Thilo Blißmer (18), Kreisvorstand der Jungen Grünen, spricht über Atomkraft, Drogen und Steuerpolitik.

Kreis Pinneberg. Politikverdrossenheit: Immer wieder fällt das Schlagwort, das Jugendliche beschreibt, die sich nicht für politische Vorgänge interessieren und nur schwer zu motivieren sind, wählen zu gehen. Doch es gibt positive Beispiele, die das Engagement jungen Leute belegen: die Nachwuchsorganisationen der großen Parteien. Die Pinneberger Zeitung hat deren führende Köpfe interviewt. Heute: Thilo Blißmer, Kreisvorstandsmitglied der Grünen Jugend.

1994 wurde die Grüne Jugend gegründet. Unabhängig von der Mutterpartei setzt sie sich schwerpunktmäßig für Umwelt- und Antiatompolitik ein. Die Nachwuchspolitiker befürworten ein kostenfreies Studium und den kontrollierten legalen Verkauf von weichen Drogen.

Seit einem Monat ist Thilo Blißmer (18) im Kreisvorstand der Junggrünen in Pinneberg.

Pinneberger Zeitung:

Wie kam es zu Ihrem Beitritt in eine politische Jugendorganisation?

Thilo Blißmer:

Ich habe die Grüne Jugend erstmals während einer Demonstration gegen Kohlekraftwerke in Brunsbüttel kennengelernt. Da ich mich mit den Zielen gut identifizieren konnte, aber auch weitere positive Veränderungen schaffen wollte, bin ich dann 2009 eingetreten. Ich wollte Inhalte schaffen.

PZ:

Wieso war es gerade die Jugendorganisation der Grünen?

Blißmer:

Ich habe mit den Grünen schon im Rahmen einer Schulaufgabe gute Erfahrungen gemacht. Außerdem finde ich es wichtig, dass in Deutschland ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und Umwelt herrscht. Nur gemeinsam kann man Veränderungen schaffen. Das gab es für mich nur bei den Grünen.

PZ:

Wie erlebst du Jugendliche, wenn sie mit Politik konfrontiert werden?

Blißmer:

Manche sind aus eigenem Antrieb sehr engagiert. Andere schimpfen lieber, anstatt selber aktiv zu werden. Häufig erkennen Jugendliche einfach nicht, wie nah die Politik wirklich ist. Das gibt es allerdings genauso bei den Erwachsenen.

PZ:

Spielt die häufig angesprochene Politikverdrossenheit wirklich eine so große Rolle?

Blißmer:

Jugendliche interessieren sich wieder mehr. Medien überspitzen hier häufig. Trotzdem besteht dieses Problem. Wir müssen das anpacken und die Menschen mitnehmen. Auch im Politikunterricht in der Schule muss klar gemacht werden, was Politik wirklich ist, denn Jugendliche können mit ein bisschen Engagement viel erreichen. Trotzdem ist die Wisch-Wasch-Politik der neuen Regierung sehr schlecht, um junge Menschen zu motivieren. Wenn man Steuersenkungen verspricht, die nicht realisierbar sind, und die FDP das trotzdem durchzusetzen versucht, dann ist das demotivierend. Populismus, fehlende Inhalte und eine Verblendung der Bevölkerung, so wie es die Regierung mit den Steuerentlastungsversprechen tut, sorgen für Politikverdrossenheit.

PZ:

Die Grünen sind durch eine Protestbewegung entstanden. Und jetzt, wo die Abgeordneten nicht mehr strickend im Bundestag sitzen, sind Grüne Politiker wie alle anderen. Haben sich die Grünen überlebt?

Blißmer:

Nein, überhaupt nicht. Gerade jetzt werden wir gebraucht, um Energiepolitik und Umweltschutz auch bei einer schwarz-gelben Koalition auf die Tagesordnung zu bringen. Die Grünen sind ein Druckmittel in der Opposition und versuchen zu verhindern, dass die zwar grüner gewordene Union gemeinsam mit der FDP leichtfertig unsere Zukunft aufs Spiel setzt.

PZ:

Wie stehen Sie zur Lage in Afghanistan?

Blißmer:

Hier herrscht ein illegaler Krieg ohne Legitimation. Es ist schwer, den Menschen dort die Demokratie aufzuzwängen, die wir in mehr als 200 Jahren, beginnend mit der Französischen Revolution erkämpft und entwickelt haben. Trotzdem darf man sich jetzt nicht radikal zurückziehen, sondern muss einen Truppenabzug langfristig planen.

PZ:

Wie beurteilen Sie die ersten 100 Tage der schwarz-gelben Koalition?

Blißmer:

Das Volk hat dieses Bündnis gewählt, und jetzt merken viele, dass das ein Fehler war. Die Steuersenkungen funktionieren nicht, die geplante Kopfpauschale ist sozial ungerecht, und die Mehrwertsteuersenkungen für Hotels haben nichts erkennbar Positives an sich. Diese Koalition betreibt Klientelpolitik. Gut für Deutschland ist das nicht.

Pinneberger Zeitung:

Herrscht bei uns Chancengleichheit?

Blißmer:

Nein, es sind beispielsweise viele Klischees vorhanden. Oft reicht es schon, wenn man als Mann lange Haare hat, um für einen Job nicht genommen zu werden. Es herrscht wenig Gleichheit. Bei frühkindlicher Bildung fängt Chancengleichheit an, und so etwas wie die Herdprämie, die Kinder von einem sozialen Miteinander in der Gesellschaft fernhält, ist einfach nur unsozial.

PZ:

Wie beurteilen Sie den momentanen Stand in der Atompolitik?

Blißmer:

Wir müssen in regenerative Energien investieren, anstatt Fördermittel zu streichen und Kohle und Atom zu stützen. Alle Atomkraftwerke müssten abgeschaltet werden. Wer behauptet, dass die Endlagerfrage gelöst ist, der lügt. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, also ökonomisch, ökologisch und sozial ist schwarz-gelbe Politik eine Katastrophe. Deswegen muss man sich engagieren. Zum Beispiel am 24. April, wenn die "Kettenreaktion", eine riesige Menschenkette von Krümmel bis Brunsbüttel, organisiert wird. Hier müssen sich alle Menschen zusammenschließen und gemeinsam kämpfen.

PZ:

Wie motivieren Sie Jugendliche, sich zu engagieren?

Blißmer:

Es gibt viele, die hier sogar selbst anfragen. Ansonsten tue ich das und spreche mit jungen Menschen, damit man gemeinsam bei einer Aktion etwas erreichen kann. Ich lade alle herzlich ein, sich ein objektives Urteil zu bilden und dorthin zu gehen, wo sie sich am besten verwirklichen können.

Morgen lesen Sie das Interview mit Alexander Gross von "['solid]", der Jugendorganisation der Partei "Die Linke".