Cornelius Samtleben (24), Kreisvorsitzender der Jusos, spricht über Schule, Energie und andere Politikfelder.

Kreis Pinneberg. Politikverdrossenheit: Immer wieder fällt das Schlagwort, das Jugendliche beschreibt, die sich nicht für politische Vorgänge interessieren und nur schwer zu motivieren sind, wählen zu gehen. Doch es gibt positive Beispiele, die das Engagement junger Leute belegen: Die Nachwuchsorganisationen der großen Parteien. Die Pinneberger Zeitung hat deren führende Köpfe interviewt. Heute: Cornelius Samtleben von den Jusos.

Die Jusos sind seit 1914 die Jugendorganisation der SPD. Zu ihren Zielen gehören heute kostenfreie Bildung, Mindestlöhne und eine strengere Regulierung der Finanzmärkte. Der Vorsitzende auf Kreis- und Landesebene ist Cornelius Samtleben (24). Seit 2003 ist der Prisdorfer in der SPD und bei den Jusos.

Pinneberger Zeitung:

Wieso sind Sie den Weg in eine Partei gegangen?

Samtleben:

Ich will etwas verändern. Die Gesellschaft ist ungerecht, und es herrscht keine Chancengleichheit. Geld entscheidet über die Zukunft von Kindern, sodass oft nur diejenigen einen guten Abschluss machen, die reiche Eltern haben.

PZ:

Wieso war es die Jugendorganisation der SPD?

Samtleben:

Ich bin in der Ära von Bundeskanzler Helmut Kohl aufgewachsen. Alles was damals passierte, war genau, was ich nicht wollte. Es war einfach zu konservativ. So bin ich meiner Überzeugung in die Partei mit der höchsten inhaltlichen Übereinstimmung gefolgt.

PZ:

Was ist Ihnen ganz persönlich wichtig?

Samtleben:

Ich kämpfe für kostenfreie Bildung - von der Kita bis zur Uni - und gegen das mehrgliedrige Schulsystem. Nur so kann in Deutschland Chancengleichheit entstehen. Außerdem beschäftige ich mich mit Wirtschafts-, Steuer- und Medienpolitik.

PZ:

Konnten Sie in den letzten Jahren schon etwas verändern, das Ihnen wichtig war?

Samtleben:

Auf Kreisebene haben wir die Mitgliederbetreuung verbessert, sodass neue Jusos gut integriert werden und aktiv mitarbeiten können. So haben wir viele Mitstreiter dazu gewonnen. Außerdem haben wir die Außendarstellung der Jusos durch eine neue Internetseite und neue Flyer im Wahlkampf modernisiert. Insgesamt wurden Grundlagen für eine erfolgreiche Arbeit in den nächsten Jahren geschaffen. Aber auch auf Landesebene konnte ich dazu beitragen, dass sich zerstrittene Gruppen versöhnen und im Verband eine sehr gute Stimmung herrscht.

PZ:

Lohnt sich ein so hohes Maß an Arbeit? Wie schaffen Sie es, immer motiviert am Ball zu bleiben?

Samtleben:

Es ist viel Arbeit, der Wahlkampf war sehr anstrengend, aber es gibt sehr viele Erfolgserlebnisse. Vom Juso-Bundesverband wurden wir für die innovativste Wahlkampfaktion ausgezeichnet, als wir in Schutzanzügen am Wedeler Elbstrand ein Fass mit vermeintlichem Atommüll vergraben haben. Wenn man Ideen hat und konsequent in der Umsetzung ist, dann feiert man automatisch Erfolge.

PZ:

Sind Jugendliche unpolitisch?

Samtleben:

Es gibt Vorurteile gegenüber der Politik. Viele Jugendliche denken politisch, wissen es nur nicht. Häufig werden Beschwerden über politische Vorgänge als Verdrossenheit gewertet, aber auch das sind politische Äußerungen. Es gibt nicht immer nur einen richtigen Weg. Unterschiedliche Interessen sind auch politisch.

PZ:

Also spielt die Politikverdrossenheit keine so große Rolle?

Samtleben:

Nein, der Wahlkampf hat gezeigt, dass viele junge Menschen an Politik interessiert sind. Auch unsere Mitgliederzahlen sind stark angestiegen. Man muss nur auf Jugendliche zugehen, damit sie merken, dass sie politisch sind. Oft haben unter 20-Jährige eine sehr differenzierte Meinung ohne Vorurteile - so macht Politik Spaß.

PZ:

Herrscht in Deutschland Chancengleichheit?

Samtleben:

Auf dem Papier vielleicht. Zu Chancengleichheit gehört aber mehr. Nehmen wir die Bildung: Es beginnt mit dem Aussortieren nach der Grundschule. So mancher Lehrer sortiert da gerne nach dem Elternhaus. Hinzu kommt, dass nur gut verdienende Eltern die Defizite des Schulsystems durch Nachhilfe ausgleichen können. Die Studiengebühren sind da eigentlich nur der krönende Abschluss. Dass gerade Deutschland es schafft - als Land der Dichter und Denker - so viel Potenzial zu vergeuden, ist einfach nur peinlich.

PZ:

Stichwort Atomenergie!

Samtleben:

Atomenergie ist teuer, dreckig und gefährlich. Sie wurde und wird massiv subventioniert. Müssten die Kraftwerke gegen einen Gau versichert sein, wäre Atomstrom schon nicht mehr konkurrenzfähig. Ganz zu schweigen von den Kosten für die Endlagerung. Wir hinterlassen Tausenden Generationen unseren Dreck und können das nicht mal wirtschaftlich begründen. Ich frage mich, wie man allen Ernstes an dieser Technik festhalten kann. Sie ist gescheitert.

PZ:

Wie beurteilen Sie die ersten Monate der neuen Regierung?

Samtleben:

Die schwarz-gelben Wespen haben es in 100 Tagen geschafft, ein komplettes Chaos in der Schullandschaft zu hinterlassen, die Kommunen in hohem Maße zu belasten und zu beweisen, dass ihre Entscheidungen käuflich sind. Demnächst kann man sich politische Entscheidungen bei Ebay ersteigern.

PZ:

Haben Sie einen Tipp für Jugendliche, wie sie ihre Ziele erreichen können?

Samtleben:

Tretet ein für eure Meinung, macht euch Gedanken darüber, was um euch herum passiert! Engagement in Vereinen, Schülervertretungen oder Jugendfeuerwehren sind erste Schritte. Wenn euch etwas nicht passt, versucht, es zu ändern. Wenn man sich zusammenschließt, kann man viel erreichen.

Morgen lesen Sie das Interview mit Lee-Ann Fehse von den Jungen Liberalen (JuLis).