Lübeck. So erklären Trainer und Spieler den Eintracht-Erfolg an der Lohmühle. Was entscheidend war – und welche Akteure herausragten.

Hätte Olufemi Smith, Trainer von Eintracht Norderstedt, kein Statement abgegeben, sein Gesicht und seine Körpersprache hätten für ihn gesprochen. Mit einem Lächeln auf den Lippen und entspannter, wie von einer kleinen Last befreiten Haltung kam Smith nach der Partie beim Spitzenreiter der Fußball-Regionalliga Nord, dem VfB Lübeck zur Pressekonferenz. Nun ist Smith ein viel zu höflicher und freundlicher Mensch, um kein Statement abzugeben. Besser noch: Seine Worte treffen meist ins Schwarze. In Lübeck gelang Smith dies schon mit seinen ersten vier Sätzen. „Ich bin megahappy. Wir haben es endlich geschafft, gegen eine Topmannschaft zu gewinnen. Umso schöner, dass es auf der Lohmühle passiert ist. Wir konnten heute den absoluten Favoriten auf die Meisterschaft ärgern“, kommentierte Smith das 1:0 vor 2836 Fans.

Topscorer Elias Saad fehlt den Norderstedtern kurzfristig erkrankt

Dies war eine perfekte Zusammenfassung eines Erfolgs, der in die Vereinsgeschichte von Eintracht Norderstedt eingehen wird und ohne Übertreibung als historisch bezeichnet werden darf. Nur einen kümmerlicher Punkt und 2:11 Tore war die Ausbeute auf der Lohmühle bislang gewesen. Dazu kam die Schwäche der Garstedter gegen Topteams in dieser Saison. Einem Sieg nahe war die Eintracht oft, gewonnen wurde nie. Und Topscorer Elias Saad (erkältet) fehlte auch noch. „Darum ist Eintracht Norderstedt ein Lieblingsgegner“, titelten die „Lübecker Nachrichten“ in ihrer Vorschau scheinbar folgerichtig.

Doch der Fußball zeigte an diesem Tag seine so liebenswert unberechenbare Seite. Weil die Eintracht eine „absolute Energieleistung“ (Smith) auf den Rasen brachte und sich das nötige Spielglück verdiente. Sicher ist es legitim, die Begegnung wie VfB-Trainer Lukas Pfeiffer zu betrachten. „Wir haben es verpasst, in unseren guten Phasen ein Tor zu schießen. Die Anzahl unserer Chancen muss reichen, um hier Punkte mitzunehmen. Norderstedt hat sein Tor gemacht und ist deshalb der verdiente Sieger.“ Die Marzipanstädter trafen durch Manuel Farrona Pulido (27.) und Felix Drinkuth (35) zweimal die Latte, verbuchten über 90 Minuten mehr Torgelegenheiten als die Eintracht.

Zweimal trifft der VfB Lübeck in der ersten Halbzeit die Latte

Eintrachts „unglaublicher Kraftakt“ (Torwart Lars Huxsohl) und „richtig geiler, dreckiger Sieg“ (Kapitän Juri Marxen) fußte jedoch nicht nur auf der Abschlussschwäche des Gegners. Sondern eben auch auf einer famosen Defensivleistung gegen ein Team mit einer für die Regionalliga Nord extrem hohen Qualität. In den ersten 25 Minuten beeindruckte die Eintracht den VfB mit guter Raumaufteilung, bissiger Zweikampfführung und sauberem Passspiel. Schon in der vierten Minute setzten die Garstedter ein Zeichen. Beim eigenen Abstoß wurden sie von den Lübeckern hoch gepresst, spielten trotzdem mutig flach heraus und kombinierten sich sehenswert über das ganze Feld. Jan-Pelle Hoppe verpasste leider den Zeitpunkt zum richtigen Abspiel, um Dylan Williams eine hundertprozentige Torchance zu ermöglichen.

