Krankenkasse bezahlte die Operation erst nach massivem öffentlichen Druck

Norderstedt. Die Krankheit traf ihn völlig überraschend. Innerhalb von nur drei Wochen hatte Jos Geyer, 17, den Großteil seiner Sehfähigkeit auf dem linken Auge verloren. Am 12. Mai zogen der junge Norderstedter und seine Mutter Christiane die Notbremse. Sie fuhren ins Klinikum Nord und hatten zunächst mal Glück im Unglück: Die Oberärztin und Augenspezialistin, die Jos untersuchte, fand die Ursache auf Anhieb. Keratokonus heißt die tückische Augenkrankheit, die innerhalb kürzester Zeit zur Erblindung führen kann (s. Info-Kasten).

Schnelle Hilfe war erforderlich, und die Medizinerin, die sich auf diese Erkrankung spezialisiert hatte, wies den Weg. Entweder eine sofortige Operation nach der sogenannten Cross-Linking-Methode oder eine Hornhaut-Transplantation. "Da es für die Verpflanzung der Hornhaut eine lange Warteliste mit mehr als 1000 Betroffenen gibt, haben wir uns für das andere Verfahren entschieden", sagte Christiane Geyer. Cross-Linking ist eine Methode zur mechanischen Stabilisierung von Geweben. Der Verlust der Sehfähigkeit lässt sich damit stoppen, die alte Sehstärke aber nicht mehr herstellen. Doch auch hier musste die Familie schnell handeln, da die Hornhaut schon so dünn war, dass eine Operation fast nicht mehr möglich war.

Die DAK argumentierte, die Operation sei noch nicht ausreichend erprobt

700 Euro sollte der Eingriff kosten. Christiane Geyer ging noch am selben Tag zu ihrer Krankenkasse, um sich die Zusage für die Übernahme der Kosten zu holen. Doch die DAK in Norderstedt lehnte die Kostenübernahme ab. Die Operation sei keine Regel- und Kassenleistung. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen wurde eingeschaltet, der Vorgang landete in Kiel. Doch es blieb beim Nein. Zum einen sei der Krankheitsverlauf ungewiss, die zunehmende Erblindung könne auch jederzeit stoppen. Zum anderen sei das Operationsverfahren noch relativ neu und nicht ausreichend erprobt, hieß es zur Begründung. "Dem ist zu entgegnen, dass dieses Verfahren bereits seit mehr als zehn Jahren erfolgreich eingesetzt wird, und wissenschaftliche Studien die Effizienz dieser Operationstechnik schon 2006 belegt haben", sagt Christiane Geyer, die Widerspruch gegen die Entscheidung der Kasse einlegte.

Sie bezahlte den Eingriff aus eigener Tasche, um nicht weitere wertvolle Zeit zu verlieren. Jos brauchte zwei Versuche, bis der unangenehme Teil der Operation überwunden war. Beim Cross-Linking wird im ersten Schritt das Epithel der Hornhaut (Schicht der Hornhaut) entfernt. Und zwar im Sitzen, bei vollem Bewusstsein. "Mein Sohn wurde ohnmächtig, sodass wir zwei Termine brauchten", sagt die Mutter. Das Abschaben der Hornhaut ist notwendig, damit die Augentropfen, die das Vitamin B2 enthalten, in die Hornhaut geträufelt werden können. Anschließend wird die Hornhaut mit UV-Licht behandelt.

Die Norderstedterin, selbst im medizinischen Bereich tätig, wollte die Ablehnung der Krankenkasse nicht kommentarlos hinnehmen. Sie schaltete einen Rechtsanwalt ein und wandte sich an die Medien. So landete der Vorgang bei der DAK-Zentrale in Hamburg. "Unsere Experten haben sich den Fall nochmals angesehen und sind trotz der Bedenken, die die Kollegen hatten, schließlich zu einer anderen Auffassung gekommen", sagt DAK-Sprecher Gerd Reinartz. Die Kasse zahlt die Operation und übernimmt auch die Folgekosten.

Die kommen auf jeden Fall. Wenn sich die Sehstärke auf dem operierten Auge stabilisiert, wird Jos spezielle Kontaktlinsen tragen. "Damit schafft er 30 Prozent Sehleistung und kann wieder räumlich sehen", sagt die Mutter, die davon ausgeht, dass auch das andere Auge ihres Sohnes operiert werden muss.

Sie begrüßt es zwar, dass die DAK letztlich die Kosten übernimmt, aber: "Ich empfinde das Verhalten der Krankenkasse als skandalös. Unsere Familie war glücklicherweise in der Lage, die Kosten für die Operation privat aufzubringen. Ich frage mich aber, was Familien machen sollen, die über keine Rücklagen verfügen."