Schleswig-Holsteins Landtag verabschiedet umstrittenes Gesetz. Schulen können über G8 oder G9 selbst entscheiden

Kiel. Schleswig-Holstein bremst als erstes Bundesland das Turbo-Abi aus. Mit dem neuen Schulgesetz, das CDU und FDP gestern im Kieler Landtag gegen heftigen Protest beschlossen, dürfen Gymnasien zum kommenden Schuljahr wieder ein Langsam-Abi (nach neun Jahren) anbieten. Von den 100 Gymnasien plant das bisher aber nur ein knappes Dutzend, darunter das Elsensee-Gymnasium in Quickborn. SPD, Grüne, SSW und Linkspartei warfen Schwarz-Gelb vor, in den Gymnasien Chaos anzurichten und die Gemeinschaftsschulen zusammen mit den Regionalschulen zu Restschulen zu machen. Die SPD kündigte an, das "Schulverschlechterungsgesetz" im Falle eines Siegs bei der Neuwahl einzusammeln.

In der hitzigen Debatte, die sich über fast drei Stunden hinzog, verteidigte Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) die Schulreform, die selbst in der Regierungskoalition umstritten ist: "Wir schaffen Freiräume im Bildungssystem." Die Gymnasien könnten entscheiden, welchen Weg zum Abitur sie einschlagen, die Gemeinschafts- und Regionalschulen, inwieweit sie alle Schüler gemeinsam oder getrennt unterrichten. Klug bekräftigte zudem das Ziel, am Ende Gemeinschafts- und Regionalschulen zusammenzuführen. Damit gäbe es neben dem Gymnasium nur noch eine weiterführende Schulart.

Beifall bekam Klug von der FDP und spärlich von der CDU. Deren Schulexpertin Heike Franzen ließ keinen Zweifel daran, dass ihre Fraktion auf das Turbo-Abi setzt. "Die CDU ist nach wie vor Befürworterin des achtjährigen Bildungsgangs zum Abitur." Die Turbo-Schüler würden weiter entlastet, etwa durch eine geplante Verschlankung der Lehrpläne im nächsten Schuljahr. "Gerade die Kleinen sollen auch Spielraum am Nachmittag haben."

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner nahm die FDP ins Visier. Sie verfolge eine "besonders rückständige Bildungspolitik", habe die CDU in den Koalitionsverhandlungen über den Tisch gezogen. "Hier hat der gelbe Schwanz mit dem schwarzen Hund gewedelt." Schleswig-Holstein leiste sich mit der Abkehr vom Turbo-Abitur ein teures schulpolitisches Sondermodell. Im Fall eines Wahlsiegs der SPD will Stegner "als Erstes die wesentlichen Inhalte" der Gesetzesnovelle korrigieren.

In dieselbe Kerbe schlug die Grünen-Abgeordnete Anke Erdmann. Sie erinnerte daran, dass Schwarz-Gelb den Schulen eine "produktive Ruhe" versprochen und mit der Schulrechtsreform Proteste bei Lehrern, Eltern und Schüler ausgelöst habe. "Das ist eine ziemlich laute Ruhe." Einziger Trost sei, dass mit der Reform die Schulsozialarbeit gestärkt werde. Bis 2012 will das Land im Verbund mit Kreisen und Schulträgern mehr als 100 Sozialarbeiter in Brennpunkt-Schulen schicken.

Für die Linkspartei stand ebenfalls fest, dass mit dem Schulgesetz ein Schulfrieden in weite Ferne rückt. Die Linke bekannte sich erneut dazu, die Gemeinschaftsschule als Einheitsschule einzuführen. Der SSW warf Klug vor, eine Schulpolitik von vorgestern zu betreiben. Gymnasien würden gestärkt, Gemeinschaftsschulen geschwächt, sagte Anke Spoorendonk. "Das neue Schulgesetz ist so überflüssig wie eine Gießkanne im Regenwald."