Kreis Pinneberg will Menschen aus schwierigen Verhältnissen helfen, gesünder zu leben. Etwa 35.000 Menschen leben hier an der Armutsgrenze.

Kreis Pinneberg. Armut ist tödlich. Eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts hat herausgefunden, dass Männer im Durchschnitt elf Jahre und Frauen acht Jahre früher sterben, wenn sie in ärmlichen Verhältnissen leben. Diese Daten aus Deutschland, die auch hierzulande einen direkten Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit in der Bevölkerung und der Lebenserwartung nachweisen, sollen auf einer Fachtagung des Kreises Pinneberg mit Ärzten, Sozialarbeitern, Verbänden und ehrenamtlichen Organisationen wie den Tafeln erläutern. "Unser Ziel ist es, Lösungsansätze zu finden, wie diesen Menschen konkret geholfen werden kann, damit sie die notwendige medizinische Versorgung erhalten", sagt Martin Keck, Teamleiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes in der Kreisverwaltung.

Wer arm sei, könne sich bestimmte teure Medikamente nicht leisten. Gesunde Ernährung sei für diese Menschen eine Diskussion für Akademiker. Chronische Erkrankungen und oft auch Suchtkrankheiten erschwerten ihnen den Zugang zu ärztlicher Hilfe, sagt Detlef Witthinrich vom Hilfeverein Die Brücke in Elmshorn. Manche seien noch nicht einmal krankenversichert. Gemeinsam mit anderen Verbänden hat Witthinrich vor einigen Jahren den Verein "Medizinische Hilfen für Wohnungslose im Kreis Pinneberg" gegründet. Dieser hat es sich zur Aufgabe gestellt, jenen 400 Menschen zu helfen, die keine eigene Wohnung haben und in einer der Obdachlosenunterkünfte im Kreis Pinneberg untergebracht sind. Die aktuelle Wohnungsnot und steigenden Mietspiegel verschärften das Problem, sagt Rainer Adomat vom Schäferhof in Appen, der ebenfalls dem Verein angehört, der nun zu dieser Fachtagung "Gesundheit . . . arm dran" für nächsten Mittwoch, 21. März, von 14 bis 18.30 Uhr ins Kreishaus in Elmshorn einlädt.++

+++ Auf unsere Hilfe angewiesen +++

Erster Erfolg des Wohnungslosen-Vereins ist das Regio-Mobil, das seit drei Jahren regelmäßig alle Notunterkünfte im Kreis ansteuert. Einmal in der Woche fahren darin die Ärztin Siri Langefeld und Krankenpfleger Ulli Lenk von den Regio-Kliniken diese Unterkünfte und Treffpunkte der Wohnungslosen an, um sie kostenlos medizinisch zu behandeln. Meist seien es ganz einfache medizinische Hilfen, die im Regio-Mobil angeboten werden. Da reicht es schon, kleinere Verletzungen zu versorgen, ältere Wunden zu reinigen oder eine Blutdruckeinstellung zu überwachen. "Unsere Aufgabe ist stärker die soziale als die medizinische Betreuung", sagt Lenk über diese Arbeit.

Dieses vorbildliche Projekt soll auf der Fachtagung ebenso vorgestellt werden wie andere Hilfsaktionen, die es in Schleswig-Holstein gibt. So wird ein Arzt aus Bad Segeberg über seine Praxis ohne Grenzen berichten. Die Bahnhofsmission Husum wird da sein und das Team vom Gesundheitsmobil aus Lübeck will über seine Arbeit berichten. "Wir wollen zeigen, wie diese Dienste der aufsuchenden medizinischen Versorgung für Wohnungslose funktionieren und versuchen, sie zu vernetzen", sagt Gastgeber Keck. Auch die Armensprechstunde, die es in Flensburg gibt, sei ein guter Ansatz zur Hilfe.

Zudem sind Wissenschaftler eingeladen, die anhand zahlreicher Daten die Zusammenhänge von Armut und Krankheit erläutern. Keck: "Arme Menschen mit chronischen Erkrankungen, schweren Psychosen oder Suchterkrankungen und ihren Folgen orientieren sich nur schwer im Gesundheitssystem. Ob mit oder ohne Krankenversicherung haben sie Schwierigkeiten, die finanziellen Lasten für notwendige Behandlungen zu tragen." Zwar sei es möglich, dass sie sich von der Zuzahlungspflicht befreien lassen. Aufwendige bürokratische Hürden verhinderten aber, dass ihnen diese finanziellen Entlastungen gewährt werden oder die Bedürftigen sie überhaupt beantragen.

Langzeitarbeitslosigkeit, hohe Mieten, Suchtkrankheiten und zerrüttete Familienverhältnisse ließen die Bedürftigkeit der Menschen anwachsen. So schätzt Teamleiter Keck, dass etwa 35 000 Menschen allein im Kreis Pinneberg nah an oder unter der Armutsgrenze lebten.

Nimmt man die Zahlen des Jobcenters zur Grundlage, dann sind es hier in der Region rund 18 500 Menschen, die in knapp 10 000 Bedarfsgemeinschaften auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen sind.

Wer an dieser Fachtagung teilnehmen möchte, melde sich bitte unter der E-Mail info@schaeferhof-sh.de an. Der Teilnahmebeitrag kostet 20 Euro.