Greenpeace hat Herausgabe von Akten erstritten, aus denen hervorgeht, dass im Salzstock Wasser eingeschlossen ist.

Hannover/Berlin. An der Eignung des Gorlebener Salzstocks zur Lagerung von hoch radioaktivem Müll gibt es neue Zweifel. Die Umweltorganisation Greenpeace hat in Berlin bisher vertrauliche Dokumente veröffentlicht, die belegen, dass mitten im Salzstock ein bis zu eine Million Kubikmeter großes Wasserreservoir eingeschlossen ist. Wasser gilt als größte Gefahr für die sichere Endlagerung, weil es die gefährliche Strahlung an die Erdoberfläche transportieren kann.

Belegen kann Greenpeace nach eigenen Angaben darüber hinaus, dass die Entscheidung für den Standort Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg 1977 innerhalb weniger Wochen erfolgte. Der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) soll sich für den abgelegenen Standort an der damaligen innerdeutschen Grenze gegen den Rat der Fachleute entschieden haben. Handschriftlich sei Gorleben auf Dokumenten des TÜV Hannover nachträglich eingefügt worden. Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler sagt: "Das Auswahlverfahren war nie ergebnisoffen, geologische Kriterien für ein Endlager im Salzstock spielten in allen Studien eine untergeordnete Rolle."

Greenpeace hatte die Herausgabe von insgesamt 110 Aktenbänden mit vertraulichen Kabinettsvorlagen und Studien auf Bundes- wie Landesebene nach dem Umweltinformationsgesetz erstritten. Die mehr als 12 000 Einzelseiten sollen jetzt in eine öffentlich zugängliche Datenbank eingestellt werden.

Bestandteil der Akten ist auch jener Vermerk vom 1. August 1996, in dem die Fachleute der Bundesanstalt für Geowissenschaften von einem Laugenreservoir in der Größenordnung von bis zu einer Million Kubikmetern berichten. Das entspräche etwa dem dreifachen Inhalt der Hamburger Binnenalster.

Trotz noch bestehender Unsicherheiten bei den Schätzungen müsse "von einer beträchtlichen Erstreckung" ausgegangen werden. Und Fachleute merken ausdrücklich an, angesichts der Größe des Reservoirs stelle sich die "Frage nach Wegsamkeiten". Solche Wegsamkeiten haben dazu geführt, dass das marode Atomendlager Asse, entgegen früheren Versprechungen, einen täglichen Laugenzufluss von zwölf Kubikmetern hat. Folge: Der Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), schließt inzwischen auch unkontrollierte Zuflüsse in so großer Dimension nicht aus, dass nur noch Notfallmaßnahmen möglich sind.

Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg wies im Zusammenhang mit dem Reservoir auch darauf hin, dass die Einlagerung abgebrannter, stark wärmeentwickelnder Brennelemente in Gorleben neue Gefahren brächte: "Wasser wandert sofort zu den Hitzequellen." Das Wasserreservoir befindet sich in mehr als 800 Meter Tiefe, genau hier liegt auch der Erkundungsbereich.

Nach Greenpeace-Angaben sind der Öffentlichkeit wesentliche Informationen vorenthalten worden, weil der Betreiber "Auswirkungen auf laufende Gerichtsverfahren" fürchtete. Dies gelte auch für das riesige Laugenreservoir. Der Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, forderte, dass die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) nicht länger Verantwortung tragen dürfe für die Arbeiten im Erkundungsbergwerk. Das Unternehmen sei zu 75 Prozent im Besitz der Atomindustrie: "Da besteht natürlich der Verdacht, dass die DBE ein Interesse daran hat, unliebsame Fakten unter der Decke zu halten."

Laut Greenpeace standen Bund und Land 1976 unter Zeitdruck: Ohne Entsorgungsnachweis hätte man Atommeiler abschalten müssen.