Noch am Morgen hatte die Polizei bei einer Razzia Waffen sichergestellt. Die Menschen der Mahnwache bejubelte den Auszug der Extremisten.

Faßberg/Lüneburg. Gekommen sind die Neonazis vor über zwei Wochen heimlich, bei Nacht, haben Schlösser aufgebohrt, das Hotel in Faßberg besetzt. Gestern bei strahlendem Sonnenschein gegen 15.30 Uhr war es endlich so weit: Sieben meist junge Männer und ein junges Mädchen - alle vermummt - kommen gezwungenermaßen aus dem verwahrlosten Hotel, ziehen ab. Das löste Jubel aus und Klatschen bei der Schar von Hunderten Gegendemonstranten, die seit der Besetzung immer wieder hergekommen sind - zur Mahnwache gegen das, was ihr Bürgermeister Hans-Werner Schlitte "braunen Spuk" nennt.

Eine Frau gesteht unumwunden, dass sie Angst gehabt hat vor den meist kräftigen und aggressiv auftretenden jungen Neonazis, und eine andere Demonstrantin warnte gestern auch vor zu großer Freude: "Das ist noch nicht vom Tisch." Tatsächlich ist die Räumung nur ein Etappensieg bei dem Versuch zu verhindern, dass in der 7000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Celle ein NPD-Schulungszentrum entsteht.

Bei der Besetzung hat der Hamburger Anwalt und Neonazi Jürgen Rieger die Fäden gezogen, gestern aber hat das Landgericht Lüneburg ihm einen ersten Strich durch die Rechnung gemacht. Die Besetzung des Hotels durch seine Anhänger war eine "verbotene Eigenmacht", verletzte die Rechte des Zwangsverwalters, der das Gebäude im Auftrag der Gemeinde versteigern soll. Allerdings machte das Gericht auch deutlich, dass es sich hier nur um eine "vorläufige Besitzausübungsregelung handelt". Erst im Hauptsacheverfahren wird sich zeigen, ob Riegers Pachtvertrag für das Hotel Bestand hat oder ob dieser Vertrag sittenwidrig ist und zudem möglicherweise nachträglich geschlossen wurde. Das will der Zwangsverwalter beweisen.

Immerhin: Das Gebäude steht wieder leer, die Neonazis sind weg, und Günter Heiß, Chef des Verfassungsschutzes in Niedersachsen, zeigte vor Ort in Faßberg offen Genugtuung: "Rieger hat den Mund zu voll genommen, er ist jetzt der Getriebene." Das spielt an auf die Einschätzung des Verfassungsschützers, dass Rieger im Fall Faßberg unter Erfolgszwang steht. Er ist Vizechef der rechtsextremistischen NPD, für die er schon lange ein solches Schulungszentrum sucht. Bei Versuchen in Dörverden, Hameln und Delmenhorst ist er bereits gescheitert.

Dass die Polizei durchgreift, wo immer möglich, haben die Rieger-Anhänger in Faßberg nicht nur zu spüren bekommen, als sie packen mussten: Sie sind gestern bereits unsanft und früh geweckt worden. Um 5.15 Uhr bereits ist die Polizei angerückt, hat über mehrere Stunden das weitläufige Gelände und den Hotelkomplex sowie zwei Wohnungen in Rotenburg und Hannover durchsucht. Gefunden wurden drei Schreckschusspistolen, Waffenattrappen, ein Schlagring, ein Butterflymesser, ein Teleskopschlagstock. Vier Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren, die im Hotel waren, wurden in die Obhut des Jugendamtes gegeben.

Politiker diskutieren darüber, ob man Rieger nicht grundsätzlich das Handwerk legen kann. Die niedersächsischen Grünen etwa verlangen, ihm die Anwaltslizenz zu entziehen: "Wer so offenkundig und wiederholt gegen Recht und Gesetz verstößt, ist als Organ der Rechtspflege untragbar." Die Linksfraktion im Landtag verlangt von Innenminister Uwe Schünemann (CDU), "die Gefahr des Rechtsextremismus endlich ernst zu nehmen". Konkret soll Schünemann die "Kameradschaft 73 Celle" verbieten. Deren Mitglieder waren in Faßberg als "Bewachungspersonal" aktiv. Jetzt ist ein richtiger Sicherheitsdienst vor Ort, im Auftrag des Zwangsverwalters.