Die Rekordflut in Lauenburg genießen Besucher bei Kaffee und Kuchen. Die meisten Anwohner bleiben trotz 9,23 Meter Pegel gelassen.

Lauenburg. Nach Katastrophe sieht es hier eigentlich nicht aus, wenn man mal von der vielen Sahne absieht: Im Lauenburger Restaurant Herzog Lauenburg löffelt ein älteres Ehepaar aus Hamburg in dem wintergartenähnlichen Gastraum Kuchen. Kein Tisch ist mehr frei, Kaffeelöffel klimpern. Doch draußen unter dem Fenster, wo sonst der Garten zu sehen ist, rauscht nun die Elbe vorbei. Reißend und gurgelnd wie ein Gebirgsfluss umströmt sie die vordere Hälfe des historischen Gebäudes bereits in Fußodenhöhe. Nur das Mauerwerk trennt Gäste und Wasser.

Während der Keller längst bis zur Decke vollgelaufen ist - hier geht der Betrieb weiter. "Wir machen jetzt am Wochenende guten Umsatz", sagt auch Wirt Karsten Neugebauer von der benachbarten Schifferbörse. Es sind Szenen wie diese, die neben Blaulicht und Sandsackbarrieren auch eine andere Seite des Hochwasser-Wochenendes an der Oberelbe zeigen: In Lauenburg und anderen Orten wie Bleckede oder Hitzacker erreicht das Wasser am Sonnabend zwar Pegelwerte, die noch über der Rekordflut von 2006 liegen - doch die meisten Anwohner bleiben relativ entspannt.

9,14 Meter über Meeresspiegelniveau registriert die Feuerwehr in Lauenburg am Sonnabendmittag. Entgegen den Prognosen kletterte der Wasserstand aber noch weiter, alle zwei Stunden etwa um einen Zentimeter, bis er am Sonntag den Maximalpunkt von 9,23 Meter erreicht. Ein historischer Moment. Niemals zuvor war ein höherer Wert gemessen worden. An normalen Tagen fließt die Elbe in einer Höhe von 4,80 Metern hier vorbei.

Schon lange vor dem Höchststand hatte Yildiz Frühauf daher erste Probleme. Die 36-jährige zierliche Frau betreibt den Lauenburger Yachthafen an der Einmündung zum Elbe-Lübeck-Kanal. Schon am Freitag erreichte sie manche Anlagen nicht mehr und baute sich selbst eine Art Seilzugfähre. Das Wasser robbte aber immer weiter ans Wohnhaus heran. Am Sonnabend rief sie daher die Feuerwehr um Hilfe, die mit Sandsäcken Sperren aufbaute. Wie überall in der historischen Altstadt.

Anders als an den anderen Elbabschnitten schützt hier kein Deich, gut 145 Häuser gelten daher als gefährdet, zumal der Fluss hier eine Schleife macht und die Altstadt praktisch am Prallhang der Strömung liegt. Gut 140 Helfer von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk sind daher Tag und Nacht im Einsatz. In der Altstadt brummen schwere Pumpen. Die Keller lässt man aber bewusst zum Teil überfluten, damit sie als Gegengewicht ein Aufschwimmen der Häuser verhindern.

150 000 Sandsäcke haben die Fluthelfer in der Stadt bereits verfüllt und damit Sperren gebaut. "700 000 haben wir insgesamt", sagt Feuerwehrsprecherin Natascha Pätzold. Zwar seien Rekordwerte erreicht worden, doch man habe die Lage im Griff, sagt die 27-Jährige, während hinter ihr Feuerwehrleute neue Schläuche verlegen und Sand in die weißen Säcke verfüllen.

Zwischen den Uniformierten spazieren Passanten. Die Altstadt, so sagen viele hier, ist gut besucht wie an schönen Sommertagen. "Wir haben geöffnet", steht auf selbst gemalten Schildern an den Gaststättentüren, davor liegen Sandsäcke schon bereit. Es scheint gut zu funktionieren, diese Mischung aus Hochwasser-Bekämpfung und Hochwasser-Betrachtung. "Die Leute stören eigentlich nicht und nehmen die notwendige Rücksicht", sagt Feuerwehrsprecherin Pätzold.

Und auch die Anwohner selbst sehen die Lage eher gelassen. Der "Arbeitskreis Altstadt Lauenburg" hat sogar einen Punschstand aufgebaut und nutzt den unerwarteten Zustrom, um ein wenig Umsatz für seine Arbeit zu machen. "Man kann eh nichts ändern", sagt Altstadtbewohner Jörg Sönksen.

Auch auf der gegenüberliegenden, niedersächsischen Elbseite schwappt die Elbe nun auf Höchststände. Dort schützt meist aber ein hoher Deich die Häuser. Das Problem dort heißt aber "Qualmwasser". Das Wasser drückt dann an tief gelegenen Stellen unter dem Deich durch aus dem Boden hoch. Bei der Fahrt entlang der Elbe zeigen sich daher an etlichen Stellen an den Höfen und Wiesen teichartige Wasserflächen, mancher Keller muss auch hier ausgepumpt werden.

Und immer wieder sperren Feuerwehrwehrleute einzelne Straßenabschnitte ab. In Alt Garge bei Bleckede schützt nur ein provisorischer Deich. Die Straße führt schließlich auf einem hohen Geestrücken weiter Richtung Hitzacker. Hier breitet sich die Elbe nun wie ein großer lang gezogener See aus, ganze Wälder stehen im Wasser. und die Straße scheint an einem Steilufer zu verlaufen.

Bis Ende der Woche dürfte sich das Bild an der Elbe nicht mehr ändern. Die Pegel, so heißt es, fallen nur langsam.