Norderstedt/Bad Bramstedt. Stadt Bad Bramstedt weist Bürger auf Verbot hin. Und in Norderstedt diskutieren Autofahrer kontrovers und hitzig darüber.

Frostiger Morgen, das Auto steht mit Schnee überzogen oder vereisten Scheiben in der Auffahrt oder am Straßenrand in Norderstedt und man hat nur noch fünf Minuten, weil man einfach dringend losmuss. Viele Autofahrerinnen und Autofahrer schmeißen in dieser Situation einfach den Motor an, drehen Heizung und Gebläse voll auf und beginnen mit dem Freikratzen der Scheiben. Das Problem: Das ist nicht nur unnötig umweltschädlich, sondern schlecht für das Auto und vom Gesetzgeber verboten.

Die Stadtverwaltung in Bad Bramstedt hat ihre Bürgerinnen und Bürger am Freitag daran per Mitteilung erinnert. Wer beim Warmlaufenlassen des Motors erwischt wird, müsse (nach § 30 Abs. 1 StVO) mit einem Bußgeld von bis zu 80 Euro rechnen. Anzunehmen ist, dass Mitarbeitende des Ordnungsamtes in der Kurstadt darauf verstärkt ein Auge haben werden.

Norderstedt: Hitzige Diskussion auf Facebook

Unter den Autofahrerinnen und Autofahrern ist das Thema offenbar heftig umstritten. Als eine Facebook-Userin in einer öffentlichen Norderstedt-Gruppe die anderen darum bat, an die Umwelt zu denken und beim Eiskratzen nicht den Motor laufen zu lassen, bekam sie heftigen Gegenwind. Eine Mischung aus Klimawandelleugnung (Zitat: „Wir brauchen keinen der uns denunziert und belehrt, glaub ruhig euren Klimawahn der vorgegeben wird“) und Trotzreaktion („Nope mache ich nicht! Firmenwagen Diesel ohne Standheizung, es wird mit laufendem Motor gekratzt und drinne ist dann auch warm“).

Andere Teilnehmer der Diskussion zeigten sich ratlos: „Wenn die Scheiben von innen gefroren sind, bleibt einem aber nichts anderes übrig. Lieber kurz den Motor laufen lassen, als mit schlechter Sicht loszufahren und eventuell jemanden über den Haufen zu fahren.“ Es sei im Übrigen eher schwierig, ansonsten die Feuchtigkeit im Inneren des Autos zu bekämpfen: „Autoluftentfeuchter habe ich auch im Auto liegen und noch 8 mit Katzenstreu gefüllte Socken, bringen leider auch nicht viel. Die Theorie hört sich oft gut an, aber in der Praxis funktioniert es nur sehr mäßig.“

Warmlaufenlassen schont den Motor – ein Mythos

Ein anderer Norderstedter wägt ab: „Wenn ich erst nach dem Kratzen das Auto starte, sitze ich im Auto und warte bis ich was sehen kann, weil die Scheiben beschlagen sind. Wenn ich das Auto vorher starte, sind die fast frei und ich kann los. Also mach‘ ich lieber das Auto vorm Kratzen an, weil ich dann kürzer steh.“ Schlimmer seien aus seiner Sicht ganz andere Sünden: Wenn Autofahrer ihr Auto nicht komplett freikratzen und nur mit Guckloch in der vereisten Scheibe unterwegs seien oder mit verschneiten Scheinwerfern.

Andere führen ihren angeblichen, technischen Sachverstand ins Feld: „Wenn der Motor warmläuft, schont man ihn. Es ist also Quatsch, auf Umweltschädlichkeit hinzuweisen, denn ein kalter Motor verbraucht beim Fahren mehr, hinzu kommt die höhere Drehzahl bei Automatikfahrzeugen bei kalter Maschine.“

ADAC: Warmlaufen im Stand schadet der Maschine

Doch die tatsächlichen Fakten sind andere. Und darauf weist der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) hin. Tests der Ingenieure des Clubs hätten zum einen gezeigt, dass Autos durch das Laufenlassen des Verbrennermotors im Stand nicht besonders warm würden. „Nach vier Minuten Motor warmlaufen lassen bei einer Außentemperatur von minus 10 Grad hat das Motoröl gerade einmal eine Temperatur von minus 7 Grad erreicht. Und auch die Heizung im Wageninneren erzeugt mit etwa 13 Grad nur ein laues Lüftchen“, teilt der ADAC mit. Verbrannt würden in diesen vier Minuten etwa 0,1 Liter Sprit.

Und entgegen landläufiger Meinungen sei die Warmlaufphase im Stand für den Benzin- oder Diesel-Motor eines Autos sogar schädlich. Nicht alle Bauteile des Motors werden im Stand warm genug, das bedeutet, dass diese sich dann unterschiedlich stark ausdehnen, was zu höheren Verschleißerscheinungen führe.

Motor behutsam auf Leistung bringen an kalten Tagen

Zudem werde laut Auto-Bild in kalte Motoren immer ein zu fettes Gemisch eingespritzt, um die Kondensationsverluste zu überbrücken. „Diese Kondensationsverluste sind Kraftstoff, der nicht verbrannt werden kann, weil er an den kalten Zylinderwänden kondensiert, also wieder zu Tröpfchen wird. Diese Tröpfchen waschen – und das zählt besonders für Benziner – den Ölfilm von der Zylinderwand und sorgen somit ebenfalls für einen höheren Verschleiß“, schreiben die Auto-Experten der Bild. Lediglich bei Lastwagen gebe es technische Gründe, die ein Warmlaufen im Stand nötig machten, so der ADAC. Allerdings ist das zu lange Laufenlassen ebenfalls strafbewährt.

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Hersteller von Autos weisen darauf hin, dass moderne Autos heute kein Warmlaufen mehr nötig hätten und so gefertigt seien, dass sie auch bei tiefen Temperaturen sofort und in vollem Umfang betriebsbereit seien. Jedoch raten die Auto-Bild-Experten zu einem bewährten Verhalten: Man sollte den Motor starten und sich erst dann anschnallen. Die kurze Laufphase reiche, um Schmiermittel gleichmäßig im Motor zu verteilen. Bei niedrigen Temperaturen, sollte man danach nicht gleich Vollgas geben, sondern den Motor behutsam auf Leistung bringen.

Standheizung und Frostschutzfolien gegen vereiste Scheiben

Und die vereisten Scheiben? Der ADAC rät zur Standheizung, wenn man das Auto unter freiem Himmel parkt. „Diese lässt sich per Fernbedienung starten oder auf eine bestimmte Uhrzeit programmieren. So kann man auch bei Minus-Temperaturen ins enteiste und vorgewärmte Auto einsteigen und sofort losfahren“, teilt der Club mit.

Eine günstige Alternative seien Frostschutzfolien, die über das Fahrzeug gelegt und fixiert werden. „Allerdings decken diese Folien oft nur die Frontscheibe ab. Seiten- und Heckscheiben müssen dennoch freigekratzt werden.“