Neues Audimax symbolisiert den umstrittenen Wandel der Leuphana Universität Lüneburg. 60 Millionen Euro soll der Bau kosten.

Lüneburg. Knapp 60 Kilometer südöstlich der Hamburger Elbphilharmonie wird im Frühjahr der Grundstein gelegt für ein ähnlich spektakuläres Bauprojekt wie am Kaispeicher A. Die Leuphana Universität Lüneburg baut sich ein 60 Millionen Euro teures Audimax mit 1200 Plätzen, entworfen von dem New Yorker Stararchitekten Daniel Libeskind. Es soll das deutschland- und europaweit sichtbare Zeichen des umfangreichen Veränderungsprozesses der Universität sein.

Die Lüneburger Universität ist in Niedersachsen und wohl auch Deutschland die Hochschule mit dem am tiefsten gehenden und umstrittensten Wandel in den vergangenen Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet als Pädagogische Hochschule in dem Garnisonsstädtchen Lüneburg, zog die Universität 1997 auf ein ehemaliges Kasernengelände. 2003 wandelte sie sich als eine der ersten deutschen Universitäten in eine Stiftung öffentlichen Rechts um, 2005 fusionierte sie als Modellprojekt mit der in Lüneburg und anderen Standorten ansässigen Fachhochschule Nordostniedersachsen - das war die erste Zusammenlegung dieser Art in der Bundesrepublik.

Die Verschmelzung der beiden ungleichen Institutionen, die Studienmodelle und Prüfungsordnungen über den Haufen warf, hatte die Hochschule noch lange nicht vollendet und den Bologna-Prozess um die Angleichung der Abschlüsse auf europäisches Niveau von Bachelor und Master mit Einführung im Wintersemester 2005/2006 auch noch nicht, da begann 2006 der Veränderungsprozess, für den das Libeskind-Audimax das sichtbare Zeichen sein soll: Mit Sascha Spoun, 40, von der Hochschule St. Gallen trat der mit 36 Jahren damals jüngste Präsident einer öffentlichen Universität sein Amt an.

Er wechselte nicht nur die schweren Holztüren in der Dachetage des Backsteinbaus gegen Glastüren aus. Er ließ nicht nur von einer Werbeagentur einen Namen - Leuphana - und ein Logo für die Universität Lüneburg ersinnen. Er führte nicht nur ein neuartiges Zulassungsverfahren ein, in dem nicht allein die Abiturnote, sondern auch gesellschaftliches Engagement der Bewerber zählt.

Der neue Präsident holte sich mit dem ehemaligen McKinsey-Berater Holm Keller, 42, auch einen Vize nach Lüneburg, den er seit Jahren kennt und dem er vertraut. 2007 setzten Spoun und Keller ein völlig neues und in Deutschland einzigartiges, mittlerweile preisgekröntes Studienmodell mit dem sogenannten Lüneburg-Bachelor um: Im ersten Semester hören alle Studienanfänger das Gleiche - egal, ob sie danach Betriebswirtschaftslehre oder Bildungswissenschaften studieren. Sie belegen das "Leuphana-Semester", eine Art Studium Generale mit fachnahen und fachfremden Inhalten, die interdisziplinäres Arbeiten und Verantwortungsgefühl vermitteln sollen.

Und Spoun verengte das Angebot der Uni: Aus 38 Studiengängen von Automatisierungstechnik bis Wirtschaftsrecht machte er vier Forschungsschwerpunkte: Bildungs-, Kultur- und Nachhaltigkeitsforschung sowie Management. Konnten junge Leute einst an zwei Orten - Universität und Fachhochschule - das Fach Sozialpädagogik in Lüneburg studieren, können sie es heute gar nicht mehr: Der Studiengang wurde unter lauten Protesten der Sozialverbände abgeschafft.

Ausgebaut wurde das Angebot der Uni dafür auf anderer Seite: der Fort- und Weiterbildung. Die Leuphana bietet berufsbegleitende Studien an, zugeschnitten auf den Bedarf der Firmen. Auf Schrumpfungskurs befindet sich die Hochschule seit dem Wintersemester 2006/2007 mit knapp 11 000 Studenten dennoch: Aktuell sind es weniger als 7000. Spoun verteidigt die sinkenden Studentenzahlen mit dem Anspruch auf Qualität in der Lehre und ein besseres Verhältnis von Lehrenden und Lernenden. Das habe sich in den vergangenen vier Jahren von eins zu 60 auf eins zu 45 reduziert.

Zudem befinde sich Leuphana wieder auf Wachstumskursus, meldet die Uni. Nächstes Jahr werde Lüneburg 200 Studienplätze mehr bieten, 60 neue Professoren sollen bis 2012 berufen werden. Das Drittmittelvolumen habe sich auf zehn Millionen Euro verdoppelt, die Anzahl der Studienanfänger zum Wintersemester 2010/2011 sei um neun Prozent gestiegen. Auch die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen und Zitationen liege um 60 Prozent höher als vor drei Jahren.

Bundesweites Echo erfährt die Uni auch durch ihren sogenannten Innovations-Inkubator. Die Europäische Union steckt 64 Millionen Euro in das Wirtschaftsförderungsprojekt. Regionale Firmen und Universität sollen zusammen an neuen Geschäftsideen, Produkten und Dienstleistungen arbeiten. Bei dem Lüneburger Weltmarktführer für Laser in der Krebstherapie, LAP, arbeiten Mitarbeiter und Wissenschaftler etwa an der Verbesserung von Prozess- und Personalmanagement.

Doch die seit 2006 wirkenden Kräfte von Spoun und Keller treffen an der Hochschule und in der 70 000-Einwohner-Stadt auf geteiltes Echo: Der AStA bemängelt schwindende Demokratie, ein spekulatives Finanzkonzept beim Audimax und befürchtet die Umwandlung in eine kleine Elite-Universität, Professoren kritisieren die neue Berufungspraxis durch mit externen Mitgliedern besetzte Kommissionen. FDP, Linke und Teile der Grünen im Stadtrat sind gegen das Audimax.

Der sozialdemokratische Oberbürgermeister versprach derweil eine zügige Bearbeitung des Bauantrags in seiner Verwaltung. Er rechnet mit einer Genehmigung Ende Februar.