Wurde die Grundsteuer falsch berechnet? Im Rathaus und beim Finanzamt gehen Hunderte Einsprüche ein. Fristende: 31. Dezember.

Kreis Segeberg. Im Finanzamt Bad Segeberg und in der Außenstelle Norderstedt häufen sich in diesen Tagen die Briefe: Viele Grundbesitzer nutzen bis zum 31. Dezember noch die Chance, Einspruch gegen die erhobene Grundsteuer einzulegen. Denn die steht derzeit auf dem Prüfstand: Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob die Bemessung der Steuer gegen das Grundgesetz verstößt. Auch die Bürgermeister der Städte und Gemeinden erwarten die Entscheidung mit Spannung. Denn eine Rückzahlung der Steuer würde viele Kommunen vor unüberwindliche finanzielle Probleme stellen.

Beim Finanzamt in Bad Segeberg sind "vermehrt" Anträge eingegangen

Die Grundsteuer steht derzeit auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts, weil ihre Bemessung nach Einheitswerten möglicherweise gegen das Grundgesetz verstößt. Es ist deshalb nach Einschätzung von Experten gut möglich, dass die geltende Regelung und damit die rechtliche Basis für die Grundsteuer entfällt. Seitdem in einer ZDF-Sendung kurz vor Weihnachten Hausbesitzer aufgefordert wurden, bis zum 31. Dezember 2011 die Aufhebung des Einheitswertbescheides zu beantragen, werden die Finanzämter überschwemmt. Das schleswig-holsteinische Finanzministerium formuliert es zurückhaltend: Eine genaue Zahl könne kurzfristig nicht ermittelt werden, aber es seien "vermehrt" Anträge eingegangen.

Im Kreis Segeberg gibt es rund 83 000 Grundstücksbesitzer, davon alleine 26 000 in Norderstedt. So ist es auch kein Wunder, dass die Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke einen erheblichen Anteil an den Einnahmen der Kommunen hat. In Norderstedt betragen die Einnahmen in diesem Jahr 13 042 600 Euro (plus 47 700 Euro Grundsteuer B für landwirtschaftliche Flächen). Für eine Rückzahlung in Frage kämen Grundsteuern, die seit 2007 gezahlt wurden. Eine derartige Rückzahlung könnte die Stadt finanziell in die Knie zwingen.

Die jüngsten Proteste gegen die Erhöhung der Grundsteuer in Norderstedt liegen gerade mal drei Wochen zurück: Der Grundeigentümerverein Haus & Grund sammelte 1600 Unterschriften gegen die Anhebung der Grundsteuer B von 260 auf 410 Prozentpunkte. Auf diese Erhöhung hatten sich die Politiker bereits im Sommer geeinigt, um den Haushalt angesichts ausbleibender Gewerbesteuereinnahmen und einer erhöhten Kreisumlage auszugleichen. Der neue Hebesatz wurde im Nachtragshaushalt festgeschrieben und mit der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2012/2013 Mitte Dezember in die nächsten beiden Jahre übernommen.

+++ 1600 Hausbesitzer protestieren gegen Erhöhung der Grundsteuer +++

+++ Grundsteuer auf dem Prüfstand +++

Norderstedts Kämmerer Wulf-Dieter Syttkus hat etwa 100 Brief erhalten

Nicht nur beim Finanzamt, sondern auch bei der Stadt Norderstedt sind in den vergangenen Tagen Anträge auf Aufhebung des Einheitswertbescheides oder Einsprüche dagegen eingegangen: Etwa 100 Briefe hat Wulf-Dieter Syttkus, Leiter des Amtes für Finanzen in der Stadtverwaltung, gezählt. "Das liegt wahrscheinlich an den Protesten gegen die Grundsteuererhöhung", sagt der Amtsleiter. "Wir leiten die Briefe rechtzeitig an das Finanzamt weiter." Denn die Stadt Norderstedt ist die falsche Adresse. Zwar wird hier die Grundsteuer erhoben, aber für den Einheitswert und den Grundsteuermessbetrag sind die Finanzämter zuständig.

Der Hintergrund: Beim Bundesverfassungsgericht ist derzeit eine Beschwerde anhängig, in der auch die Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung angezweifelt wird. Das Bewertungsgesetz stammt von 1964.

Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Finanzministeriums können Anträge auf eine Aufhebung des Einheitswert-Bescheides auch noch nach dem 31. Dezember 2011 gestellt werden. Einsprüche hingegen müssten fristgerecht nach Erteilung des Einheitswertbescheides gestellt werden - und diese Frist ist abgelaufen, wenn der Kauf des Hauses länger als ein paar Wochen zurückliegt.

Ministerium bezweifelt, dass die Einsprüche Erfolg haben werden

Ob Anträge oder Einsprüche allerdings den Erfolg haben, dass Grundsteuer zurückgezahlt wird, bezweifelt Matthias Günther, Sprecher des Finanzministeriums: "Sollten die Richter die Verfassungsmäßigkeit verneinen, ist denkbar, dass sie dem Gesetzgeber eine Frist aufgeben, innerhalb der er die Einheitsbewertung neu geregelt haben muss. Dies kann aber nur für die Zukunft gelten." Das hätte wahrscheinlich diese Auswirkungen: Die aktuellen Einheitswerte als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer müssten aktualisiert werden. Die Grundsteuerzahler würden kein Geld zurückbekommen. Erste Schritte in diese Richtung werden bereits unternommen: Zur Zeit berät eine Arbeitsgruppe der Länder-Finanzminister über eine aufkommensneutralen Reform der Grundsteuer. Eine Entscheidung über die Anträge wird wahrscheinlich ausgesetzt, die Verjährung ist gehemmt.

Auch Norderstedts Stadtkämmerer Wulf-Dieter Syttkus kann sich nicht vorstellen, dass Grundsteuer zurückgezahlt wird, wenn die Richter die Verfassungsmäßigkeit des Bewertungsgesetzes verneinen.