An zwei Straßen bremst die Stadt zum Schutz der Anwohner von 22 bis 6 Uhr den Verkehr aus. Die wünschen sich generell Tempo 30.

Norderstedt. So um 4 Uhr nachts, sagt Horst Peter, 75, geht es auf der Poppenbütteler Straße mit den Lastwagen los. Schwere Zugmaschinen mit Anhänger rollen mit ihren brummenden Dieselmotoren vorbei. Ihre schweren Reifen knallen in die Vertiefungen für die Gullydeckel. Die Schläge hören Peter und die anderen Anwohner bis ins Schlafzimmer. "Und manchmal, wenn ich nachts mal raus muss, dann sehe ich die Motorradfahrer. Die rauschen nachts gerne mal mit 140 Sachen die Poppenbütteler runter", sagt der ehemalige Medizintechniker.

Die Stadt Norderstedt will jetzt dafür sorgen, dass Horst Peter und die anderen Menschen an der Poppenbütteler Straße besser schlafen können. Auf einem 350 Meter langen Teilstück zwischen der Einmündung des Lindenwegs und des Glashütter Damms hat die Stadt ab sofort und für die Dauer einer einjährigen Pilotphase nächtliches Tempo 30 zwischen 22 und 6 Uhr angeordnet. Ebenso verfahren wird auf der Niendorfer Straße. Auf dem Abschnitt zwischen der Einmündung der Kirchenstraße und der Ochsenzoller Straße müssen die Autofahrer von 22 Uhr an für den Lärmschutz auf die Bremse drücken.

"Das ist sehr gut", sagt Rita Quaas. Die Mutter zweier Töchter wohnt mit ihrer Familie gleich neben Horst Peter an der Poppenbütteler Straße. Die Reihenhäuser sind zwar durch einen etwa drei Meter hohen und mit Bäumen bewachsenen Erdwall von der Hauptverkehrsstraße abgeschirmt. Doch der Straßenlärm kriecht über den Wall. "Wir schlafen hinten raus. Mein Mann ist nicht so lärmempfindlich wie ich. Nachts habe ich immer Ohropax drin. Sonst geht gar nichts", sagt Rita Quaas. Tempo 30 in der Nacht ist aus ihrer Sicht nur der erste Schritt zur Besserung. "Tempo 30 den ganzen Tag wäre besser."

Genau das ist das Ziel für die nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzung. "Wir möchten schauen, ob sich durch die Einführung der nächtlichen Geschwindigkeitsreduzierung eine deutlich verbesserte Situation für die Anwohner ergibt", sagt Herbert Brüning, Leiter des Fachbereichs Umwelt. Gute Ergebnisse in den beiden Streckenabschnitten liefern gute Argumente gegenüber den Straßenverkehrsbehörden für eine generelle Einführung von Tempo 30.

So einfach ist es nämlich nicht, Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen einzuführen. Es muss immer eine ausreichende "Gefahrenlage" vorliegen, um den Verkehrsfluss zu stören. Ob die Gesundheitsgefährdung der Anwohner durch Straßenlärm dafür ausreichend ist, wurde juristisch längst entschieden - im Sinne des lärmgeplagten Anwohners, sagt Brüning. In der Behördenpraxis stehe das Verkehrsrecht aber immer noch allzu oft über dem Gesundheitsschutz. "Besonders in Schleswig-Holstein geht Verkehrsfluss immer noch vor Lärmschutz", sagt Brüning. In anderen Bundesländern, etwa in Berlin, sei das anders. "Da wird regelmäßig Tempo 30 angeordnet, wenn Bürger Lärmbelastung beklagen."

Der 2008 für Norderstedt beschlossene Lärmaktionsplan hatte diverse Straßenabschnitte in Norderstedt identifiziert, an denen viele Menschen besonders hoch durch Lärm belastet werden. Auf dieser Basis wurden vertiefende Untersuchungen gemacht, so Brüning. Und die brachten Rechtssicherheit für die Einführung von Tempo 30 auf den Abschnitten der Poppenbütteler Straße und der Niendorfer Straße. Es wurde nachgewiesen, dass die Anlieger nachts einer sehr hohen Lärmbelastung von mehr als 60 Dezibel ausgesetzt sind. Die Straßenverkehrsordnung sieht in diesem Fall eine Geschwindigkeitsreduzierung zum Schutz der Wohnbevölkerung vor.

"Die Ohren sind das einzige Sinnesorgan, das wir auch im Schlaf nicht abstellen können", sagt Brüning. Wer also jede Nacht oft auch unbewusst unter Lärm in der Stärke von 60 Dezibel leidet, hat Gesundheitsschädigungen zu befürchten. 60 Dezibel sind gar nicht mal so laut. Vergleichbar mit einem lauten Gruppengespräch in einer Kneipe oder dem Rattern eine Nähmaschine. Doch die beständige Belastung mit Lärm dieser Intensität kann laut Studien zu Bluthochdruckerkrankungen oder psychischen Problemen führen.

"Die Geschwindigkeitsreduzierung von 50 km/h auf 30 sorgt für eine Lärmminderung von rechnerisch knapp drei Dezibel. "Dies entspricht in etwa einer Halbierung der Schallquelle, ist also ähnlich wirkungsvoll wie eine Senkung der Verkehrsmenge um 50 Prozent", sagt Brüning.

Damit der Autofahrer bei der Geschwindigkeitsreduzierung auch mitmacht, will die Stadt "Dialogdisplays" an der Straßenabschnitten aufstellen, die die gefahrene Geschwindigkeit anzeigen oder sich mit einem "Dankeschön" bei Langsamfahrern bedanken. "Denkbar sind auch Displays, die gleichzeitig die tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten der Autos speichern. Dann hätten wir gleich die wichtige Statistik für den Versuch", sagt Brüning. Selbstredend wird auch die Polizei mit einem Blitzgerät ab und zu das Verhalten der Autofahrer dokumentieren.