstreiter bereits am Dienstagabend in Stade bei einem internen Kraftwerksforum, an dem auch Vertreter der Stadt Stade teilnahmen, über den Rückzug E.ons informiert worden.

In Stade hat das Aus für das E.on-Kraftwerk gravierende Folgen. Die Planungsabteilung der Hansestadt hat alle Überlegungen und Vorbereitungen für den sogenannten Vorhaben bezogenen Bebauungsplan der Fläche, auf der E.on gerade das alte Stader Atomkraftwerk zurückbaut, eingestellt. Das bestätigte jetzt Stades Stadtbaurat Kersten Schröder-Doms auf Nachfrage des Abendblatts.

Eine E.on-Sprecherin sagte, dass der Neubau eines Kohlkraftwerkes zum jetzigen Zeitpunkt energiewirtschaftlich nicht sinnvoll sei. E.on werde aber mit der Stadt Stade einen städtebaulichen Vertrag abschließen, um sich spätere Kraftwerk-Pläne offen zu halten. Schröder-Doms bezeichnete den Rückzug E.ons als "Kollateralschaden für Stade".

Bei aller Freude über den Etappensieg warnte Haseldorfs BI-Sprecher Zell vor zu viel Euphorie. Immerhin plane das Unternehmen Dow Chemical außer einem Gaskraftwerk immer noch ein Kohlekraftwerk an der Elbe, "und wir wissen nicht, ob E.on dafür eventuell als Partner auftreten wird."

Die Aktivisten der BI Haseldorf legen Wert auf die Feststellung, dass sie nicht grundsätzlich gegen neue Kraftwerke sind, "wir wollen nur einen anderen Brennstoff", sagte Zell. Es sei klar, dass ein Großunternehmen wie Dow enorme Energiemengen benötige. Ein Gaskraftwerk sei jedoch wesentlich umweltfreundlicher, habe erheblich weniger Ausstoß von Kohlendioxid und Feinstäuben zur Folge, wie Umweltexperten bestätigten. Gerade ein geringerer Feinstaubausstoß sei für die Marschbewohner entscheidend. Sollte Dow bei seinen Plänen für ein Kohlekraftwerk bleiben, werde die BI eine Klage nicht ausschließen, sagte Zell. Das habe man Dow auch deutlich signalisiert.

Insofern sei die ideelle und finanzielle Unterstützung für eventuelle rechtliche Auseinandersetzungen seitens der Marschkommunen Hetlingen, Haseldorf, Haselau, Neuendeich, Seestermühe, Holm, Heist sowie der Stadt Uetersen und des Amtes Haseldorf sehr hilfreich, "die Kriegskasse ist gefüllt".

Rolf Herrmann, Bürgermeister von Haselau, und Michael Rahn, stellvertretender Bürgermeister von Hetlingen, dankten den Aktivisten für ihren Einsatz. "Sie haben uns einen großen Teil der Arbeit abgenommen", sagte Herrmann. Rahn machte Mut, sich weiter zu engagieren. Möglicherweise werde Dow Chemical doch noch von den Kohleplänen abrücken und einen anderen Brennstoff für das geplante Kraftwerk favorisieren.

Ursprünglich wollte E.on für das neue Steinkohlekraftwerk mehr als eine Milliarde Euro in den Energiestandort Stade investieren. Der Verwaltungsausschuss der Stadt Stade hatte im September 2011 grünes Licht für die Aufstellung dieses Bebauungsplanes gegeben. Geplant war eine moderne Anlage mit 1100 Megawatt Leistung und einem Wirkungsgrad von rund 46 Prozent. Einen konkreten Bauantrag hatte E.on bislang noch nicht eingereicht.

Stades Stadtplaner glaubt allerdings nicht, dass der Rückzug des Düsseldorfer Energiekonzerns dem Image der Hansestadt als Energiestandort schaden könne. "In der regionalen Raumordnung und in der Landes-Raumordnung bleibt die Fläche ausgewiesen für ein nicht nukleares Kraftwerk", so Schröder-Doms.

Dass jetzt die Planungen eingestellt würden, heiße keineswegs, dass sie auf Dauer beerdigt seien, sagte der Stadtplaner. Zudem bleibe Stade mit dem Gaskraftwerk der Dow, das nach jetzigen Planungen bereits im kommenden Jahr ans Netz gehen könnte, ein Kraftwerk erhalten und damit auch der Name als Energiestandort.

Mit dem Rückzug von E.on ist nun auch der Antrag der Fraktion der Grünen im Stader Stadtrat substanzlos geworden. Ein E.on-Sprecher hatte in einem Interview mit dem "Handelsblatt" schon vor Wochen verlauten lassen, E.on plane keine weiteren Kraftwerke mehr. Daraufhin beantragten die Grünen im Stadtrat, die Planungen für den E.on-Bebauungsplan einzustellen. Zu dem Zeitpunkt aber hatte man im Stader Rathaus noch an den Planungen festgehalten.

Mit E.on hat bereits der zweite potenzielle Kohlekraftwerksbetreiber die Segel gestrichen. Im Februar 2010 erklärte der Konzern GDF Suez (Electrabel) den Verzicht auf ein Kohlekraftwerk.