16 Tage operierte der Unfallchirurg Menschen mit schweren Verletzungen. Jetzt kam er zurück in seine Heimatstadt Hamburg.

Wedel/Port-au-Prince. 16 Tage in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince haben Spuren hinterlassen. "In der ersten Nacht wieder in Deutschland habe ich schlimme Träume gehabt", erzählt Dr. Christian Queitsch. Der Chefarzt der Wedeler Klinik für Unfallchirurgie war für die Hilfsorganisation Humedica im Erdbebengebiet tätig. Mittwochnachmittag kehrte der 46-Jährige nach Deutschland zurück.

Am 18. Januar war er von Düsseldorf aus nach Puerto Plata (Dominikanische Republik) gestartet und von dort aus mit einem Konvoi in die haitianische Hauptstadt gelangt. "Was wir dort vorgefunden haben, war apokalyptisch." Nahezu alle Gebäude seien zerstört gewesen, auf allen freien Flächen hätten die Menschen campiert. "Überall lagen Leichen, der Gestank war schlimm, die Lage chaotisch." So schlimm, das räumt der Mediziner ein, habe er sich die Situation vor Ort nicht vorgestellt.

Queitsch und Dr. Benjamin Kienast von der Unfallklinik Hamburg-Boberg - beide waren auch nach der Tsunami-Katastrophe in Sri Lanka eingesetzt - arbeiteten die folgenden Tage im "Hospital Espoir" in Port-au-Prince. Von 8 Uhr morgens bis 18 Uhr abends wurde ohne Pause operiert. Anschließend mussten die Mediziner zurück in ihr Zeltlager, weil eine Ausgangssperre in Kraft trat. "Unsere Unterkunft stand unter dem Schutz der amerikanischen Marines, die haben für Ordnung gesorgt."

In dem noch nutzbaren Teil des Krankenhauses fand Queitsch Patienten ("Teilweise waren die drinnen, teilweise lagen sie draußen unter Zeltdächern") mit schwersten, nur notdürftig versorgten Verletzungen vor. So hatte man, um gebrochene Gliedmaßen ruhig zu stellen, Steine eingesetzt. "Wir hatten aus Deutschland ganz viele Fixateure mitgebracht", berichtet Queitsch. Dabei handelt es sich um ein durch die Haut von außen zu befestigendes Haltesystem, mit dem Knochenbrüche ruhig gestellt werden können.

Doch nicht immer konnten die Mediziner die Gliedmaßen wieder zusammenflicken. "Wir haben regelmäßig Amputationen durchführen müssen." So war häufig der Wundbrand so weit fortgeschritten, dass anders das Leben des Patienten nicht mehr hätte gerettet werden können. "Noch zwei Wochen nach dem Beben sind Menschen mit schwersten Verletzungen in die Klinik gekommen", so der Mediziner weiter.

Die Bedingungen in den Operationssälen - sie waren mit denen in Deutschland nicht zu vergleichen. "Es gab kein Röntgengerät im OP-Saal, wir mussten nach Gefühl und Erfahrung operieren", so Queitsch weiter. Mehr als 100 Operationen hat er in den 16 Tagen vor Ort geleistet sowie mehrere 100 Patienten ambulant behandelt.

Am Montag hat Humedica ein Ablöseteam geschickt, so dass der 46-Jährige, der in Hamburg wohnt, wiederum über die Dominikanische Republik die Heimreise antreten konnte. Zurück zu seiner Frau und den drei und acht Jahre alten Kindern. Mit "einer Mischung aus Angst und Verständnis" hätte die Familie auf sein Engagement reagiert, so der Chirurg. "Meine Kinder haben mir noch Kuscheltiere und Spielzeug mitgegeben."

Viel Elend hat Queitsch gesehen. "Alles, was Kinder betrifft, reißt einen mit", sagt er. Er müsse das jedoch rein medizinisch sehen. "Ich frage mich, wo das Problem ist und wie ich es lösen kann." Was bleibt, so Queitsch, sind die Träume.