Niedersachsens Innenminister Jörg Schünemann will mit Kampagnen Frauen und Migranten gewinnen und so die Engpässe abbauen.

Hannover. Wenn es in Niedersachsen brennt oder nach einem Unfall ein Autofahrer aus seinem Fahrzeug befreit werden muss, kommt die Hilfe in der Regel schnell. Landesweit 3326 Ortsfeuerwehren sorgen für kurze Wege zum Einsatzort. Jetzt aber schlägt Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Alarm : "Langfristig gefährdet der Geburtenrückgang bei Überalterung der Bevölkerung die Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der freiwilligen Feuerwehren." Mobilisieren will der Minister deshalb jetzt verstärkt Frauen und Migranten.

Zwei Jahre lang haben die Fachleute des Ministeriums an dem Bericht gearbeitet, den Schünemann gestern in Hannover vorlegte. Danach ist die Zahl der Mitglieder bei den freiwilligen Wehren von 2002 bis 2009 um rund 5000 auf 127.000 gesunken . Allein im vergangenen Jahr ist dagegen die Zahl der Einsätze um 2,2 Prozent auf rund 71.000 gestiegen, hinzu kamen 11.700 Fehlalarme.

Aber das ist nichts gegen die langfristig anstehende Entwicklung: Bis zum Jahr 2023 werden weitere 10.000 Feuerwehrleute fehlen. Dabei wird der Altersdurchschnitt immer weiter steigen, also die Zahl der Einsatzkräfte abnehmen. Besonders alarmierend aus der Sicht des Ministers: Allein bis zum Jahr 2025 wird laut aktueller Hochrechnungen die Mitgliederzahl der Jugendfeuerwehren um rund 10 000 auf nur noch 20 000 sinken, im Jahr 2050 dann sind es nur noch 10.000. Die Jugendfeuerwehren sind die Rekrutierungsstelle schlechthin für aktive Feuerwehrmitglieder.

Längerfristig betrachtet, sieht die Situation sogar noch bedrohlicher aus: Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Niedersachsen um knapp 1,5 Millionen auf dann noch 6,5 Millionen Menschen, im gleichen Zeitraum die Zahl der Erwerbsfähigen zwischen 20 und 65 Jahren sogar um 30 Prozent sinken, die der Kinder und Jugendlichen um 39 Prozent. Die Fachleute warnen in ihrem Abschlussbericht zudem ausdrücklich vor einem Trugschluss: Die Zahl der Einsätze werde nicht sinken, sondern eher steigen. Hauptgründe seien Wohnungsbrände und Sucheinsätze durch die rapide wachsende Zahl älterer, zuweilen hilfloser oder verwirrter Menschen.

Für Innenminister Schünemann kommt es jetzt darauf an, die Nachwuchsgewinnung langfristig zu verbessern: "Es gilt, junge Menschen mit Migrationshintergrund für ehrenamtliches Engagement zu gewinnen." Dafür müssten Überzeugungsarbeit geleistet und Barrieren abgebaut werden. "Uniformträger - zu denen die freiwilligen Feuerwehren aufgrund ihrer Tradition gehören - sind vielen Migranten suspekt und rufen Ängste hervor." Ein weiterer Schwerpunkt soll das Werben um mehr weibliche Feuerwehrleute werden. Diese Zahl ist entgegen dem allgemeinen Trend zwischen 2002 und 2009 um 3000 auf über 12 000 gestiegen, aber das reicht nicht annähernd aus, um die Lücken zu schließen. Ähnlich wie bei der Polizei 20 Jahre zuvor, so Schünemanns Einschätzung, sei jetzt auch bei den Frauen in den Wehren die anfängliche Skepsis der Männer überwunden: "Es gibt keine grundsätzlichen Probleme." Ein weiterer Ansatzpunkt für den Minister ist der Ausbau der Kinderfeuerwehren, möglichst in enger Kooperation mit den Schulen.

Besonders groß werden wegen des überdurchschnittlichen Bevölkerungsrückgangs die Probleme im Süden von Niedersachsen werden, aber auch im Harz und in besonders dünn besiedelten Landkreisen wie Lüchow-Dannenberg.

Landesbrandmeister Jörg Schaffhorn rechnete das Problem gestern vor am Beispiel einer beliebigen Ortsfeuerwehr. Um ein Lösch- und Rettungsfahrzeug zu besetzen, muss eine Ortswehr sechs Personen verfügbar haben. Um das rund um die Uhr an 365 Tagen zu gewährleisten, sei ein aktiver Personalstamm von über 30 Feuerwehrleuten erforderlich: "Schwierig kann das vor allem in der Tagbereitschaft werden." Dahinter wiederum versteckt sich das Problem, wenn in ländlichen Gemeinden viele Feuerwehrleute auspendeln an ihre Arbeitsplätze, also im Alarmfall nicht erreichbar sind. Gegenwärtig aber, so Schallhorn, wird die gesetzliche Verpflichtung eingehalten, dass die Wehr spätestens 18 Minuten nach dem Schadensereignis vor Ort ist.

Weil die von den Hauseigentümern zu zahlende Feuerschutzsteuer im kommenden Jahr deutlich um acht auf dann 40 Millionen Euro ansteigt, will das Land eine Imagekampagne finanzieren, um die vielfältigen Tätigkeitsfelder der Feuerwehren transparent und verständlich zu vermitteln. Bereits gelaufen ist eine Plakatkampagne, gezielt auf Frauen. Die Slogans: "Frauen an den Brandherd" und "Frauen sind Katastrophen-Schützer".