Der 24 Jahre alter Barmstedter überfiel mehrere Frauen in Serie. Das Landgericht verurteilt ihn zu vier Jahren Haft und weist ihn ein

Barmstedt/Itzehoe. Den Kopf in die auf dem Tisch abgelegten Arme gestützt - so verfolgte Tanyu S. gestern Mittag die Urteilsverkündung. Der 24 Jahre alter Barmstedter, dem sieben brutale Überfälle auf Frauen zur Last gelegt werden, muss vier Jahre hinter Gitter. Zudem entschied das Landgericht Itzehoe unter dem Vorsitz von Richter Eberhard Hülsing, dass der in Deutschland geborene Sohn türkischer Eltern in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen wird.

"Sie sind eine Gefahr für die Allgemeinheit", sagte Hülsing in Richtung des Angeklagten und forderte ihn auf, endlich einmal den Kopf zu heben und ihm ins Gesicht zu sehen. "Ohne eine Therapie werden von ihnen weitere solche Taten ausgehen", sagte Hülsing weiter. Der Sexualmediziner Hartmut Bosinski hatte in seinem Gutachten festgestellt, dass Tanyu S. unter Paraphilie - einer erheblich von der Norm abweichenden Sexualität - leide, erheblich vermindert schuldfähig sei und seine Einweisung in eine Fachklinik befürwortet. Hülsing: "Sie sind ein kranker Mann. Und deshalb müssen wir der Gesellschaft helfen, in dem wir sie vor ihnen schützen."

Die Verurteilung erfolgte wegen sexueller Nötigung, versuchter sexueller Nötigung, Körperverletzung und exhibitionistischer Handlungen. Nach dem Richterspruch wird Tanyu S. aus der Untersuchungshaftanstalt in eine geschlossene psychiatrische Klinik verlegt. Dort muss er sich einer Therapie unterziehen. "Ich bin wirklich bereit, eine Therapie zu machen", sagte der Angeklagte in seinem letzten Wort und er entschuldigte sich nochmals bei seinen Opfern.

+++ Er hat sieben Frauen brutal überfallen +++

Erst wenn zwei Gutachter attestieren, dass von Tanyu S. keine Gefahr mehr ausgeht, darf er die geschlossene Klinik verlassen. Dann muss der 24 Jahre alte Barmstedter seine Haftstrafe absitzen. Allerdings wird die Zeit in der Psychiatrie angerechnet. Staatsanwältin Jana Bewersdorff geht davon aus, dass er deutlich länger als vier Jahre in der Psychiatrie verbringen wird.

Die Anklägerin hatte eine Gefängnisstrafe von sechs Jahren und die Unterbringung in einer Fachklinik beantragt. Sie machte in ihrem Plädoyer deutlich, dass Tanyu S. eine tickende Zeitbombe darstelle. "Der Angeklagte hat ja selbst bei der Polizei eingeräumt, dass er viele weitere Frauen angegriffen hat." Es lägen auch diverse Anzeigen vor, bei denen der Barmstedter als Täter in Frage komme. Allerdings habe die Beweislage nicht ausgereicht. Bewersdorff: "Alle diese Fälle waren nicht anklagbar."

+++ Sexualmediziner bescheinigt Täter schwere Störung +++

In den sieben angeklagten Fällen - drei ereigneten sich im Kreis Pinneberg, vier in Hamburg - war die Beweislage dagegen eindeutig. Mehrfach konnten Spermaspuren sichergestellt werden, die laut DNA-Analyse zweifelsfrei von Tanyu S. stammen. Der hatte in dem Verfahren sechs der sieben Fälle, wenn auch nur teilweise, eingeräumt.

Bewersdorff hob weiter hervor, dass der Angeklagte in allen Fällen zielstrebig, professionell und routiniert vorgegangen sei. Sein Vorgehen habe sich zudem durch eine ungeheure Brutalität gegen die Opfer ausgezeichnet. "Viele der Frauen sind auch ein Jahr nach der Tat noch traumatisiert."

Seine Überfallserie startete Tanyu S. am 8. August 2010 in einem Parkhaus an der Holstenstraße in Hamburg, wo er einer Frau folgte, sie zu Boden prügelte und sexuelle Handlungen an sich vornahm. In der Nacht zum 6. Februar 2011 lauerte er gegen 4 Uhr nachts einer 23 Jahre alten Frau vor der Sporthalle am Heederbrook in Barmstedt auf, die von einer Faschingsparty kam. Er stürzte sich auf sie, schlug mehrfach auf diese ein und versuchte, sie zu vergewaltigen.

Ein weiteres Opfer ist eine 19 Jahre alte Elmshornerin, die am 25. Juni 2011 nachts gegen 4 Uhr in ihrer Heimatstadt auf offener Straße überfallen wurde. Die junge Frau kam von einer Party, als sich Tanyu S. im Bereich Langelohe/Mühlendamm von hinten auf sie stürzte und ihr die Faust in den Nacken schlug. Sie ging zu Boden. Der Täter befriedigte sich daraufhin selbst. Am 4. September 2011 überfiel er eine junge Frau im Treppenhaus ihres Hauses an der Bernstorffstraße in Altona. Als sie laut um Hilfe schrie, flüchtete der Barmstedter in den nahe gelegenen Walter-Möller-Park. Dort stürzte er sich nur 20 Minuten später auf eine andere junge Frau, die er zu Boden schlug. Hinzueilende Zeugen verhinderten Schlimmeres.

Am 20. Oktober 2011 fuhr der Angeklagte mit seinem Auto auf der Suche nach einem Opfer durch Elmshorn.

+++ Landgericht setzt Prozess gegen Sex-Täter fort +++

An einem Feld an der Straße Papenhöhe riss Tanyu S. eine 20 Jahre alte Frau vom Rad, zog sie in ein Feld und schlug ihr dreimal gezielt mit der Faust ins Gesicht. Ein Tritt in die Genitalien stoppte den Sextäter. Nur drei Tage später verging sich der Angeklagte an seinem Arbeitsplatz in einem Hamburger Krankenhaus an einer todkranken und wehrlosen 89 Jahre alten Seniorin. Sie ist inzwischen verstorben und konnte daher nicht mehr vor Gericht aussagen.

Alle anderen Opfer mussten in den Zeugenstand. "Das Geständnis des Angeklagten ist in rechtlicher Sicht keines. Er hat keinem seiner Opfer die Aussage vor Gericht erspart", sagte Daniela Hödl, eine der Opferanwältinnen. Tanyu S. habe dort, wo es strafrechtlich weh getan hätte, ausweichend geantwortet oder den Sachverhalt bestritten.

"Mein Mandant hat dem Triebdruck nicht mehr standhalten können", sagte Verteidiger Christoph Heer. Tanyu S. wisse, das er sich strafbar gemacht habe und er wisse auch, dass er dringend einer Behandlung bedürfe. Der Jurist befürwortete ebenfalls die Unterbringung des Barmstedters in der geschlossenen Psychiatrie. Er blieb jedoch mit seinem Strafantrag von dreieinhalb Jahren deutlich unterhalb der Forderung der Staatsanwältin.

"Ich werde in Ruhe darüber nachdenken, ob ich Revision einlege", kommentierte Staatsanwältin Bewersdorff die vom Gericht verhängten vier Jahre Haft. Sie hätte eine deutlich höhere Strafe für angemessen gehalten. Verteidiger Heer zeigte sich zufrieden. "Ich werde meinem Mandaten abraten, in die Revision zu gehen. Er wird es aber trotzdem wollen, weil er sich eine niedrigere Strafe erhofft hatte."