Bildungsminister Klug will Sonderweg für Gymnasien durchsetzen. Jede Schule soll selbst entscheiden, ob sie bei G8 bleibt oder zu G9 zurückkehrt.

Kiel. Die umstrittene Schulreform in Schleswig-Holstein soll noch in diesem Monat vom Landtag beschlossen werden. Nach dem Willen von Schulminister Ekkehard Klug (FDP) steigt das nördlichste Bundesland damit als erstes in Deutschland aus dem erst im Jahr 2008 eingeführten sogenannten Turbo-Abitur (G 8) aus.

Im Norden soll jedes Gymnasium selbst entscheiden dürfen, ob es nach den Sommerferien beim achtjährigen Bildungsgang bis zum Abitur bleibt, zur Hochschulreife nach neun Schuljahren zurückkehrt (G 9) oder sogar beide Varianten anbietet.

"Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit der Wahlmöglichkeit eine sehr gute Option einführen", sagte Klug. Politisch steht er damit allein. SPD, Grüne und SSW sehen Klug auf dem Holzweg, die CDU trägt den Anti-G-8-Kurs nur mit, weil er im Koalitionsvertrag mit der FDP vereinbart worden war.

Starken Gegenwind bekommt der Minister auch aus den Gymnasien. Die große Mehrheit der 100 höheren Lehranstalten in Schleswig-Holstein möchte bei G 8 bleiben. Nur etwa zehn Gymnasien planen bisher, auf G 9 umzusatteln oder das Langsam-Abitur parallel zum Turbo-Abschluss einzuführen.

Gerade solche Doppelangebote favorisiert Klug. Entsprechend kräftig rührte der Schulminister die Werbetrommel für das umstrittene "Y-Modell", bei dem Schüler die Mittelstufe in fünf oder sechs Jahren (G8 oder G9) getrennt absolvieren und es im Anschluss eine dreijährige Oberstufe gibt. Die Befürchtung, dass ein Doppelangebot zu Chaos in den Schulen führt, wies Klug zurück. "Viele Dinge sind verzerrt und übertrieben als Problem dargestellt worden", meinte er und verwies auf zwei Modellschulen im Hamburger Umland, das Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasium in Barmstedt und das Elsensee-Gymnasium in Quickborn. Die zwei Gymnasien, beide im Kreis Pinneberg, machen seit Sommer 2010 Doppelangebote, starteten im fünften Jahrgang mit zwei G8- und einer G9-Klasse.

"Beide Schulen sind mit diesem Angebot gut gefahren", sagte Ekkehard Klug und wurde bestätigt. "Wir haben keine großen Probleme", sagte der Leiter des Barmstedter Gymnasiums, Rüdiger Salbrecht. "Das funktioniert", ergänzte sein Kollege aus Quickborn, Reinhard Mischke.

Beide berichteten, dass die G8-Klassen mit Unterricht auch am Nachmittag auf leistungsstarke Schüler zugeschnitten seien, in den G9-Klassen derselbe Stoff vermittelt werde, allerdings langsamer. "Man sollte nicht alle Kinder über einen Leisten schlagen", sagte Mischke.

Reibungslos läuft das Doppelangebot aber nicht. G8- und G9-Schüler benötigen unterschiedliche Bücher, und Probleme gab es schon bei der Aufteilung der Fünftklässler. In Barmstedt wurden die Plätze in der überbuchten G9-Klasse per Los vergeben.

Schulleiter Salbrecht räumte zudem ein, dass es beim Doppelangebot nicht nur um das Wohl der Kinder geht. Das kleine Gymnasium (750 Schüler) will trotz landesweitem Schülerrückgang dank G9 wachsen. "Wir stehen in Konkurrenz zu Gemeinschaftsschulen", sagte Salbrecht. Die Gemeinschaftsschulen haben bisher ein Monopol auf das bei Eltern begehrte Langsam-Abi.

Die SPD sieht in der Reform vor allem eine Rettungsmaßnahme für kleine Gymnasien. Es gehe Klug darum, die Attraktivität der Gemeinschaftsschulen zu untergraben, sagte der Schulexperte der SPD-Fraktion, Henning Höppner. Dafür sei Schwarz-Gelb nichts zu teuer. "Dass die Aufteilung der Schüler in zwei verschiedene Zweige an ein und derselben Schule mehr Personalressourcen kostet als das durchgängige G8-Modell, versteht sich von selbst." Höppner kündigte an, dass die SPD im Fall eines Wahlsiegs die G9-Option für Gymnasien einsammeln wird.

Die Gymnasien in Barmstedt und Quickborn kennen eine solche Hü-und-hott-Politik bereits. Sie gehörten vor zehn Jahren zu den ersten Schulen, die neben dem damals üblichen Langsam-Abi auch eine Turbo-Version anboten und vor knapp drei Jahren den G-9-Zweig einstellen mussten.