96 Bewohner mussten das Hochhaus in Kaltenkirchen verlassen. Die Feuerwehr kritisiert erneut gravierende Mängel beim Brandschutz.

Kaltenkirchen. Die Bewohner des " Großen Karls " in Kaltenkirchen sind nur knapp einer Katastrophe entronnen. In der Nacht zum Dienstag stand unterm Dach des 14-stöckigen Hochhauses eine Fläche von 200 Quadratmetern in Flammen. Da der automatische Rauchabzug nicht funktionierte und mehrere Brandschutztüren offen standen, zog der Rauch bis in den achten Stock. 96 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Sie überstanden das Unglück unverletzt.

Die Einsatzleitung forderte Wehren aus der gesamten Region zur Unterstützung an, da zunächst unklar war, ob die Bewohner das Gebäude durch die Treppenhäuser verlassen konnten oder mit Drehleitern in Sicherheit gebracht werden mussten. 300 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Hilfsorganisationen und Rettungsdienst schickten 60 Helfer, die die Betreuung der Bewohner übernahmen.

+++Großer Karl soll schöner und sicherer werden+++

Ein Bewohner des Hauses hatte gegen 1.20 Uhr den Rauch bemerkt und die Feuerwehr gerufen. Als der Alarm in der Wache auflief, waren die ehrenamtlichen Helfer gerade erst von einem anderen Einsatz zurückgekehrt und konnten sofort wieder ausrücken. Als die ersten Fahrzeuge drei Minuten später am Unglücksort am Flottmoorring eintrafen, quoll aus dem obersten Stockwerk dichter Qualm, der durchs Haus zog. Unterm Dach standen mehrere Verschläge in Flammen. "Es bestand eine nicht unerhebliche Gefahr für die Bewohner", berichtete Kaltenkirchens Feuerwehrchef Thomas Schwedas. "Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, ob wir die Menschen gefahrlos aus dem Haus bekommen."

Die Feuerwehren aus Kaltenkirchen, Bad Bramstedt, Henstedt-Ulzburg, Norderstedt, Quickborn, Oersdorf, Nützen, Winsen, Lentföhrden und Alveslohe waren im Einsatz. Vier Drehleitern und ein Teleskopmastfahrzeug wurden bereitgestellt, um die Bewohner über die Balkone retten zu können.

Dass der Qualm durchs Haus ziehen konnte, führt Schwedas auf die defekten Rauchabzugsklappen in den Treppenhäusern zurück. Sie sollen sich bei einem Brand automatisch öffnen, sodass der Rauch ins Freie abziehen kann und die Flure als Fluchtwege erhalten bleiben. Außerdem stellten die Feuerwehrleute fest, dass Brandschutztüren defekt oder geöffnet waren. "Wären die Türen zu, wäre alles nicht so dramatisch gewesen", sagt Schwedas.

Unterm Dach kämpften mehrere Löschtrupps gegen die Flammen. Dabei zogen sich drei Feuerwehrleute Rauchvergiftungen zu. In den Stockwerken darunter gelang es den Einsatzkräften, die Treppenhäuser so weit zu belüften, dass die Menschen sicher ins Freie gelangen konnten. Vor dem Gebäude wurden sie von Rot-Kreuz-Helfern in Empfang genommen und mit Mannschaftstransportwagen zur Feuerwache gefahren. Dort wurden sie mit heißen Getränken und Brötchen versorgt.

Der Einsatz dauerte Stunden. Danach wurden sämtliche Flure und Treppenhäuser belüftet. Erst gegen 5 Uhr konnten fast alle Menschen in ihre Wohnungen zurückkehren. Die Stadtverwaltung brachte einen Mann in einer Pension unter. Seine Wohnung ist unbewohnbar, nachdem dort große Mengen von Löschwasser eingedrungen waren.

Der Gestank von verbrannten Kunststoffen und Holz hing noch am späten Vormittag im gesamten Haus. Die Kriminalpolizei sperrte den Brandort ab und übernahm die Ermittlungen. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Wehrführer Schwedas informierte gestern Morgen die Brandschutzexperten der Kreisverwaltung in Bad Segeberg, die bereits seit Monaten von Vermieter Gerd Thormählen fordern, die Vorschriften einzuhalten. Das Gebäude mit dem Spitznamen "Großer Karl" gilt als sozialer Brennpunkt und gerät regelmäßig wegen gravierender Sicherheitsmängel und unzumutbarer Wohnbedingungen in die Schlagzeilen.

Bereits im Februar mussten Teile des "Großen Karl" evakuiert werden

Im Februar waren große Teile des "Großen Karl" schon einmal wegen eines Feuers evakuiert worden. Damals war im obersten Stockwerk Sperrmüll in einem Raum in Flammen aufgegangen, der für die Abfallentsorgung genutzt wurde. 200 Menschen mussten bei dichtem Schneetreiben das Haus verlassen. Der Schutt, der bei dem Brand entstanden war, lag noch Monate danach in dem Raum. Als die Feuerwehr im April ins Haus gerufen wurde, weil wieder einmal ein Fahrstuhl stecken geblieben war, entdeckten die Einsatzkräfte, dass Bewohner weiteren Sperrmüll auf dem Schutt abgeladen hatten. Bei einem Feuer hätten sich Flammen erneut schnell ausbreiten können.

Bei einem weiteren Feuer im Mai sprach die Feuerwehr von einer "extremen Verrauchung". Unbekannte hatten Altpapiercontainer im Keller angezündet. Da die Brandschutzvorrichtungen nicht funktionierten, breitete sich der Qualm wie in einem Kamin in dem Gebäude aus. Die Feuerwehr zog für eine erneute Evakuierung Rettungskräfte aus dem gesamten Umland zusammen, ordnete jedoch keine Räumung an.

Brandschutzexperten stellten danach bei einer Begehung zahlreiche Mängel fest und setzten dem Vermieter Gerd Thormählen Fristen für die Beseitigung. Bei einer weiteren Begehung Anfang Dezember stellten die Fachleute fest, dass immer noch nicht alle Mängel behoben waren und forderten von Thormählen Nachweise, dass er die Reparatur in Auftrag gegeben hat. Diese Nachweise liegen inzwischen vor und werden jetzt überprüft.

(abendblatt.de)