Ein Klotz fällt vom Dach auf den Bürgersteig und erschlägt eine 82-Jährige. Blitzeis sorgt für zahllose Unfälle auf Norddeutschlands Straßen.

Kiel/Hannover. Der Winter bescherte Niedersachsen und Schleswig-Holstein gestern extrem schwierige Verkehrsverhältnisse. Auf Blitzeis kam es zu zahllosen Unfällen auf spiegelglatten Straßen, meist blieb es jedoch bei leichten Verletzungen und Blechschäden. Im Kreis Herzogtum Lauenburg versuchte ein 92-jähriger Mann, ein Streufahrzeug zu überholen. Sein Mercedes stieß frontal mit dem Mazda eines 60-Jährigen zusammen. Beide Männer wurden schwer verletzt.

In Hannover wurde eine 82-Jährige von einem Eisblock erschlagen. Die Frau war mit ihrem Hund auf einem Bürgersteig unterwegs, als der Eisklumpen von einem zehn Meter hohen Dach eines Mehrfamilienhauses fiel. Ein Autofahrer sah die Frau auf dem Boden liegen und versuchte noch, sie wiederzubeleben. In einem Krankenhaus erlag die Rentnerin aber wenig später ihren Verletzungen. Überall im Norden mussten sich die Krankenhäuser zudem um verunglückte Fußgänger kümmern, häufig mit Knochenbrüchen.

Von bis zu zwei Zentimeter dickem Eis berichtete eine Polizeisprecherin am Morgen in Schleswig-Holstein, als Eisregen auf den noch tiefgefrorenen Boden fiel: "Das ist schon extrem glatt." Erst im Laufe des Vormittags entspannte sich die Situation, als die Temperaturen deutlich in den Plusbereich wechselten. Wie so häufig waren es auch gestern vor allem quer stehende Lastwagen, die etwa auf der A 7 in Höhe Henstedt-Ulzburg zu einem 15 Kilometer langen Stau führten.

In zahlreichen Kreisen in beiden Bundesländern blieben zudem über Stunden die Busse in den Depots, im Kreis Harburg rutschte ein Schulbus trotz Schrittgeschwindigkeit auf abschüssiger Fahrbahn in ein entgegenkommendes Auto. Dabei wurde niemand verletzt, doch dann fiel der Busfahrer auf dem Eis hin, schlug mit dem Hinterkopf auf und trug eine Platzwunde davon. In Niedersachsen schlitterten sogar Streufahrzeuge aus der Spur.

Die meisten Schulträger zogen aus den gefährlichen Verhältnissen die Konsequenz und ließen den Unterricht ausfallen. Die Frage stellte sich in Schleswig-Holstein nicht, hier beginnt der Unterricht nach den Ferien erst am kommenden Montag.

Die Schneeschmelze überall im Norden legt gleich das nächste Problem frei: "Erhebliche Winterschäden" befürchten die Städte und Gemeinden. "Die Straßenschäden werden mindestens so groß sein wie im vergangenen Winter", sagte der Sprecher des Gemeindetages Schleswig-Holstein, Jochen Nielsen. Im Winter 2009/10 hatten die Kommunen einen Schadenrekord von 75 Millionen Euro gemeldet und aus einem Sonderprogramm gut 25 Millionen Euro für Straßenreparaturen erhalten. Eine Neuauflage des Programms sei "nahezu ausgeschlossen", so ein Sprecher des Kieler Innenministeriums. Ähnlich sieht es in Niedersachsen aus, wo das Land im Vorjahr ein "Schlaglochprogramm" mit 15 Millionen Euro zusätzlich finanziert hatte.

Aufatmen dagegen bei den Verantwortlichen für den Nachschub von Streusalz. "Wir haben von 44 000 Tonnen Salz noch gut 7000 übrig", sagte der Sprecher des Kieler Verkehrsministeriums, Harald Haase. Im Bedarfsfall könne das Land aber binnen weniger Tage Nachschub ordern. Noch knapper sind die Vorräte für das ungleich längere Straßennetz des Landes Niedersachsen. Auf 5500 Tonnen ist die Reserve zusammengeschmolzen, über 100 000 Tonnen wurden verbraucht.

Bei drei Grad Plus verfolgten rund 1200 Schaulustige die traditionelle Bremer "Eiswette von 1829". Letztmals im Jahr 1947 konnte am Punkendeich der Hansestadt ein Laiendarsteller als 99 Pfund schwerer Schneider mit einem heißen Bügeleisen in der Hand trockenen Fußes übers Eis aufs andere Weserufer gelangen. Seither sorgt ein Boot der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger dafür, dass der Schneider trockenen Fußes sein Ziel erreicht.