FDP-Fraktionschef Kubicki droht mit Alleingang von Schwarz-Gelb. Zahl der Wahlkreise in Schleswig-Holstein muss kleiner werden.

Kiel. In Schleswig-Holstein sind schnelle Neuwahlen nicht in Sicht. Im Landtag scheiterte die Opposition gestern mit ihrer Forderung, die Bürger bis Herbst 2011 an die Urnen zu rufen. Wunschtermin der schwarz-gelben Koalition bleibt der Herbst 2012 und damit der spätestmögliche Zeitpunkt, der nach dem Neuwahl-Urteil des Verfassungsgerichts zulässig ist.

Die Opposition schoss aus allen Rohren. "Schleswig-Holstein hat die Nase voll von Hängepartien und wünscht sich schnell eine klare Kante", sagte Silke Hinrichsen (SSW). Schwarz-Gelb dürfe die "Galgenfrist" nicht ausschöpfen. "Die Leute denken doch, wir sind lahme Enten", bekräftigte Monika Heinold für die Grünen. Ihr Fraktionskollege Thorsten Fürter diagnostizierte bei CDU und FDP "die schiere Panik", den Wählern ins Gesicht zu sehen.

Für die SPD rechnete Fraktionschef Ralf Stegner mit der "geschäftsführenden" Regierung ab. Neuwahlen binnen eines Jahres seien machbar, "wenn man es will". Die Linkspartei forderte ein schnelles Ende der "Übergangsregierung". CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher und sein FDP-Kollege Wolfgang Kubicki keilten zurück und erinnerten daran, dass zunächst eine Korrektur des Wahlrechts und die Neuschneidung von Wahlkreisen anstehen. "Rufe nach sofortigen Neuwahlen gehen schon rein technisch ins Leere", sagte Kubicki.

Umstritten blieb auch die Reform des Wahlrechts, allerdings mit einem anderen Frontverlauf. CDU und SPD möchten nur wenige Wahlkreise streichen, dafür die Zweitstimme. Bei den kleineren Parteien ist es andersherum. Sie haben die Wahlkreise auf dem Kieker, wollen die Zweitstimme behalten. Für Aufruhr in der ohnehin munteren Debatte sorgte Kubicki. Er drohte damit, dass CDU und FDP mit ihrer Einstimmenmehrheit das Wahlrecht notfalls im Alleingang ändern.

Nach Protesten der Opposition glättete Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU) die Wogen. Er warb trotz der "ein wenig bleihaltigen Debatte" für eine fraktionsübergreifende Reform. "Mein Optimismus ist grenzenlos." Die Nagelprobe folgt heute. Geerdts will mit den Fraktionsspitzen einen "gemeinsamen Nenner" suchen.

Die Richtung hatte das Verfassungsgericht gewiesen. Demnach ist das Wahlrecht so zu ändern, dass die Zielgröße für den Landtag (69 Sitze) im Normalfall nicht überschritten wird. Dabei können die Politiker laut Urteil an mehreren Stellschrauben drehen, etwa die Zweitstimme streichen. Damit wäre ein Splitting (zum Beispiel Erststimme CDU, Zweitstimme FDP) nicht mehr möglich. Diesem Splitting verdankte die CDU bei der Wahl im vergangenen Jahr etwa eine Handvoll ihrer elf Überhangmandate.

Bleibt es beim Zweistimmenwahlrecht, müsste der Landtag umso kräftiger an der zweiten Stellschraube drehen, der Zahl der 40 Wahlkreise. CDU und SPD wollen nicht unter 35 fallen, FDP und Grüne auf etwa 30 abspecken. Ob das reicht, ist fraglich. Nach Berechnungen zur Wahl 2009 wären CDU-Überhangmandate allenfalls zu vermeiden gewesen, wenn es gerade mal 27 Wahlkreise gegeben hätte.

Mit einer reinen Reduzierung der Wahlkreise ist es nicht getan, weil das Gericht eine weitere Vorgabe machte. Bisher darf die Einwohnerzahl eines Wahlkreises um bis zu 25 Prozent vom Durchschnittswert (71 000 Menschen) abweichen. Künftig sollen es höchstens 15 Prozent sein.

Ganz oben auf der Streichliste stehen damit einige Wahlkreise im Norden des Landes wie etwa Husum-Land mit nur 55 000 Einwohnern. Kaum besser sieht es im Herzogtum Lauenburg aus. Bei einer Reduzierung auf 35 Wahlkreise steigt der Durchschnittswert auf 81 000 Einwohner, bei 30 Wahlkreisen sogar auf 94 000. In Lauenburg-Süd leben nur knapp 58 000 Menschen.

Eng könnte es auch für einige Wahlkreise in Pinneberg und Stormarn werden. Besser sieht es im Kreis Segeberg aus, der bei der Wahlrechtsreform 2003 bluten musste. Alle drei Wahlkreise haben mehr als 85 000 Einwohner. Im Landeshaus wird bereits fleißig gerechnet, welcher Direktkandidat wegreformiert wird.

Die Feinarbeit, der genaue Zuschnitt der Wahlkreise, soll nach der Verabschiedung des neuen Wahlrechts im Mai beginnen. In der Wahlkreiskommission kämpfen die Parteien dann traditionell um den für sie besten Zuschnitt, um jedes Dorf und manchmal jede Straße.