Das Führungstor (45.+1) nach der ersten Lübecker Drangphase war dann ein Sinnbild dieses Spiels. Der Kopfball von Tjark Hildebrandt nach Flanke von Hoppe küsste für Lübeck ironischerweise nach zwei eigenen Lattentreffern nun die Unterkante der Querstange und senkte sich ins Tor. Aber die Garstedter waren in der Vorbereitung hellwach gewesen. Die zunächst abgewehrte Ecke erkämpfte Marc Bölter zurück, Williams konnte so Hoppe erneut anspielen, dieser Hildebrandt in Szene setzen.

Trainer Olufemi Smith verteilt Sonderlob für zwei 19-Jährige

In Hälfte zwei entfachte Lübeck zwar in der ersten Viertelstunde großen Druck. Mit zunehmender Spieldauer gelang es der Eintracht jedoch, die Viererkette wieder höher zu schieben und Verschnaufpausen durch Ballbesitzpassagen in der gegnerischen Hälfte zu generieren. Nicht ein Spieler inklusive der eingewechselten Akteure fiel bei der Eintracht leistungstechnisch ab. Stark waren sie alle, drei ragten sogar heraus.

Rechtsverteidiger Hildebrandt ist zwar erst 19, spielte aber wie ein alter Hase, gewann auf seiner Seite nahezu jeden Zweikampf, krönte seine Leistung zudem mit seinem ersten Tor im Herrenbereich. „Als Pelle den Ball von außen sehr gut reingebracht hat, habe ich gehofft, er kommt irgendwie zu mir durch. Und dann landet er direkt auf meinem Kopf und gleich danach im Tor. Einfach klasse!“ jubelte der Youngster. „Der Junge rechtfertigt seine Aufstellung Woche für Woche und hat heute einen Sahnetag erwischt. Den kann er sich im Kalender rot anstreichen“, lobte Smith.

Eintracht Norderstedt: Für Abwehrchef Fabian Grau geht es nach der Partie direkt ins Krankenhaus

Selbiges gilt für den ebenfalls erst 19 Jahre alten Sechser Marc Bölter. Nicht nur zweikampfstark, sondern extrem umtriebig und laufintensiv war sein Auftritt, sehr selbstbewusst manches Dribbling, top sein Stellungsspiel. „Die Kulisse hat uns motiviert. Jeder von uns hat verstanden, worum es hier heute geht und in jeder Aktion einhundert Prozent gegeben“, hob Bölter die auch in der Mannschaft grassierende Sehnsucht danach, endlich ein Topteam zu schlagen, hervor. Olufemi Smith: „Mit solchen Leistungen spielt sich Marc ganz weit nach vorne. Er steigert sich von Woche zu Woche und setzt nun auch spielerische Akzente. Das war eine Riesenleistung von ihm.“

Der Dritte, der sich eine Eins mit Sternchen verdiente, war Abwehrchef Fabian Grau. Mehrmals rettete er in höchster Not, lief in Hälfte eins bei einer gefährlichen Umschaltaktion der Lübecker gar einen bereits enteilten Gegner sprintstark wieder ab. Sein voller Körpereinsatz in der Nachspielzeit bei einem wichtigen Kopfballduell brachte ihm leider eine leichte Gehirnerschütterung und einen Krankenhausaufenthalt ein. „Fabi hat eine Platzwunde am Kopf, die genäht werden muss. Wir hoffen, seine Gehirnerschütterung hält sich in Grenzen und es geht ihm bald wieder gut“, sagte sein Trainer – und ließ seiner Freude nach der Pressekonferenz freien Lauf. „So, nun heißt es Leinen los! Wir müssen gucken, ob wir auf der Rückfahrt noch irgendwo eine Kiste Bier auftreiben.“ Historische Siege wie diesen feiert man schließlich nicht alle Tage.

Eintracht Norderstedt: Huxsohl – Hildebrandt, Bojadgian, Grau, Kummerfeld – Bölter (72. Choi) – Williams (90.+2 Dreca), Hoppe (81. Bork) – Marxen, Brüning (90.+1 Brendel) – Lüneburg (64. Sezer). Tor: 0:1 Tjark Hildebrandt (45.+1). Zuschauer: 2836.