Zwei Unterseekabel von Norwegen nach Norddeutschland sollen reichlich Energie aus Wasserkraft liefern und Atomkraftwerk ersetzen.

Hannover. Für alle Berechnungen über einen deutschen Ausstieg aus der Kernenergie ist der weitere Ausbau der Windkraft entscheidend. Deren größtes Handicap ist allerdings, dass der Wind nicht zuverlässig genug für eine sichere Versorgung von Haushalten und Industrie weht. Für Abhilfe soll ab 2015 das fast 650 Kilometer lange und leistungsstärkste Gleichstromkabel der Welt sorgen, das Niedersachsen mit Norwegen verbinden wird.

Das Unternehmen NorGer teilte in Hannover mit, dass das Raumordnungsverfahren für die Leitung mit 1400 Megawatt (MW) abgeschlossen ist. Diese Leistung entspricht der Produktion eines großen Atomkraftwerks. Außerdem werden heute in Kiel Pläne für eine zweite Leitung vorgestellt, die von Norwegen nach Schleswig-Holstein führen soll.

Das Prinzip ist einfach. In Norddeutschland werden immer mehr leistungsstarke Windkrafträder errichtet. Bei Starkwind nimmt Norwegen künftig Windstrom aus Deutschland ab und schont so seine Wasservorräte oder füllt seine Pumpspeicherbecken. Bei Windflaute und Bedarfsspitzen in Deutschland speist dann Norwegen Strom aus Wasserkraft in das Kabel ein. Über 600 Kilometer der Stromtrasse verlaufen auf dem Grund der Nordsee, bei Butjadingen nahe Wilhelmshaven kommt das Kabel an Land, führt die letzten 47 Kilometer unterirdisch bis nach Moorriem in der Gemeinde Elsfleth.

Hier in der Wesermarsch liegt auch das Kernkraftwerk Unterweser mit 1345 MW Leistung, das zusammen mit sechs weiteren Reaktoren seit der Atomkatastrophe in Japan abgeschaltet ist. Sollte es bei dieser Abschaltung bleiben, will das Unternehmen NorGer prüfen, ob man statt der geplanten Konverterstation für die Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom bei Moorriem nicht das weniger als 30 Kilometer entfernte Umspannwerk des alten Atommeilers nutzen könnte. Dies wäre aus Sicht des Unternehmens auch deshalb von Vorteil, weil sich gegen den anderen Standort örtlicher Protest formiert hat. Der Bürgerinitiative aber geht es ausdrücklich nur um den richtigen Platz für die Konverterstation.

1,4 Milliarden Euro hat NorGer für das Projekt veranschlagt, der staatliche norwegische Stromnetzbetreiber Statnett hält 50 Prozent, den norwegischen Energie-Unternehmen Agder Energi und Lyse Produksjon sowie dem Schweizer Energiehandelsunternehmen EGL gehören je 16,66 Prozent der Anteile. Gehandelt wird der Strom durch NorGer an den Strombörsen.

Wer Strom quer durch Europa transportieren und so Bedarfsspitzen befriedigen kann, der geht auch davon aus, dass er dafür höhere Preise durchsetzen kann. Dies erklärt auch, dass heute in Kiel ein zweites Projekt vorgestellt wird. Wieder unter Beteiligung des norwegischen Stromnetzbetreibers Statnett geht es um die Neuauflage des bereits 2001 genehmigten und 2002 noch unter der Federführung des deutschen Atomkonzerns E.on wieder beerdigten Projekts Viking-Kabel. Anders als damals geplant soll die Kabelleistung jetzt aber nicht 600, sondern wie in Niedersachsen 1400 Megawatt betragen. Dieses Kabel soll vermutlich in Feda in Norwegen seinen Anfang haben und über 530 Kilometer in die Region Brunsbüttel führen.

Bei diesem Projekt wie bei dem Stromkabel von Norwegen nach Niedersachsen wird es im Rahmen der Planfeststellung auch noch um Fragen des Umweltschutzes gehen, weil die Leitungen auch durch den Nationalpark Wattenmeer führen. Andererseits ist inzwischen deutlicher als noch vor knapp einem Jahrzehnt die große Bedeutung der Stromtrassen, um die Nutzung von Kernkraftwerken mindestens teilweise überflüssig zu machen.

Die Umweltorganisation BUND Niedersachsen begrüßte ausdrücklich den Abschluss des Raumordnungsverfahrens: "Das ist ein bedeutsamer Baustein für den Umbau des Energieversorgungssystems auf erneuerbare Energien. Dieses Kabel könnte den Atommeiler Unterweser ersetzen."

Befürworter des Projekts ist auch Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP): "Der Schlüssel für das Erreichen der deutschen Energie- und Klimaziele liegt im Ausbau der Höchstspannungsnetze, und zwar auch auf europäischer Ebene."