Nach der Änderung des Schulgesetzes kehren in Schleswig-Holstein mindestens 14 Gymnasien zum Abitur nach neun Jahren zurück.

Kiel. In Schleswig-Holstein kehren mindestens 14 der 100 Gymnasien ganz oder teilweise zum Abitur nach neun Jahren Gymnasium (G9) zurück, darunter auch einige Schulen im Hamburger Umland. Wie das Kieler Schulministerium mitteilte, darf das Gymnasium in Wentorf ab Sommer G9 anbieten, das Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasium in Barmstedt weiterhin das Y-Modell (G8 und G9). Beide Umwandlungen waren umstritten.

Entscheidungen fielen am Freitag auch in vier weiteren "Dissensfällen". Bei der Domschule in Schleswig wurde G9 genehmigt, in Satrup das Y-Modell. Das Johann-Heinrich-Voß-Gymnasium in Eutin und das in Kappeln müssen beim Turbo-Abi (G8) bleiben. Offen ist noch die Zukunft von zwei Gymnasien in Brunsbüttel und Wyk auf Föhr.

Bei den übrigen Gymnasien hatten sich Schulleitung, Schulkonferenz und Schulträger vorab verständigt. 82 Schulen bleiben bei G8, zehn dürfen aus dem erst 2008 landesweit eingeführten Turbo-Abi wieder aussteigen. Im Hamburger Umland gilt das für das Lise-Meitner-Gymnasium in Norderstedt (G9) und das Elsensee-Gymnasium in Quickborn (weiter Y-Modell). Reine G9-Gymnasien soll es in Lütjenburg, Plön, St.-Peter-Ording, Marne, Niebüll und Eutin (Carl-Maria-von-Weber-Gymnasium) geben, je eine Y-Schule in Flensburg und Kiel. Erwartet hatte das Ministerium nur etwa zehn Anti-G8-Schulen.

Mit dem neuen Schulgesetz, das CDU und FDP im Januar im Kieler Landtag gegen heftigen Protest beschlossen, dürfen Gymnasien zum kommenden Schuljahr wieder ein Langsam-Abi (nach neun Jahren) anbieten. SPD, Grüne, SSW und Linkspartei warfen Schwarz-Gelb vor, in den Gymnasien Chaos anzurichten und die Gemeinschaftsschulen zusammen mit den Regionalschulen zu Restschulen zu machen. Die SPD kündigte an, das "Schulverschlechterungsgesetz" im Falle eines Siegs bei der Neuwahl einzusammeln.

Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) verteidigt die Schulreform, die selbst in der Regierungskoalition umstritten ist: "Wir schaffen Freiräume im Bildungssystem." Die Gymnasien könnten entscheiden, welchen Weg zum Abitur sie einschlagen, die Gemeinschafts- und Regionalschulen, inwieweit sie alle Schüler gemeinsam oder getrennt unterrichten. Klug bekräftigte zudem das Ziel, am Ende Gemeinschafts- und Regionalschulen zusammenzuführen. Damit gäbe es neben dem Gymnasium nur noch eine weiterführende Schulart.

Beifall bekam Klug von der FDP und spärlich von der CDU. Deren Schulexpertin Heike Franzen ließ keinen Zweifel daran, dass ihre Fraktion auf das Turbo-Abi setzt. "Die CDU ist nach wie vor Befürworterin des achtjährigen Bildungsgangs zum Abitur." Die Turbo-Schüler würden weiter entlastet, etwa durch eine geplante Verschlankung der Lehrpläne im nächsten Schuljahr. "Gerade die Kleinen sollen auch Spielraum am Nachmittag haben."

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner nahm die FDP ins Visier. Sie verfolge eine "besonders rückständige Bildungspolitik", habe die CDU in den Koalitionsverhandlungen über den Tisch gezogen. "Hier hat der gelbe Schwanz mit dem schwarzen Hund gewedelt." Schleswig-Holstein leiste sich mit der Abkehr vom Turbo-Abitur ein teures schulpolitisches Sondermodell. Im Fall eines Wahlsiegs der SPD will Stegner "als Erstes die wesentlichen Inhalte" der Gesetzesnovelle korrigieren.

In dieselbe Kerbe schlug die Grünen-Abgeordnete Anke Erdmann. Sie erinnerte daran, dass Schwarz-Gelb den Schulen eine "produktive Ruhe" versprochen und mit der Schulrechtsreform Proteste bei Lehrern, Eltern und Schüler ausgelöst habe. "Das ist eine ziemlich laute Ruhe." Einziger Trost sei, dass mit der Reform die Schulsozialarbeit gestärkt werde. Bis 2012 will das Land im Verbund mit Kreisen und Schulträgern mehr als 100 Sozialarbeiter in Brennpunkt-Schulen schicken.

Für die Linkspartei stand ebenfalls fest, dass mit dem Schulgesetz ein Schulfrieden in weite Ferne rückt. Die Linke bekannte sich erneut dazu, die Gemeinschaftsschule als Einheitsschule einzuführen. Der SSW warf Klug vor, eine Schulpolitik von vorgestern zu betreiben. Gymnasien würden gestärkt, Gemeinschaftsschulen geschwächt, sagte Anke Spoorendonk. "Das neue Schulgesetz ist so überflüssig wie eine Gießkanne im Regenwald."