Stadtteilmanager Wulf Dau-Schmidt zeigt, wie die Sanierung der berüchtigten Wohnblocks in Kaltenkirchen gelingen könnte.

Kaltenkirchen. Die Brandschutztüren stehen weit offen. Durch die Fenster pfeift der Wind. In den Grünanlagen liegt der Müll. In den Fahrstuhl gehen die Bewohner nur ungern. Manchmal bleibt er einfach stehen, häufig stinkt es in der Kabine nach Urin. Der letzte Laden in der Umgebung hat schon lange geschlossen.

Diese Szenerie der Verwahrlosung hat zwei Schauplätze: das Mehrfamilienhaus mit dem Spitznamen "Großer Karl" in Kaltenkirchen im Jahr 2011 und die Hochhäuser am Hainholzer Damm in Elmshorn im Jahr 2003. Damals verband ein Name die Gebäude in den beiden Städten: Gerd Thormählen, Immobilienunternehmer und Eigentümer.

Heute haben die Häuser kaum noch etwas gemeinsam: Häuser und Viertel in Elmshorn wurden komplett saniert, Thormählen musste verkaufen. Nur der "Große Karl" in Kaltenkirchen ist von seinem Immobilienimperium übrig geblieben - und rottet vor sich hin. Wer hier wohnt und seine Adresse preisgibt, kennt die Gedanken seines Gegenübers: Wieder einer aus dem Getto. Abendblatt-Redakteur Wolfgang Klietz hat sich am Hainholzer Damm umgesehen und Stadtteilmanager Wulf Dau-Schmidt gefragt, ob die Sanierung in Elmshorn Vorbild für Kaltenkirchen sein könnte.

Die Fenster sind neu, Fassaden wurden gestrichen, die Wärmedämmung funktioniert. Auf dem Spielplatz toben die Kinder. Die Wege führen durch gepflegte Rasenflächen. Zum Viertel gehören Filialen von Edeka, Aldi und der Sparkasse. So sieht es heute rund um den Hainholzer Damm in Elmshorn aus. In seinem Büro im Erdgeschoss eines zehnstöckigen Hauses hat Dau-Schmidt einen guten Überblick über die Veränderung des Quartiers. An einer Pinnwand hängen die alten Fotos aus dem Jahr 2003. Hinter seinem Fenster spielt sich das Leben des sanierten Stadtteils ab.

Wulf Dau-Schmidt ist Sozialpädagoge und studierter Stadtplaner

"Thormählen handelt nach dem Prinzip: Was ich bezahlen muss, mache ich nicht", sagt Dau-Schmidt und zeigt auf Fotos an der Wand. Ähnlich wie in Elmshorn sah es damals in den anderen Thormählen-Objekten in Wedel, Uetersen, Itzehoe und Kaltenkirchen aus. Die Häuser verfielen. Die Viertel entwickelten sich zu Brennpunkten, die den Bürgermeistern zunehmend Sorgen um die Sicherheit der Menschen, aber auch um den Ruf der Stadt bereiteten.

Außerdem wollte die Verwaltung sicherstellen, dass die Häuser in Schuss sind, deren Bewohner Hilfe vom Staat bei den Mietzahlungen bekommen. Dau-Schmidt: "Wir können nicht mit öffentlichen Mitteln das Chaos finanzieren." Elmshorn setzte auf die Arbeit des Stadtteilmanagers, der zwei Kompetenzen in einer Person vereinigt: Der Kieler ist Diplom-Sozialpädagoge und studierter Stadtplaner. Er wird zu je einem Drittel von Bund, Land und Stadt finanziert.

Elmshorn gelang es, ins Programm "Soziale Stadt" aufgenommen zu werden und Fördermittel für die Sanierung von Vierteln zu erhalten, die als vernachlässigt gelten und in denen überdurchschnittlich viele arme Menschen und Ausländer leben. "Ich habe versucht, mit Thormählen zu kooperieren", sagt Dau-Schmidt. Doch er habe schnell erkennen müssen: "Mit dem ging das nicht." Obwohl der ehemalige Wollfabrikant monatlich Mieten bis zu 300.000 Euro allein in Elmshorn einnahm, gelang es Dau-Schmidt und Thormählen nicht, sich auf einen Plan für die Zukunft zu verständigen.

Damit war der Zeitpunkt für Plan B gekommen, der im Elmshorner Stadtteilbüro entwickelt worden war. Eine konzertierte Aktion begann, an der viele Institutionen mitwirkten. Die Brandschutzbehörden beließen es nicht mehr bei Ermahnungen, sondern drohten mit der Räumung ganzer Wohnblocks auf Kosten des Vermieters. Thormählen wurde in den Medien als Vermieter geoutet, der seinen Pflichten nicht nachkommt. Die Bürgermeister verkündeten im Jahr 2005 öffentlich, dass sein Verhalten den Ruf der Städte schädige und prangerten sie Geschäftspraktiken an.

Die Kampagne zeigte Wirkung. "Die Banken haben diese Geschichten mitbekommen", berichtet Dau-Schmidt. "Die wurden nervös." Die Sorge, dass Thormählen Kredite nicht mehr bedienen könne, führte zu einem enormen Druck der Geldgeber und dem erhofften Ergebnis bei den Sanierern: Thormählen musste seine Häuser verkaufen. Im Jahr 2006 übernahm die Kapitalgesellschaft Colonia die Blocks in Elmshorn. "Kein einfacher Partner", räumt Dau-Schmidt ein. "Das Unternehmen ist stark renditeorientiert."

Nach der Übernahme erklärte die Stadt das Viertel zum Sanierungsgebiet und sicherte sich damit ein Mitspracherecht. Im Viertel begannen die Arbeiten, auf die die Bewohner so lange gewartet hatten: Die Colonia investierte 40 Millionen Euro in die Sanierung der Wohnblocks in Elmshorn und Itzehoe, in denen rund 1500 Menschen leben. Ein Einkaufszentrum entstand.

Die Ergebnisse waren erstaunlich. Seitdem die Fassaden neu gestrichen waren, tauchten kaum noch Graffiti auf. Der Vandalismus bei Parkbänken und Tischen ging zurück, weil die Bewohner sie selbst gebaut hatten. Die Colonia hatte lediglich das Material gestellt.

Ein Stadtteilverein mit 70 Mitgliedern unterstützt die Arbeit im Quartier

"Wenn das Umfeld gut ist, wachsen die Chancen, dass es so bleibt", sagt Dau-Schmidt. Verwahrloste Häuser und Flächen führen hingegen zu immer neuen Vandalismusschäden. Aktuelles Beispiel: Vor einem Wohnblock schrauben Deutsche, Polen und Russen gemeinsam ihre Sitzecke zusammen. "Das macht keiner kaputt", sagt Dau-Schmidt. Ein Stadtteilverein mit etwa 70 Mitgliedern unterstützt die Arbeit im Quartier. Zum Programm gehören ein Stadtteil-Café und gemeinsame Aktionen. Im vergangenen Jahr feierten die Bewohner ein Kulturfest mit vielen Attraktionen. Auch eine Vertreterin der Colonia ist Mitglied des Vereins.

Der "Große Karl" ist die letzte Immobilie, die Thormählen noch gehört. Zwar hatte die Stadt Kaltenkirchen 2005 die Praktiken des Vermieters ebenfalls öffentlich angeprangert, hatte sich aber nicht den energischen Sanierungszielen der anderen Kommunen angeschlossen. "Man muss sich gemeinsam zusammenfinden", rät Dau-Schmidt den Kaltenkirchenern. "Dann kann es auch klappen."