Vom Bund angebotene Mitbestimmung bei umstrittener “unterirdischer Verpressung“ von CO2 genügt der Landesregierung nicht.

Berlin/Kiel/Hannover. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will den Ländern bei der Planung umstrittener CO2-Endlager weitgehende Mitbestimmungsrechte einräumen. Die Vorschläge aus Berlin seien "eine tolle Sache", sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP). In Schleswig-Holstein, das wie Niedersachsen viele mögliche Endlager-Standorte aufweist, gab es dagegen harsche Kritik am Ressortentwurf für das CCS-Gesetz (Carbon Capture and Storage). "Ich sehe noch keinen Durchbruch", sagte Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) dem Abendblatt. Nach den Vorschlägen dürften die Länder bei Endlagern nur mitbestimmen, könnten sie aber nicht ausschließen. De Jager forderte ein echtes Vetorecht für die Länder: "Schleswig-Holstein besteht auf einer Klausel ohne Wenn und Aber."


Altes Land wehrt sich gegen CO2-Endlager

Das Umweltministerium in Berlin mochte gestern nur bestätigen, dass die Abstimmung der Bundesressorts zum CCS-Gesetz weit fortgeschritten ist. "Die Sondierungsgespräche mit den Ländern stehen ebenfalls kurz vor dem Abschluss", sagte Ministeriumssprecher Jürgen Maaß. Eine Entscheidung im Streit mit Schleswig-Holstein könnte schon am kommenden Montag fallen. Dann trifft sich Röttgen in Berlin mit de Jager und Kiels Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Er hatte den Schleswig-Holsteinern versprochen, dass gegen ihren Willen keine CO2-Endlager eingerichtet werden. In den betroffenen Regionen, insbesondere an der Westküste, gibt es eine breite Protestbewegung gegen die Verpressung und unterirdische Einlagerung von Kohlendioxid.

Nach den Vorschlägen von Röttgen sollen die Länder nur die Möglichkeit erhalten, geplante Endlager aus bestimmten Gründen zu stoppen. Im Gespräch sind drei Ausschlusskriterien. Erstens: Am Standort des Endlagers sind Öko-Technologien geplant, etwa Geothermie-Anlagen oder eine Speicherung von Gas. Zweitens: Es gibt beim Endlager geologische Probleme. Drittens: Der Standort kollidiert mit dem Allgemeinwohl. Schleswig-Holstein reicht das nicht, zumal gerade beim dritten Kriterium offen ist, ob am Ende das regionale Wohl von Bevölkerung, Tourismus und Wattenmeer den Ausschlag gibt oder das bundesweite Ziel des Klimaschutzes. Befürchtet wird zudem, dass Energiekonzerne wegen solch schwammiger Formulierungen Endlager vor Gericht einklagen.

Der Ressortentwurf sei ein "Reinfall", meinte der energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Kieler Landtag, Detlef Matthiessen. "Eine Länder-Sperrklausel sieht anders aus", sagte der Sprecher der schleswig-holsteinischen Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager, Reinhard Knof. Mit dem Versprechen einer Länder-Mitbestimmung wolle der Bund nur versuchen, die Wogen nach dem Greenpeace-Bericht zu glätten. Die Umweltschutzorganisation hatte am Wochenende eine Bundesliste mit 408 Standorten veröffentlicht, die als unterirdische CO2-Speicher infrage kommen. Viele Standorte liegen in Norddeutschland, einige auch in den Großräumen Berlin und München sowie in Brandenburg. Dort will Vattenfall mit Rückendeckung der Landesregierung in Potsdam eine große Testanlage bauen.

Niedersachsen lehnt wie Schleswig-Holstein CO2-Speicher ab. Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat dem Bund bereits klargemacht, dass angesichts der Atomendlager und der Notwendigkeit weiterer Stromtrassen nach Süddeutschland die Schmerzgrenze des Landes erreicht ist. Das Lob für die Berliner CCS-Vorschläge kam gleichwohl nicht überraschend. Die zuständigen niedersächsischen Ministerien haben an den Formulierungen mitgewirkt und sind sich sicher, dass das Instrumentarium ausreicht, um das Verpressen von CO2 in Brandenburg zu ermöglichen und im eigenen Land zu verhindern. "Es ist die Kunst, es dort möglich zu machen und in anderen Ländern wie Niedersachsen nicht zuzulassen", hieß es in Hannover.

Niedersachsen bezweifelt zudem, dass die Verpressung betriebswirtschaftlich und ökologisch überhaupt Sinn macht. Klar ist, dass die Bundesregierung das CCS-Gesetz schnell vom Tisch bekommen möchte. Ein Kabinettsbeschluss soll im März erfolgen. Das letzte Wort hat der Bundestag.

Wird der CCS-Entwurf so verabschiedet wie jetzt geplant, punktet Niedersachsen zum zweiten Mal binnen weniger Wochen. Ebenfalls auf Drängen aus Hannover ist das Energieleitungsausbaugesetz so verändert worden, dass künftig im Ortsbereich bei weniger als 400 Metern und im Außenbereich bei weniger als 200 Metern Abstand zur Wohnbebauung Höchstspannungsleitungen unter die Erde verlegt werden müssen, wenn die Landesbehörden dies wollen. Es geht um mindestens 400 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen, um vor allem Windstrom verteilen zu können, wenn immer mehr Offshore-Windparks ans Netz gehen.