Matthias Dieterich hat als Interimslösung überzeugt und bekommt als bisher jüngster Coach von Eintracht Norderstedt einen Vertrag bis 2013.

Norderstedt. Seit Beginn dieser Woche ist Matthias Dieterich neuer Trainer von Fußball-Oberligist Eintracht Norderstedt. Der 29-Jahre alte B-Lizenz-Inhaber erhält einen Vertrag bis Sommer 2013. Dieterich stammt aus Gardelegen in Sachsen-Anhalt. Der Bankkaufmann spielte als Torwart selbst Verbandsliga, setzte dann aber berufliche Prioritäten. Seine erste Trainerstelle war die U 19 von Blau-Weiß 96 Schenefeld. 2010 wurde er Assistent von Andreas Prohn, ehe dieser am 5. April 2012 beurlaubt wurde.

Heute, nach 19 Tagen, betreut Dieterich erstmals als offizieller Hauptverantwortlicher das Team in einem Liga-Spiel. Die Partie bei Altona 93 wird um 18.45 Uhr im Stadion an der Griegstraße angepfiffen. Zuvor sprach er mit dem Hamburger Abendblatt über den Verein, seine Arbeitsweise und die kommenden Herausforderungen.

Hamburger Abendblatt: Herr Dieterich, was hat sich seit Anfang April bei Eintracht Norderstedt verändert?

Matthias Dieterich: Die Arbeitsatmosphäre. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein anderer Charaktertyp bin als Andreas Prohn. Die Spieler und ich sprechen momentan viel miteinander. Ich habe eine weniger autoritäre Art als mein Vorgänger, aber die Jungs wissen schon, dass es bei mir Grenzen gibt. Ich war schon als Assistent nicht permanent für die gute Laune zuständig.

+++ Matthias Dieterich ist offiziell neuer Eintracht-Coach +++

Es ist nicht lange her, da stand Ihr Abschied aus Norderstedt zum Saisonende bereits fest ...

Dieterich: Im Endeffekt hatte ich im vergangenen Dezember geäußert, dass ich gerne etwas Eigenes machen würde. Aber mit dem 5. April sind gewisse Mechanismen, die ich nicht beeinflussen konnte, eingetreten.

Wann gab es die endgültige Zusage? Hatten Sie stets das Gefühl, in der engeren Auswahl für den Trainerposten zu sein?

Dieterich: Das war recht kurzfristig. Die Vereinsführung und ich haben viel miteinander geredet. Ich habe immer versucht, den bestmöglichen Job zu machen. Am Montagabend, nachdem Präsident Reenald Koch im Fernsehen bei Hamburg 1 zu Gast war, haben wir uns dann entschieden, eine Pressemitteilung herauszugeben. Ich glaube schon, dass ich immer eine gute Chance hatte. Ich habe die Mannschaft erreicht und in den drei Wochen dafür Sorge getragen, dass sie sich sehr gut verkauft hat. Und vom finanziellen Aspekt her bin ich wohl nicht die teuerste Lösung.

Viele Kollegen wären gerne an ihrer Stelle. Warum ist Norderstedt so attraktiv?

Dieterich: Es existiert ein hervorragendes "Team um das Team". Wir haben ein Klubhaus, einen Platzwart mit Oliver Schaper, der immer für ein perfektes Stadion sorgt. Wir haben Said Parniani - einen Zeugwart, der immer der Erste und der Letzte und die gute Seele ist. Keiner kennt den Verein so gut wie Olaf Bösselmann. Manager Jörg Franke hat ausgezeichnete Kontakte, Präsident Reenald Koch ist ein positiv Fußballverrückter mit hohen Ansprüchen. Als Trainer kann man sich hier allein auf das Sportliche konzentrieren, das ist enorm wichtig.

Ist es ein Vorteil, dass sie die Funktionsträger bereits gut kennen?

Dieterich: Auf jeden Fall. Als "Co" stand ich nicht so in der Verantwortung wie als Chef, habe aber zwei Jahre lang die Leute hier und die Spieler kennengelernt. Es treffen unterschiedlichste Charaktere aufeinander. Aber ich würde sagen, dass ich gut beobachten kann und eine gute Auffassungsgabe habe.

Sie sind mit 29 Jahren einer der jüngsten Trainer in der Oberliga. Welchen Stil pflegen Sie?

Dieterich: Was ich mir unter Fußball vorstelle: Ich liebe hohes Tempo und bevorzuge gepflegtes Kurzpassspiel. Wir werden uns offensiv ausrichten. Aber Fußball ist Tagesgeschäft. Läuft es gut, kannst du eine junge Mannschaft massiv begeistern. Ein junger Trainer passt dazu, wenn er die jungen Spieler führen kann. Die Truppe in Norderstedt ist unglaublich hungrig und dankbar für alle taktischen Übungen, auch wenn dieses Detailtraining nicht immer Spaß macht. Für mich hat Fußball viel mit Intelligenz zu tun, ich benötige eine Mannschaft mit einem gewissen Intellekt. Es bringt nichts, wenn Leute zwar etwas lernen wollen, es aber nicht verstehen.

Von welchen Trainern haben Sie besonders viel gelernt?

Dieterich: Von fachlicher Seite habe ich keinen besseren Trainer als Andreas Prohn erlebt. Wir telefonieren auch jetzt noch viel miteinander. Es gibt einige Leute, mit denen ich mich regelmäßig austausche. Aber ältere Trainer hatten auch eine andere Ausbildung: Früher wurde mit Libero gespielt, heute verzichtet etwa der FC Barcelona fast komplett auf klassische Verteidiger.

Wie weit sind die Planungen für die nächste Saison?

Dieterich: Sie werden massiv vorangetrieben. Wir wissen jetzt, wie der Etat aussehen wird und wer uns verlässt - Marcel Kindler, Matthias Ribeau, Nick Scharkowski, Milos Ljubisavljevic, Darko Anic, Helge Kahnert. Stefan Siedschlag wird Assistenz-Trainer. Mit Johannes Höcker kommt ein sehr guter Torwart von Anker Wismar. Mario Jurkschat hat für ein weiteres Jahr unterschrieben, er ist ein Eckpfeiler. Wir wollen nur Spieler, die nicht nur sportlich, sondern auch menschlich überzeugen.

Haben es die jungen Fußballer heute schwerer?

Dieterich: Die Parameter haben sich verändert. Mario Jurkschat hatte damals bei Borussia Dortmund einen Profivertrag und konnte sich komplett auf Fußball konzentrieren. Ein Felix Schuhmann wohnt beispielsweise in Hamburg-Finkenwerder, hat sein Studium, einen Nebenjob und fährt abends zum Training nach Norderstedt. Ich bin stolz darauf, wenn junge Spieler dafür die Bereitschaft haben. Heute ist Mobilität gefordert, das verschiebt sich Stück für Stück in diese Richtung.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich für ein Spiel entscheiden. Schauen Sie dann lieber im Fernsehen die Champions League mit Barcelona gegen Chelsea oder vor Ort ein Oberliga-Nachholspiel zwischen Condor gegen Altona 93?

Dieterich: Ich muss gestehen, dass ich am Dienstag weder Barcelona noch Altona gesehen habe. Ich bin an den Wochenenden schon zu so vielen Spielen unterwegs, auch im Jugendbereich oder der Schleswig-Holstein-Liga. Ich hatte einen wunderschönen Abend mit meiner Lebensgefährtin. Das ist wichtig, um den Kopf mal zu befreien und abzuschalten.