Umweltminister Röttgen will “die politische Beteiligung der Bürger gewährleisten“. Salzstock wird nicht nach strengen Atomrecht erkundet.

Gorleben/Hannover. Die schwarz-gelbe Bundesregierung setzt allein auf den Standort Gorleben im Wendland als atomares Endlager für stark strahlenden Müll. In den nächsten Tagen bereits, so sagte es Bundesumweltminister Norbert Röttger (CDU) gestern am Rande der Computermesse Cebit in Hannover, soll über die weitere Erkundung entschieden werden.

Die Atomkraftgegner vor Ort protestierten nicht nur gegen die damit absehbare Aufhebung des Erkundungsstopps nach knapp zehn Jahren. Sie fordern für Gorleben, statt des gegenwärtig geltenden Bergrechts das ungleich schärfere Atomrecht mit mehr Bürgerbeteiligung anzuwenden. Zwar sicherte Bundesumweltminister Röttgen zu: "Wir werden die politische Beteiligung der Bürger gewährleisten." Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" aber ist längst entschieden, es beim Bergrecht zu lassen.

Auch der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) ist für diese Variante. Seine Sprecherin sagte gestern, es sei "gegenwärtig sachgerecht, Bergrecht anzuwenden". Sollte sich die Eignung des Salzstocks erweisen, werde ohnehin ein Planfeststellungsverfahren dann nach Atomrecht erfolgen.

Im Moment sieht alles danach aus, dass das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) entsprechend dem Willen des Bundesministeriums den alten Rahmenbetriebsplan aus dem Jahr 1983 einfach verlängert. Der Vorteil dabei: Nach diesem alten Recht gibt es kaum Verpflichtungen, die Öffentlichkeit zu beteiligen. Ein neuer Rahmenbetriebsplan würde, weil das Bergrecht 1990 geändert wurde, mehr Öffentlichkeitsbeteiligung bedeuten.

Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, attackierte den Bundesminister: "Röttgen kneift und scheut die öffentliche Auseinandersetzung um die flagranten Defizite Gorlebens." Die Atomkraftgegner prüfen nun ihrerseits Klagen gegen das geplante Vorgehen zur weiteren Erkundung des Salzstocks.

Für den Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, ist "das Verfahren politisch und juristisch falsch". Er verweist auf das Beispiel der Asse. Tatsächlich ist das marode Versuchsendlager Jahrzehnte nach Bergrecht betrieben worden, von Pannen und Gefahren etwa durch Wassereinbrüche erfuhr die Öffentlichkeit teilweise erst nach Jahrzehnten. Erst zum Jahresbeginn 2009 sorgte der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) dafür, dass das Helmholtz-Zentrum als Betreiber durch das Bundesamt für Strahlenschutz abgelöst wurde. Seither gilt zudem Atomrecht.

Gabriel war es auch, der im vergangenen Jahr empfahl, neben Gorleben weitere Standorte auf ihre Eignung zu untersuchen. Die neue schwarz-gelbe Bundesregierung sieht dazu aber keinen Anlass. Auf Nachfrage, ob es Alternativplanungen gebe, verwies eine Sprecherin des Umweltministeriums auf den Koalitionsvertrag, und der sieht solche Aktivitäten nicht vor.

Erst 2009 hat sich herausgestellt, dass Gorleben in der Vergangenheit nicht nur erkundet worden ist, sondern trotz der noch nicht erwiesenen Eignung bereits für die spätere Nutzung ausgebaut worden ist.

Ob die Entscheidung für Gorleben vor über 30 Jahren sachgerecht war oder ob der Standort aus politischen Gründen gewählt wurde, dieser Frage geht künftig ein Untersuchungsausschuss des Bundestages nach. Die CDU-Bundestagsfraktion teilte gestern in Berlin mit, ihre Abgeordnete Maria Flachsbarth werde den Vorsitz in diesem Gremium übernehmen.