Fraktionschef will den Nordstaat, einen Altschuldenfonds und bundesweite Schulpolitik

Kiel. Die Grünen in Schleswig-Holstein schlagen radikale Töne an. In einem Strategiepapier, das dem Abendblatt vorliegt, plädiert Fraktionschef Robert Habeck für eine gezielte "Landesaußenpolitik", um die großen Probleme Schleswig-Holsteins und auch anderer Bundesländer zu lösen. Auf der To-do-Liste des grünen Vordenkers stehen dabei eine Föderalismusreform mit möglichen Länderfusionen, ein bundesweiter Altschuldenfonds und ein Rückzug der Länder aus der Schulpolitik.

"Schleswig-Holstein muss in diesen Fragen die Rolle des Antreibers übernehmen", schreibt Habeck. "Wir müssen die politische Rolle des Landes neu definieren" und so "das Klein-Klein der Landesbinnenpolitik überwinden". Von einem solchen Aufbruch erhofft sich der 41-jährige Schriftsteller auch ein besseres Image für die Landespolitik. "Wenn Schleswig-Holstein in jüngster Vergangenheit für etwas stand, dann war es meist peinlich", weiß Habeck und erinnert an gescheiterte Wahlen, verkürzte Legislaturperioden und "heftige persönliche Feindschaften der politischen Akteure". Gemeint ist die Männerfeindschaft zwischen Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), zu dem Habeck einen guten Draht hat, und SPD-Chef Ralf Stegner, mit dem der Grüne nicht ganz so warm ist. Habeck rechnet in seinen "Leitlinien für die Arbeit der Grünen der Landtagsfraktion bis zur Neuwahl" aber nicht mit Personen ab, sondern mit der bisherigen Politik. "Schleswig-Holstein wird unter Wert verkauft", sagte er dem Abendblatt. Politiker müssten über den Tag hinaus denken und aufzeigen, wie Schleswig-Holstein und andere Bundesländer ihre Probleme in den nächsten Jahrzehnten lösen können.

Dreh- und Angelpunkt ist für Habeck eine Föderalismusreform, die eine "Neuordnung" der Bundesländer erleichtern soll. So würden etwa Hamburg und Schleswig-Holstein bei einer Fusion etwa eine Milliarde Euro verlieren, weil ein Nordstaat im Länderfinanzausgleich schlechter wegkäme. "Es kann nicht sein, dass sinnvolle Schritte bestraft werden", meint Habeck und sieht gute Chancen für Korrekturen. Grund: Die Länder müssen ohnehin über eine Nachfolgeregelung des 2017 auslaufenden Länderfinanzausgleichs verhandeln. Eine neue Fusionsklausel könnte sich nicht nur für Schleswig-Holstein auszahlen. Anderen Ländern wie Bremen oder dem Saarland droht ebenfalls die Pleite. Nicht minder wichtig ist für Habeck ein bundesweiter Altschuldenfonds, um arme Länder zu entlasten.

"Ohne diesen Fonds wird Schleswig-Holstein nicht überleben können." Grund: Die Erfolge des harten Sparkurses werden von den steigenden Zinsausgaben für den Schuldenberg von 27 Milliarden Euro teils aufgefressen. Den Schuldenfonds, den Bund und andere Länder bislang aus Kostengründen ablehnen, will Habeck etwa über die Einführung einer Vermögenssteuer finanzieren. Ebenfalls über den Bundesrat soll Schleswig-Holstein für eine Anhebung der Erbschaftssteuer eintreten. Sie fließt in die Länderkassen.

Eine Kehrtwende fordert der Grüne auch in der Schulpolitik. "Wir brauchen eine Bildungspolitik mit bundesweit einheitlichen Strukturen" einschließlich der Option, dass der Bund die Regie übernimmt und klare Vorgaben für Kitas bis Hochschulen macht.

Der Einwand, mit der Bildung würden die Landespolitiker ihre wichtigste Aufgabe abgeben, ist für den Grünen "ein kläglicher, besitzstandswahrender Gedanke". Schleswig-Holstein könne seine Rolle auch anders definieren, etwa über die Kultur oder als Botschafter Deutschlands im Ostseeraum.

Die Landtagsfraktion will das Strategiepapier an diesem Wochenende auf einer Klausurtagung im nordfriesischen Leck diskutieren.